Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebentes Buch. Fünftes Capitel.
aller Form verwarfen. Man kannte sie hinreichend, um sich
hierauf keinerlei Nachgiebigkeit von ihrer Seite zu verspre-
chen. Eher versuchte Granvella noch einmal bei Contarini
sein Glück. Aber schon fühlte dieser sich von Verdacht und
Übelwollen umgeben. Er erklärte, Glaubenssätze so wichti-
ger Art, die Jahrhunderte gegolten, dürfe und werde er nicht
in Zweifel ziehen lassen. 1

Und so war man doch auch dießmal auf dem eingeschla-
genen Wege auf ganz unübersteigliche Hindernisse gestoßen:
nicht in den tieferen Grundlehren der Dogmatik, die das
Verhältniß Gottes zu den Menschen betreffen: auch nicht ei-
gentlich in der Lehre über die Kirche, über welche man we-
nigstens bis auf einen gewissen Punct einverstanden war:
der Grund der Entzweiung lag vielmehr in den scholasti-
schen Vorstellungen, welche während der hierarchischen Jahr-
hunderte geltend geworden. Diese und die Dienste die sich
daran knüpften, wollte man auf der einen Seite als allge-
mein gültig und göttlich festhalten; auf der andern war es
eben das Prinzip sich davon loszureißen.

An eine weitere Vereinigung war nicht zu denken, so
lange ein Abgeordneter der römischen Curie, die von dem
Herkömmlichen nicht ablassen wollte, daran Theil nahm.

Doch war das Werk noch nicht geradezu gescheitert.

Uber einige der wichtigsten Lehren hatte man sich in
der That verglichen, und es leuchtete ein, daß wenn man daran
festhielt, ein so vollkommener Gegensatz wie früher nicht mehr
eintreten konnte. Die Absicht erhob sich, die entgegengesetz-

1 "nunquam Legatum assensurum, ut conspicua fidei de-
creta tot saeculis culta in dubium adducerentur."

Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel.
aller Form verwarfen. Man kannte ſie hinreichend, um ſich
hierauf keinerlei Nachgiebigkeit von ihrer Seite zu verſpre-
chen. Eher verſuchte Granvella noch einmal bei Contarini
ſein Glück. Aber ſchon fühlte dieſer ſich von Verdacht und
Übelwollen umgeben. Er erklärte, Glaubensſätze ſo wichti-
ger Art, die Jahrhunderte gegolten, dürfe und werde er nicht
in Zweifel ziehen laſſen. 1

Und ſo war man doch auch dießmal auf dem eingeſchla-
genen Wege auf ganz unüberſteigliche Hinderniſſe geſtoßen:
nicht in den tieferen Grundlehren der Dogmatik, die das
Verhältniß Gottes zu den Menſchen betreffen: auch nicht ei-
gentlich in der Lehre über die Kirche, über welche man we-
nigſtens bis auf einen gewiſſen Punct einverſtanden war:
der Grund der Entzweiung lag vielmehr in den ſcholaſti-
ſchen Vorſtellungen, welche während der hierarchiſchen Jahr-
hunderte geltend geworden. Dieſe und die Dienſte die ſich
daran knüpften, wollte man auf der einen Seite als allge-
mein gültig und göttlich feſthalten; auf der andern war es
eben das Prinzip ſich davon loszureißen.

An eine weitere Vereinigung war nicht zu denken, ſo
lange ein Abgeordneter der römiſchen Curie, die von dem
Herkömmlichen nicht ablaſſen wollte, daran Theil nahm.

Doch war das Werk noch nicht geradezu geſcheitert.

Uber einige der wichtigſten Lehren hatte man ſich in
der That verglichen, und es leuchtete ein, daß wenn man daran
feſthielt, ein ſo vollkommener Gegenſatz wie früher nicht mehr
eintreten konnte. Die Abſicht erhob ſich, die entgegengeſetz-

1 „nunquam Legatum assensurum, ut conspicua fidei de-
creta tot saeculis culta in dubium adducerentur.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0226" n="214"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Fu&#x0364;nftes Capitel</hi>.</fw><lb/>
aller Form verwarfen. Man kannte &#x017F;ie hinreichend, um &#x017F;ich<lb/>
hierauf keinerlei Nachgiebigkeit von ihrer Seite zu ver&#x017F;pre-<lb/>
chen. Eher ver&#x017F;uchte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118718444">Granvella</persName> noch einmal bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118996193">Contarini</persName><lb/>
&#x017F;ein Glück. Aber &#x017F;chon fühlte die&#x017F;er &#x017F;ich von Verdacht und<lb/>
Übelwollen umgeben. Er erklärte, Glaubens&#x017F;ätze &#x017F;o wichti-<lb/>
ger Art, die Jahrhunderte gegolten, dürfe und werde er nicht<lb/>
in Zweifel ziehen la&#x017F;&#x017F;en. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">&#x201E;nunquam Legatum assensurum, ut conspicua fidei de-<lb/>
creta tot saeculis culta in dubium adducerentur.&#x201C;</hi></note></p><lb/>
            <p>Und &#x017F;o war man doch auch dießmal auf dem einge&#x017F;chla-<lb/>
genen Wege auf ganz unüber&#x017F;teigliche Hinderni&#x017F;&#x017F;e ge&#x017F;toßen:<lb/>
nicht in den tieferen Grundlehren der Dogmatik, die das<lb/>
Verhältniß Gottes zu den Men&#x017F;chen betreffen: auch nicht ei-<lb/>
gentlich in der Lehre über die Kirche, über welche man we-<lb/>
nig&#x017F;tens bis auf einen gewi&#x017F;&#x017F;en Punct einver&#x017F;tanden war:<lb/>
der Grund der Entzweiung lag vielmehr in den &#x017F;chola&#x017F;ti-<lb/>
&#x017F;chen Vor&#x017F;tellungen, welche während der hierarchi&#x017F;chen Jahr-<lb/>
hunderte geltend geworden. Die&#x017F;e und die Dien&#x017F;te die &#x017F;ich<lb/>
daran knüpften, wollte man auf der einen Seite als allge-<lb/>
mein gültig und göttlich fe&#x017F;thalten; auf der andern war es<lb/>
eben das Prinzip &#x017F;ich davon loszureißen.</p><lb/>
            <p>An eine weitere Vereinigung war nicht zu denken, &#x017F;o<lb/>
lange ein Abgeordneter der römi&#x017F;chen Curie, die von dem<lb/>
Herkömmlichen nicht abla&#x017F;&#x017F;en wollte, daran Theil nahm.</p><lb/>
            <p>Doch war das Werk noch nicht geradezu ge&#x017F;cheitert.</p><lb/>
            <p>Uber einige der wichtig&#x017F;ten Lehren hatte man &#x017F;ich in<lb/>
der That verglichen, und es leuchtete ein, daß wenn man daran<lb/>
fe&#x017F;thielt, ein &#x017F;o vollkommener Gegen&#x017F;atz wie früher nicht mehr<lb/>
eintreten konnte. Die Ab&#x017F;icht erhob &#x017F;ich, die entgegenge&#x017F;etz-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0226] Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel. aller Form verwarfen. Man kannte ſie hinreichend, um ſich hierauf keinerlei Nachgiebigkeit von ihrer Seite zu verſpre- chen. Eher verſuchte Granvella noch einmal bei Contarini ſein Glück. Aber ſchon fühlte dieſer ſich von Verdacht und Übelwollen umgeben. Er erklärte, Glaubensſätze ſo wichti- ger Art, die Jahrhunderte gegolten, dürfe und werde er nicht in Zweifel ziehen laſſen. 1 Und ſo war man doch auch dießmal auf dem eingeſchla- genen Wege auf ganz unüberſteigliche Hinderniſſe geſtoßen: nicht in den tieferen Grundlehren der Dogmatik, die das Verhältniß Gottes zu den Menſchen betreffen: auch nicht ei- gentlich in der Lehre über die Kirche, über welche man we- nigſtens bis auf einen gewiſſen Punct einverſtanden war: der Grund der Entzweiung lag vielmehr in den ſcholaſti- ſchen Vorſtellungen, welche während der hierarchiſchen Jahr- hunderte geltend geworden. Dieſe und die Dienſte die ſich daran knüpften, wollte man auf der einen Seite als allge- mein gültig und göttlich feſthalten; auf der andern war es eben das Prinzip ſich davon loszureißen. An eine weitere Vereinigung war nicht zu denken, ſo lange ein Abgeordneter der römiſchen Curie, die von dem Herkömmlichen nicht ablaſſen wollte, daran Theil nahm. Doch war das Werk noch nicht geradezu geſcheitert. Uber einige der wichtigſten Lehren hatte man ſich in der That verglichen, und es leuchtete ein, daß wenn man daran feſthielt, ein ſo vollkommener Gegenſatz wie früher nicht mehr eintreten konnte. Die Abſicht erhob ſich, die entgegengeſetz- 1 „nunquam Legatum assensurum, ut conspicua fidei de- creta tot saeculis culta in dubium adducerentur.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/226
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/226>, abgerufen am 28.03.2024.