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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Kaiser Ferdinands II. im Jahre 1629.
schlägliche Antworten. Nichts desto minder ließ er am 6.
Merz 1629 das Restitutionsedict ins Reich ergehn. Es
ist als das Endurtel in einem nunmehr über ein Jahrhun-
dert geführten großen Proceß zu betrachten. Die Evange-
lischen werden durchaus condemnirt: den Katholischen wird
vollkommen Recht gegeben: "es bleibt uns nichts übrig",
sagt der Kaiser, "als dem beleidigten Theil beizustehn und
unsere Commissarien abzuordnen, um alle seit dem Passauer
Vertrag eingezogenen Erzbisthümer, Bisthümer, Prälatu-
ren, Klöster und andere geistliche Güter von ihren unbe-
fugten Inhabern zurückzufordern." Auf der Stelle erschie-
nen die Commissionen: für jeden Kreis des Reiches trat
eine besondere in Wirksamkeit: die rücksichtslosesten Execu-
tionen begannen. Und sollte nicht damit wenigstens der
Papst begütigt, zu einiger Gunst und Hinneigung bewogen
werden? Papst Urban nahm es auf als eine Pflichter-
füllung. Der Kaiser bat um das Recht die durch das
Restitutionsedict gewonnenen geistlichen Stellen wenigstens
das erste Mal selbst zu besetzen: der Papst schlug es ihm
ab: denn, sagte er, er dürfe die Concordate nicht ver-
letzen: auch in Frankreich halte man sie 1). Es liegt fast
ein Hohn in dieser Verweisung, denn das französische Con-
cordat gewährte ja eben dem Könige das Recht, das der
Kaiser verlangte. Der Kaiser wünschte die zurückerwor-

1) Lettera di segreteria di stato al nuntio Pallotta li 28
Aprile
1629. Der Papst bestimmte seinen Nuntius in Cöln, Pier
Luigi Caraffa, nach Niedersachsen "con titolo per la restitutione
de' beni ecclesiastici, e delibero di dargli anche le facolta a
parte se fosse stato bisogno di usarle nelle controversie fra
ecclesiastici ed ecclesiastici."
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Kaiſer Ferdinands II. im Jahre 1629.
ſchlaͤgliche Antworten. Nichts deſto minder ließ er am 6.
Merz 1629 das Reſtitutionsedict ins Reich ergehn. Es
iſt als das Endurtel in einem nunmehr uͤber ein Jahrhun-
dert gefuͤhrten großen Proceß zu betrachten. Die Evange-
liſchen werden durchaus condemnirt: den Katholiſchen wird
vollkommen Recht gegeben: „es bleibt uns nichts uͤbrig“,
ſagt der Kaiſer, „als dem beleidigten Theil beizuſtehn und
unſere Commiſſarien abzuordnen, um alle ſeit dem Paſſauer
Vertrag eingezogenen Erzbisthuͤmer, Bisthuͤmer, Praͤlatu-
ren, Kloͤſter und andere geiſtliche Guͤter von ihren unbe-
fugten Inhabern zuruͤckzufordern.“ Auf der Stelle erſchie-
nen die Commiſſionen: fuͤr jeden Kreis des Reiches trat
eine beſondere in Wirkſamkeit: die ruͤckſichtsloſeſten Execu-
tionen begannen. Und ſollte nicht damit wenigſtens der
Papſt beguͤtigt, zu einiger Gunſt und Hinneigung bewogen
werden? Papſt Urban nahm es auf als eine Pflichter-
fuͤllung. Der Kaiſer bat um das Recht die durch das
Reſtitutionsedict gewonnenen geiſtlichen Stellen wenigſtens
das erſte Mal ſelbſt zu beſetzen: der Papſt ſchlug es ihm
ab: denn, ſagte er, er duͤrfe die Concordate nicht ver-
letzen: auch in Frankreich halte man ſie 1). Es liegt faſt
ein Hohn in dieſer Verweiſung, denn das franzoͤſiſche Con-
cordat gewaͤhrte ja eben dem Koͤnige das Recht, das der
Kaiſer verlangte. Der Kaiſer wuͤnſchte die zuruͤckerwor-

1) Lettera di segreteria di stato al nuntio Pallotta li 28
Aprile
1629. Der Papſt beſtimmte ſeinen Nuntius in Coͤln, Pier
Luigi Caraffa, nach Niederſachſen „con titolo per la restitutione
de’ beni ecclesiastici, e deliberò di dargli anche le facoltà a
parte se fosse stato bisogno di usarle nelle controversie fra
ecclesiastici ed ecclesiastici.“
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[547/0559] Kaiſer Ferdinands II. im Jahre 1629. ſchlaͤgliche Antworten. Nichts deſto minder ließ er am 6. Merz 1629 das Reſtitutionsedict ins Reich ergehn. Es iſt als das Endurtel in einem nunmehr uͤber ein Jahrhun- dert gefuͤhrten großen Proceß zu betrachten. Die Evange- liſchen werden durchaus condemnirt: den Katholiſchen wird vollkommen Recht gegeben: „es bleibt uns nichts uͤbrig“, ſagt der Kaiſer, „als dem beleidigten Theil beizuſtehn und unſere Commiſſarien abzuordnen, um alle ſeit dem Paſſauer Vertrag eingezogenen Erzbisthuͤmer, Bisthuͤmer, Praͤlatu- ren, Kloͤſter und andere geiſtliche Guͤter von ihren unbe- fugten Inhabern zuruͤckzufordern.“ Auf der Stelle erſchie- nen die Commiſſionen: fuͤr jeden Kreis des Reiches trat eine beſondere in Wirkſamkeit: die ruͤckſichtsloſeſten Execu- tionen begannen. Und ſollte nicht damit wenigſtens der Papſt beguͤtigt, zu einiger Gunſt und Hinneigung bewogen werden? Papſt Urban nahm es auf als eine Pflichter- fuͤllung. Der Kaiſer bat um das Recht die durch das Reſtitutionsedict gewonnenen geiſtlichen Stellen wenigſtens das erſte Mal ſelbſt zu beſetzen: der Papſt ſchlug es ihm ab: denn, ſagte er, er duͤrfe die Concordate nicht ver- letzen: auch in Frankreich halte man ſie 1). Es liegt faſt ein Hohn in dieſer Verweiſung, denn das franzoͤſiſche Con- cordat gewaͤhrte ja eben dem Koͤnige das Recht, das der Kaiſer verlangte. Der Kaiſer wuͤnſchte die zuruͤckerwor- 1) Lettera di segreteria di stato al nuntio Pallotta li 28 Aprile 1629. Der Papſt beſtimmte ſeinen Nuntius in Coͤln, Pier Luigi Caraffa, nach Niederſachſen „con titolo per la restitutione de’ beni ecclesiastici, e deliberò di dargli anche le facoltà a parte se fosse stato bisogno di usarle nelle controversie fra ecclesiastici ed ecclesiastici.“ 35*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/559>, abgerufen am 19.04.2024.