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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Sechstes Buch. Drittes Capitel.

Das Unglück war nur, daß Zwingli sich im Jahr
1530 auf eine Weise ausgesprochen hatte, welche eher
Widerwillen und weitere Entfernung als Annäherung ir-
gend einer Art hervorbringen mußte. Sey es, daß ihn die
ungünstigen Berichte reizten, welche lutherischer Seits über
das marburger Gespräch verbreitet wurden, oder daß die
Anwesenheit Carlstadts, der eben damals bei Zwingli an-
gekommen und kurz darauf in der Schweiz wieder zu ei-
nem Amte gelangte, auf ihn wirkte: -- genug, kaum war
ihm die augsburgische Confession zu Händen gekommen, so
sandte auch er, ohne daß er gerade eine dringende Auffor-
derung dazu gehabt hätte, eine Rechenschaft über seinen
Glauben an den Kaiser, worin er nicht allein der ka-
tholischen Kirche lebhafter entgegentrat, als Melanchthon
es gethan, z. B. die bischöfliche Verfassung ohne weiteres
verwarf, sondern auch von einigen frühern Zugeständnissen,
namentlich in dem Artikel von der Erbsünde weiter abwich,
ja Luthern fast ausdrücklich den Vorwurf machte, er sehne
sich nach den Fleischtöpfen Aegypti zurück, und ihm die
crasseste Auffassung beimaß. 1

Kein Wunder wenn nun auch die Lutheraner eine ver-
stärkte Abneigung gegen die Anhänger Zwingli's kund gaben.

Das Bedürfniß des Friedens war aber so dringend,
daß in eben diesem Augenblick an einer andern Stelle doch

1 Ad Carolum Romanum Imperatorem Fidei Huldrychi
Zwinglii Ratio. Quod Christi corpus per essentiam et realiter
h. e. corpus ipsum naturale in coelo aut adsit aut ore dentibus-
que manducetur, quemadmodum Papistae et quidam qui ad ollas
Egyptiacas respectant pernibent, id vero neque tantum negamus
sed -- -- -- Mitratum genus atque pedatum,
sagt er weiterhin,
credimus nothon.
Sechstes Buch. Drittes Capitel.

Das Unglück war nur, daß Zwingli ſich im Jahr
1530 auf eine Weiſe ausgeſprochen hatte, welche eher
Widerwillen und weitere Entfernung als Annäherung ir-
gend einer Art hervorbringen mußte. Sey es, daß ihn die
ungünſtigen Berichte reizten, welche lutheriſcher Seits über
das marburger Geſpräch verbreitet wurden, oder daß die
Anweſenheit Carlſtadts, der eben damals bei Zwingli an-
gekommen und kurz darauf in der Schweiz wieder zu ei-
nem Amte gelangte, auf ihn wirkte: — genug, kaum war
ihm die augsburgiſche Confeſſion zu Händen gekommen, ſo
ſandte auch er, ohne daß er gerade eine dringende Auffor-
derung dazu gehabt hätte, eine Rechenſchaft über ſeinen
Glauben an den Kaiſer, worin er nicht allein der ka-
tholiſchen Kirche lebhafter entgegentrat, als Melanchthon
es gethan, z. B. die biſchöfliche Verfaſſung ohne weiteres
verwarf, ſondern auch von einigen frühern Zugeſtändniſſen,
namentlich in dem Artikel von der Erbſünde weiter abwich,
ja Luthern faſt ausdrücklich den Vorwurf machte, er ſehne
ſich nach den Fleiſchtöpfen Aegypti zurück, und ihm die
craſſeſte Auffaſſung beimaß. 1

Kein Wunder wenn nun auch die Lutheraner eine ver-
ſtärkte Abneigung gegen die Anhänger Zwingli’s kund gaben.

Das Bedürfniß des Friedens war aber ſo dringend,
daß in eben dieſem Augenblick an einer andern Stelle doch

1 Ad Carolum Romanum Imperatorem Fidei Huldrychi
Zwinglii Ratio. Quod Christi corpus per essentiam et realiter
h. e. corpus ipsum naturale in coelo aut adsit aut ore dentibus-
que manducetur, quemadmodum Papistae et quidam qui ad ollas
Egyptiacas respectant pernibent, id vero neque tantum negamus
sed — — — Mitratum genus atque pedatum,
ſagt er weiterhin,
credimus νόϑον.
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[340/0356] Sechstes Buch. Drittes Capitel. Das Unglück war nur, daß Zwingli ſich im Jahr 1530 auf eine Weiſe ausgeſprochen hatte, welche eher Widerwillen und weitere Entfernung als Annäherung ir- gend einer Art hervorbringen mußte. Sey es, daß ihn die ungünſtigen Berichte reizten, welche lutheriſcher Seits über das marburger Geſpräch verbreitet wurden, oder daß die Anweſenheit Carlſtadts, der eben damals bei Zwingli an- gekommen und kurz darauf in der Schweiz wieder zu ei- nem Amte gelangte, auf ihn wirkte: — genug, kaum war ihm die augsburgiſche Confeſſion zu Händen gekommen, ſo ſandte auch er, ohne daß er gerade eine dringende Auffor- derung dazu gehabt hätte, eine Rechenſchaft über ſeinen Glauben an den Kaiſer, worin er nicht allein der ka- tholiſchen Kirche lebhafter entgegentrat, als Melanchthon es gethan, z. B. die biſchöfliche Verfaſſung ohne weiteres verwarf, ſondern auch von einigen frühern Zugeſtändniſſen, namentlich in dem Artikel von der Erbſünde weiter abwich, ja Luthern faſt ausdrücklich den Vorwurf machte, er ſehne ſich nach den Fleiſchtöpfen Aegypti zurück, und ihm die craſſeſte Auffaſſung beimaß. 1 Kein Wunder wenn nun auch die Lutheraner eine ver- ſtärkte Abneigung gegen die Anhänger Zwingli’s kund gaben. Das Bedürfniß des Friedens war aber ſo dringend, daß in eben dieſem Augenblick an einer andern Stelle doch 1 Ad Carolum Romanum Imperatorem Fidei Huldrychi Zwinglii Ratio. Quod Christi corpus per essentiam et realiter h. e. corpus ipsum naturale in coelo aut adsit aut ore dentibus- que manducetur, quemadmodum Papistae et quidam qui ad ollas Egyptiacas respectant pernibent, id vero neque tantum negamus sed — — — Mitratum genus atque pedatum, ſagt er weiterhin, credimus νόϑον.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/356>, abgerufen am 25.04.2024.