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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Mantuanisch-schwedischer Krieg.

Wer hätte sich aber verbergen können, wie leicht sich
jenes Einverständniß erschüttern ließ.

Innerhalb der Grenzen des Katholicismus waren zwei
entgegengesetzte Antriebe mit gleicher Nothwendigkeit aus-
gebildet, der eine der Religion, der andere der Politik.

Jener forderte Zusammenhalten, Ausbreitung des Glau-
bens, Hintansetzung aller andern Rücksichten: dieser rief
den Wettstreit der großen Mächte um ein vorwaltendes An-
sehen unabläßig hervor.

Man dürfte wohl nicht sagen, durch den Gang der
Ereignisse sey das Gleichgewicht von Europa bereits um-
gestürzt gewesen. Das Gleichgewicht beruhte in jenen Zei-
ten auf dem Gegensatze zwischen Frankreich und Oestreich-
Spanien, und auch Frankreich war im Laufe dieser Bege-
benheiten unendlich viel stärker geworden.

Aber nicht minder von der Voraussicht der Zukunft
als von einer gegenwärtigen Bedrängniß hängt die Thä-
tigkeit der Politik ab. Der natürliche Lauf der Dinge
schien eine allgemeine Gefahr herbeiführen zu müssen.

Daß die altprotestantischen norddeutschen Länder von
den wallensteinischen Kriegsvölkern überschwemmt worden,
eröffnete die Möglichkeit einer Herstellung der kaiserlichen
Hoheit im Reiche, die seit Jahrhunderten, einen Moment
im Leben Carls V. etwa ausgenommen, nur noch ein Schat-
ten gewesen, zu wahrhafter Macht und wesentlicher Be-
deutung. Ging es mit der katholischen Restauration auf
dem eingeschlagenen Wege fort, so war das unvermeidlich.

Einmal hatte nun Frankreich dagegen kein Aequiva-
lent zu erwarten: sobald es der Hugenotten Herr gewor-

Mantuaniſch-ſchwediſcher Krieg.

Wer haͤtte ſich aber verbergen koͤnnen, wie leicht ſich
jenes Einverſtaͤndniß erſchuͤttern ließ.

Innerhalb der Grenzen des Katholicismus waren zwei
entgegengeſetzte Antriebe mit gleicher Nothwendigkeit aus-
gebildet, der eine der Religion, der andere der Politik.

Jener forderte Zuſammenhalten, Ausbreitung des Glau-
bens, Hintanſetzung aller andern Ruͤckſichten: dieſer rief
den Wettſtreit der großen Maͤchte um ein vorwaltendes An-
ſehen unablaͤßig hervor.

Man duͤrfte wohl nicht ſagen, durch den Gang der
Ereigniſſe ſey das Gleichgewicht von Europa bereits um-
geſtuͤrzt geweſen. Das Gleichgewicht beruhte in jenen Zei-
ten auf dem Gegenſatze zwiſchen Frankreich und Oeſtreich-
Spanien, und auch Frankreich war im Laufe dieſer Bege-
benheiten unendlich viel ſtaͤrker geworden.

Aber nicht minder von der Vorausſicht der Zukunft
als von einer gegenwaͤrtigen Bedraͤngniß haͤngt die Thaͤ-
tigkeit der Politik ab. Der natuͤrliche Lauf der Dinge
ſchien eine allgemeine Gefahr herbeifuͤhren zu muͤſſen.

Daß die altproteſtantiſchen norddeutſchen Laͤnder von
den wallenſteiniſchen Kriegsvoͤlkern uͤberſchwemmt worden,
eroͤffnete die Moͤglichkeit einer Herſtellung der kaiſerlichen
Hoheit im Reiche, die ſeit Jahrhunderten, einen Moment
im Leben Carls V. etwa ausgenommen, nur noch ein Schat-
ten geweſen, zu wahrhafter Macht und weſentlicher Be-
deutung. Ging es mit der katholiſchen Reſtauration auf
dem eingeſchlagenen Wege fort, ſo war das unvermeidlich.

Einmal hatte nun Frankreich dagegen kein Aequiva-
lent zu erwarten: ſobald es der Hugenotten Herr gewor-

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[527/0539] Mantuaniſch-ſchwediſcher Krieg. Wer haͤtte ſich aber verbergen koͤnnen, wie leicht ſich jenes Einverſtaͤndniß erſchuͤttern ließ. Innerhalb der Grenzen des Katholicismus waren zwei entgegengeſetzte Antriebe mit gleicher Nothwendigkeit aus- gebildet, der eine der Religion, der andere der Politik. Jener forderte Zuſammenhalten, Ausbreitung des Glau- bens, Hintanſetzung aller andern Ruͤckſichten: dieſer rief den Wettſtreit der großen Maͤchte um ein vorwaltendes An- ſehen unablaͤßig hervor. Man duͤrfte wohl nicht ſagen, durch den Gang der Ereigniſſe ſey das Gleichgewicht von Europa bereits um- geſtuͤrzt geweſen. Das Gleichgewicht beruhte in jenen Zei- ten auf dem Gegenſatze zwiſchen Frankreich und Oeſtreich- Spanien, und auch Frankreich war im Laufe dieſer Bege- benheiten unendlich viel ſtaͤrker geworden. Aber nicht minder von der Vorausſicht der Zukunft als von einer gegenwaͤrtigen Bedraͤngniß haͤngt die Thaͤ- tigkeit der Politik ab. Der natuͤrliche Lauf der Dinge ſchien eine allgemeine Gefahr herbeifuͤhren zu muͤſſen. Daß die altproteſtantiſchen norddeutſchen Laͤnder von den wallenſteiniſchen Kriegsvoͤlkern uͤberſchwemmt worden, eroͤffnete die Moͤglichkeit einer Herſtellung der kaiſerlichen Hoheit im Reiche, die ſeit Jahrhunderten, einen Moment im Leben Carls V. etwa ausgenommen, nur noch ein Schat- ten geweſen, zu wahrhafter Macht und weſentlicher Be- deutung. Ging es mit der katholiſchen Reſtauration auf dem eingeſchlagenen Wege fort, ſo war das unvermeidlich. Einmal hatte nun Frankreich dagegen kein Aequiva- lent zu erwarten: ſobald es der Hugenotten Herr gewor-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/539>, abgerufen am 24.04.2024.