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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839.

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Viertes Buch. Erstes Capitel.
Bund mit dem Kaiser, der andere unterhandelte mit ihm schon
lange über eine engere Allianz. Der Kaiser, durch seine
Siege in Spanien, von wo die Franzosen hatten weichen müs-
sen, mit neuem Selbstgefühl erfüllt, stellte seine Forderungen
ohne alle weitere Zurückhaltung auf: Räumung der Reichs-
lehen Mailand und Genua: Verzichtleistung auf die nea-
politanischen Ansprüche und die Oberlehnsherrschaft der
Krone Frankreich über Flandern und Artois, denn der Kai-
ser könne nie Vasall eines andern Fürsten seyn: endlich
Herausgabe des Herzogthums Burgund. 1 Forderungen
die denn in der That nichts als den entschlossenen Willen
das Kriegsglück zu versuchen aussprachen: ohne Niederla-
gen erlitten zu haben konnte sie Franz I nimmermehr be-
willigen.

Von der Zusammenkunft zu Calais hatte Carl V den
Vortheil, daß er den König von England für sich ge-
wann. Heinrich VIII hatte sich früher verpflichtet, sich ge-
gen Denjenigen von seinen beiden Nachbarn zu erklären,
der den Frieden zuerst brechen würde. Ein aufgefangenes
Schreiben überzeugte ihn, daß die Schuld an Franz I
liege. 2 Um so weniger Bedenken trug er nun, auf die

1 Garnier Histoire de France 23, p. 359 - - - aus den MSS von
Bethune, die er jedoch nicht näher bezeichnet. Es wäre wohl an der
Zeit, daß in Frankreich etwas Wesentliches für die authentische Er-
läuterung dieser Geschichte geschähe, was so leicht wäre. In den
Statepapers fehlt unglücklicher Weise das Schreiben Wolseys, das sich
hierauf bezogen haben wird.
2 Letters sent unto Rome by the Frenshe King to the
Counte de Carpye signed with his hande and subscribed by
Robt Tett (Robertet), which I have seen, conteyning the hoole
discourse of his intended enterprise, as well by Robt de la Mar-

Viertes Buch. Erſtes Capitel.
Bund mit dem Kaiſer, der andere unterhandelte mit ihm ſchon
lange über eine engere Allianz. Der Kaiſer, durch ſeine
Siege in Spanien, von wo die Franzoſen hatten weichen müſ-
ſen, mit neuem Selbſtgefühl erfüllt, ſtellte ſeine Forderungen
ohne alle weitere Zurückhaltung auf: Räumung der Reichs-
lehen Mailand und Genua: Verzichtleiſtung auf die nea-
politaniſchen Anſprüche und die Oberlehnsherrſchaft der
Krone Frankreich über Flandern und Artois, denn der Kai-
ſer könne nie Vaſall eines andern Fürſten ſeyn: endlich
Herausgabe des Herzogthums Burgund. 1 Forderungen
die denn in der That nichts als den entſchloſſenen Willen
das Kriegsglück zu verſuchen ausſprachen: ohne Niederla-
gen erlitten zu haben konnte ſie Franz I nimmermehr be-
willigen.

Von der Zuſammenkunft zu Calais hatte Carl V den
Vortheil, daß er den König von England für ſich ge-
wann. Heinrich VIII hatte ſich früher verpflichtet, ſich ge-
gen Denjenigen von ſeinen beiden Nachbarn zu erklären,
der den Frieden zuerſt brechen würde. Ein aufgefangenes
Schreiben überzeugte ihn, daß die Schuld an Franz I
liege. 2 Um ſo weniger Bedenken trug er nun, auf die

1 Garnier Histoire de France 23, p. 359 ‒ ‒ ‒ aus den MSS von
Bethune, die er jedoch nicht naͤher bezeichnet. Es waͤre wohl an der
Zeit, daß in Frankreich etwas Weſentliches fuͤr die authentiſche Er-
laͤuterung dieſer Geſchichte geſchaͤhe, was ſo leicht waͤre. In den
Statepapers fehlt ungluͤcklicher Weiſe das Schreiben Wolſeys, das ſich
hierauf bezogen haben wird.
2 Letters sent unto Rome by the Frenshe King to the
Counte de Carpye signed with his hande and subscribed by
Robt Tett (Robertet), which I have seen, conteyning the hoole
discourse of his intended enterprise, as well by Robt de la Mar-
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[258/0268] Viertes Buch. Erſtes Capitel. Bund mit dem Kaiſer, der andere unterhandelte mit ihm ſchon lange über eine engere Allianz. Der Kaiſer, durch ſeine Siege in Spanien, von wo die Franzoſen hatten weichen müſ- ſen, mit neuem Selbſtgefühl erfüllt, ſtellte ſeine Forderungen ohne alle weitere Zurückhaltung auf: Räumung der Reichs- lehen Mailand und Genua: Verzichtleiſtung auf die nea- politaniſchen Anſprüche und die Oberlehnsherrſchaft der Krone Frankreich über Flandern und Artois, denn der Kai- ſer könne nie Vaſall eines andern Fürſten ſeyn: endlich Herausgabe des Herzogthums Burgund. 1 Forderungen die denn in der That nichts als den entſchloſſenen Willen das Kriegsglück zu verſuchen ausſprachen: ohne Niederla- gen erlitten zu haben konnte ſie Franz I nimmermehr be- willigen. Von der Zuſammenkunft zu Calais hatte Carl V den Vortheil, daß er den König von England für ſich ge- wann. Heinrich VIII hatte ſich früher verpflichtet, ſich ge- gen Denjenigen von ſeinen beiden Nachbarn zu erklären, der den Frieden zuerſt brechen würde. Ein aufgefangenes Schreiben überzeugte ihn, daß die Schuld an Franz I liege. 2 Um ſo weniger Bedenken trug er nun, auf die 1 Garnier Histoire de France 23, p. 359 ‒ ‒ ‒ aus den MSS von Bethune, die er jedoch nicht naͤher bezeichnet. Es waͤre wohl an der Zeit, daß in Frankreich etwas Weſentliches fuͤr die authentiſche Er- laͤuterung dieſer Geſchichte geſchaͤhe, was ſo leicht waͤre. In den Statepapers fehlt ungluͤcklicher Weiſe das Schreiben Wolſeys, das ſich hierauf bezogen haben wird. 2 Letters sent unto Rome by the Frenshe King to the Counte de Carpye signed with his hande and subscribed by Robt Tett (Robertet), which I have seen, conteyning the hoole discourse of his intended enterprise, as well by Robt de la Mar-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/268>, abgerufen am 06.05.2024.