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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Auswärtige Verhältnisse.
etwa zu Gunsten des Papstes, mit dem man gleichwohl über
die Grenzen der beiderseitigen Befugnisse auch noch nicht
sehr fest übereingekommen war: noch konnte alles herbei-
gebracht werden.

Besonders war man nie der Meinung gewesen, das
obere Italien aufzugeben. Noch im Anfang des funfzehn-
ten Jahrhunderts machte der römische König Ruprecht ei-
nen entschlossenen Angriff auf Mailand: in der Mitte des-
selben regte sich nach dem Aussterben der Visconti in Mai-
land selbst eine Partei, welche der Meinung war sich dem
Kaiser zu unterwerfen: wir sahen in welch unaufhörlichen
Versuchen sich Maximilian Zeit seines Lebens bewegte, die
Lombardei zu erobern. Zwar war es ihm damit nicht geglückt:
nach allem Wechsel der Kriegsereignisse hatten die Franzosen
Mailand und Genua zuletzt doch behauptet; allein die al-
ten Ansprüche waren doch auf das lebendigste in Erinne-
rung gekommen: und in dem Reiche sah man Franz I,
der überdieß der Lehen entbehrte, mit nichten als einen le-
gitimen Besitzer an.

Indem nun Carl V den kaiserlichen Thron bestieg,
eröffnete sich für das Reich noch einmal die großartige
Aussicht zu alle seinen Rechten zu gelangen.

Wir müssen uns erinnern, daß man gleich bei der
ersten Annäherung zwischen Burgund und Östreich diesen
Gesichtspunct ins Auge gefaßt hatte. Als Carl der Kühne
Friedrich dem III seinen Bund antrug, sagte er demselben, er
wolle ihn furchtbarer machen, als irgend ein Kaiser seit
dreihundert Jahren gewesen: er stellte ihm vor, welch eine
unwiderstehliche Macht aus der Verbindung ihrer Besitz-

Auswaͤrtige Verhaͤltniſſe.
etwa zu Gunſten des Papſtes, mit dem man gleichwohl über
die Grenzen der beiderſeitigen Befugniſſe auch noch nicht
ſehr feſt übereingekommen war: noch konnte alles herbei-
gebracht werden.

Beſonders war man nie der Meinung geweſen, das
obere Italien aufzugeben. Noch im Anfang des funfzehn-
ten Jahrhunderts machte der römiſche König Ruprecht ei-
nen entſchloſſenen Angriff auf Mailand: in der Mitte deſ-
ſelben regte ſich nach dem Ausſterben der Visconti in Mai-
land ſelbſt eine Partei, welche der Meinung war ſich dem
Kaiſer zu unterwerfen: wir ſahen in welch unaufhörlichen
Verſuchen ſich Maximilian Zeit ſeines Lebens bewegte, die
Lombardei zu erobern. Zwar war es ihm damit nicht geglückt:
nach allem Wechſel der Kriegsereigniſſe hatten die Franzoſen
Mailand und Genua zuletzt doch behauptet; allein die al-
ten Anſprüche waren doch auf das lebendigſte in Erinne-
rung gekommen: und in dem Reiche ſah man Franz I,
der überdieß der Lehen entbehrte, mit nichten als einen le-
gitimen Beſitzer an.

Indem nun Carl V den kaiſerlichen Thron beſtieg,
eröffnete ſich für das Reich noch einmal die großartige
Ausſicht zu alle ſeinen Rechten zu gelangen.

Wir müſſen uns erinnern, daß man gleich bei der
erſten Annäherung zwiſchen Burgund und Öſtreich dieſen
Geſichtspunct ins Auge gefaßt hatte. Als Carl der Kühne
Friedrich dem III ſeinen Bund antrug, ſagte er demſelben, er
wolle ihn furchtbarer machen, als irgend ein Kaiſer ſeit
dreihundert Jahren geweſen: er ſtellte ihm vor, welch eine
unwiderſtehliche Macht aus der Verbindung ihrer Beſitz-

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[253/0263] Auswaͤrtige Verhaͤltniſſe. etwa zu Gunſten des Papſtes, mit dem man gleichwohl über die Grenzen der beiderſeitigen Befugniſſe auch noch nicht ſehr feſt übereingekommen war: noch konnte alles herbei- gebracht werden. Beſonders war man nie der Meinung geweſen, das obere Italien aufzugeben. Noch im Anfang des funfzehn- ten Jahrhunderts machte der römiſche König Ruprecht ei- nen entſchloſſenen Angriff auf Mailand: in der Mitte deſ- ſelben regte ſich nach dem Ausſterben der Visconti in Mai- land ſelbſt eine Partei, welche der Meinung war ſich dem Kaiſer zu unterwerfen: wir ſahen in welch unaufhörlichen Verſuchen ſich Maximilian Zeit ſeines Lebens bewegte, die Lombardei zu erobern. Zwar war es ihm damit nicht geglückt: nach allem Wechſel der Kriegsereigniſſe hatten die Franzoſen Mailand und Genua zuletzt doch behauptet; allein die al- ten Anſprüche waren doch auf das lebendigſte in Erinne- rung gekommen: und in dem Reiche ſah man Franz I, der überdieß der Lehen entbehrte, mit nichten als einen le- gitimen Beſitzer an. Indem nun Carl V den kaiſerlichen Thron beſtieg, eröffnete ſich für das Reich noch einmal die großartige Ausſicht zu alle ſeinen Rechten zu gelangen. Wir müſſen uns erinnern, daß man gleich bei der erſten Annäherung zwiſchen Burgund und Öſtreich dieſen Geſichtspunct ins Auge gefaßt hatte. Als Carl der Kühne Friedrich dem III ſeinen Bund antrug, ſagte er demſelben, er wolle ihn furchtbarer machen, als irgend ein Kaiſer ſeit dreihundert Jahren geweſen: er ſtellte ihm vor, welch eine unwiderſtehliche Macht aus der Verbindung ihrer Beſitz-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/263>, abgerufen am 29.04.2024.