Zweites Capitel. Weltliche und geistliche Tendenzen des Reichs- regimentes 1521 -- 1523.
Es ist ein großartiges Zusammentreffen, daß eben in dem Momente, wo sich diese gewaltigste nationale Re- gung erhob, jene ständische Regierungsform, die das Ziel so anhaltender und mannichfaltiger Bestrebungen gewe- sen, wirklich ins Leben trat. Der mächtige Kaiser hatte sie als Bedingung seiner Wahl bewilligen müssen; in Worms hatte man sich über die Einrichtung verständigt; in dem Herbst 1521 schritt man zur Ausführung. Die Churfürsten und die Kreise wählten ihre Abgeordneten, und wir finden wohl wie dieselben der besondern Vasallenpflich- ten entlassen und nur auf das Beste des Reiches zu den- ken angewiesen werden. Die alten Acten des Kammerge- richts, viele Centner schwer, bei vierthalbtausend ältere noch nicht ausgemachte Processe und eine große Anzahl neuer Klagen, auf die noch keine Ladung erkannt war, wurden nach Nürnberg geschafft. 1 Nach und nach langten die Ab-
1 Hans v. Planitz an Friedrich v. Sachsen 18 Octob. 1521, nach den Mittheilungen von Adam v. Beichlingen. Die Correspon- denz von Planitz in zwei Bänden und einem kleinern Hefte des Wei-
Zweites Capitel. Weltliche und geiſtliche Tendenzen des Reichs- regimentes 1521 — 1523.
Es iſt ein großartiges Zuſammentreffen, daß eben in dem Momente, wo ſich dieſe gewaltigſte nationale Re- gung erhob, jene ſtändiſche Regierungsform, die das Ziel ſo anhaltender und mannichfaltiger Beſtrebungen gewe- ſen, wirklich ins Leben trat. Der mächtige Kaiſer hatte ſie als Bedingung ſeiner Wahl bewilligen müſſen; in Worms hatte man ſich über die Einrichtung verſtändigt; in dem Herbſt 1521 ſchritt man zur Ausführung. Die Churfürſten und die Kreiſe wählten ihre Abgeordneten, und wir finden wohl wie dieſelben der beſondern Vaſallenpflich- ten entlaſſen und nur auf das Beſte des Reiches zu den- ken angewieſen werden. Die alten Acten des Kammerge- richts, viele Centner ſchwer, bei vierthalbtauſend ältere noch nicht ausgemachte Proceſſe und eine große Anzahl neuer Klagen, auf die noch keine Ladung erkannt war, wurden nach Nürnberg geſchafft. 1 Nach und nach langten die Ab-
1 Hans v. Planitz an Friedrich v. Sachſen 18 Octob. 1521, nach den Mittheilungen von Adam v. Beichlingen. Die Correſpon- denz von Planitz in zwei Baͤnden und einem kleinern Hefte des Wei-
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Zweites Capitel.
Weltliche und geiſtliche Tendenzen des Reichs-
regimentes 1521 — 1523.
Es iſt ein großartiges Zuſammentreffen, daß eben in
dem Momente, wo ſich dieſe gewaltigſte nationale Re-
gung erhob, jene ſtändiſche Regierungsform, die das Ziel
ſo anhaltender und mannichfaltiger Beſtrebungen gewe-
ſen, wirklich ins Leben trat. Der mächtige Kaiſer hatte
ſie als Bedingung ſeiner Wahl bewilligen müſſen; in
Worms hatte man ſich über die Einrichtung verſtändigt;
in dem Herbſt 1521 ſchritt man zur Ausführung. Die
Churfürſten und die Kreiſe wählten ihre Abgeordneten, und
wir finden wohl wie dieſelben der beſondern Vaſallenpflich-
ten entlaſſen und nur auf das Beſte des Reiches zu den-
ken angewieſen werden. Die alten Acten des Kammerge-
richts, viele Centner ſchwer, bei vierthalbtauſend ältere noch
nicht ausgemachte Proceſſe und eine große Anzahl neuer
Klagen, auf die noch keine Ladung erkannt war, wurden
nach Nürnberg geſchafft. 1 Nach und nach langten die Ab-
1 Hans v. Planitz an Friedrich v. Sachſen 18 Octob. 1521,
nach den Mittheilungen von Adam v. Beichlingen. Die Correſpon-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 2. Berlin, 1839, S. [37]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation02_1839/47>, abgerufen am 29.04.2024.
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