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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Gespräch zu Worms.
hörlich verfolgte. Granvella gab ihm endlich einen Trost,
der ihn zufrieden stellte. Er sagte, mit dem ersten Artikel
werde es wenig auf sich haben: da werde Melanchthon hof-
fentlich unterliegen: sollte das nicht der Fall seyn, so könne
man die Versammlung jeden Augenblick auflösen: bei der
Nähe des Kaisers stehe es nur bei ihm, sich von demselben
schreiben zu lassen was er selber wolle. 1

Nur auf diese Weise, unter diesem Vorbehalt kam es
zu einem Beginn des Gespräches am 14 Januar 1541, zwi-
schen Melanchthon und Eck, die als die Hauptcollocutoren
der beiden Parteien aufgestellt waren: 2 zunächst über den
Artikel von der Erbsünde. Die Protestanten können nicht
genug rühmen mit wie stattlichen Gründen göttlicher Schrift
ohne allen Hintergang in der reinsten Sprache ihr Melanch-
thon
dem Widersacher begegnet sey: er verhalte sich zu dem-
selben wie eine Nachtigall zu einem Raben. Ich weiß nicht
ob vielleicht auch der andere Theil seine Überlegenheit fühlte;
wahrscheinlicher aber ist daß Granvella noch vor dem An-
fang den Kaiser um unverweilte Auflösung gebeten hatte.
Noch ehe man mit dem ersten Artikel zu Stande gekommen,
lief ein Schreiben ein, worin Granvella beauftragt wurde,

1 6 Gennaro. Mi soggiunse il disegno ch'egli haveva del
modo del procedere, cioe che facendo Protestanti qualche risposta
talmente conditionata che si potesse venire al colloquio, la vo-
leva accettare e proponerla e dar principio al parlamento, ser-
vando sempre in se, quando le cose non passassero a suo modo,
la facolta di dissolvere il convento e non procedere piu oltre,
il che facilmente potea fare per la vicinita dell' impcratore, del
quale si potea farsi scrivere a suo modo secondo fosse il bisogno.
2 Es charakterisirt Eck, wenn Melanchthon sagt: Audivi Ec-
cium gloriose jactitantem posse se utramque partem tueri. Prae-
fatio ad acta Wormatiensia. Opp. II,
641.

Geſpraͤch zu Worms.
hörlich verfolgte. Granvella gab ihm endlich einen Troſt,
der ihn zufrieden ſtellte. Er ſagte, mit dem erſten Artikel
werde es wenig auf ſich haben: da werde Melanchthon hof-
fentlich unterliegen: ſollte das nicht der Fall ſeyn, ſo könne
man die Verſammlung jeden Augenblick auflöſen: bei der
Nähe des Kaiſers ſtehe es nur bei ihm, ſich von demſelben
ſchreiben zu laſſen was er ſelber wolle. 1

Nur auf dieſe Weiſe, unter dieſem Vorbehalt kam es
zu einem Beginn des Geſpräches am 14 Januar 1541, zwi-
ſchen Melanchthon und Eck, die als die Hauptcollocutoren
der beiden Parteien aufgeſtellt waren: 2 zunächſt über den
Artikel von der Erbſünde. Die Proteſtanten können nicht
genug rühmen mit wie ſtattlichen Gründen göttlicher Schrift
ohne allen Hintergang in der reinſten Sprache ihr Melanch-
thon
dem Widerſacher begegnet ſey: er verhalte ſich zu dem-
ſelben wie eine Nachtigall zu einem Raben. Ich weiß nicht
ob vielleicht auch der andere Theil ſeine Überlegenheit fühlte;
wahrſcheinlicher aber iſt daß Granvella noch vor dem An-
fang den Kaiſer um unverweilte Auflöſung gebeten hatte.
Noch ehe man mit dem erſten Artikel zu Stande gekommen,
lief ein Schreiben ein, worin Granvella beauftragt wurde,

1 6 Gennaro. Mi soggiunse il disegno ch’egli haveva del
modo del procedere, cioè che facendo Protestanti qualche risposta
talmente conditionata che si potesse venire al colloquio, la vo-
leva accettare e proponerla e dar principio al parlamento, ser-
vando sempre in se, quando le cose non passassero a suo modo,
la facoltà di dissolvere il convento e non procedere più oltre,
il che facilmente potea fare per la vicinità dell’ impcratore, del
quale si potea farsi scrivere a suo modo secondo fosse il bisogno.
2 Es charakteriſirt Eck, wenn Melanchthon ſagt: Audivi Ec-
cium gloriose jactitantem posse se utramque partem tueri. Prae-
fatio ad acta Wormatiensia. Opp. II,
641.
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[203/0215] Geſpraͤch zu Worms. hörlich verfolgte. Granvella gab ihm endlich einen Troſt, der ihn zufrieden ſtellte. Er ſagte, mit dem erſten Artikel werde es wenig auf ſich haben: da werde Melanchthon hof- fentlich unterliegen: ſollte das nicht der Fall ſeyn, ſo könne man die Verſammlung jeden Augenblick auflöſen: bei der Nähe des Kaiſers ſtehe es nur bei ihm, ſich von demſelben ſchreiben zu laſſen was er ſelber wolle. 1 Nur auf dieſe Weiſe, unter dieſem Vorbehalt kam es zu einem Beginn des Geſpräches am 14 Januar 1541, zwi- ſchen Melanchthon und Eck, die als die Hauptcollocutoren der beiden Parteien aufgeſtellt waren: 2 zunächſt über den Artikel von der Erbſünde. Die Proteſtanten können nicht genug rühmen mit wie ſtattlichen Gründen göttlicher Schrift ohne allen Hintergang in der reinſten Sprache ihr Melanch- thon dem Widerſacher begegnet ſey: er verhalte ſich zu dem- ſelben wie eine Nachtigall zu einem Raben. Ich weiß nicht ob vielleicht auch der andere Theil ſeine Überlegenheit fühlte; wahrſcheinlicher aber iſt daß Granvella noch vor dem An- fang den Kaiſer um unverweilte Auflöſung gebeten hatte. Noch ehe man mit dem erſten Artikel zu Stande gekommen, lief ein Schreiben ein, worin Granvella beauftragt wurde, 1 6 Gennaro. Mi soggiunse il disegno ch’egli haveva del modo del procedere, cioè che facendo Protestanti qualche risposta talmente conditionata che si potesse venire al colloquio, la vo- leva accettare e proponerla e dar principio al parlamento, ser- vando sempre in se, quando le cose non passassero a suo modo, la facoltà di dissolvere il convento e non procedere più oltre, il che facilmente potea fare per la vicinità dell’ impcratore, del quale si potea farsi scrivere a suo modo secondo fosse il bisogno. 2 Es charakteriſirt Eck, wenn Melanchthon ſagt: Audivi Ec- cium gloriose jactitantem posse se utramque partem tueri. Prae- fatio ad acta Wormatiensia. Opp. II, 641.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/215>, abgerufen am 24.04.2024.