Artikel, die von allem Irrthum frei seyen, festhalten: das werde "großen Unrath für die künftigen Zeiten verhüten."
Vollkommen derselben Meinung war Pfalz: nicht allein die verglichenen Artikel müsse man halten sondern auch auf eine Vergleichung der übrigen denken. Zugleich brachte diese Stimme die kammergerichtlichen Urtel in Anregung: der Kaiser solle doch endlich erklären, was Religionssache sey und was nicht.
Und noch weiter gieng Churfürst Joachim von Bran- denburg. Die Beobachtung der verglichenen Artikel fand er schon darum unerläßlich damit doch etwas geschehen sey: welch ein Geschrei würde sich erheben, wenn man ein mit so vieler Mühe erlangtes Ergebniß nicht einmal anwenden wolle. Überdieß aber müsse auch der Genuß des Sacra- ments in beiderlei Gestalt vergönnt werden: der jetzige Le- gat werde hoffentlich nichts dagegen haben. Joachim fügte hinzu, daß man wohl auch daran denken sollte, die päpst- lichen Annaten inne zu behalten, um sie zu dem bevorstehen- den Türkenkriege zu verwenden.
Hierauf machte es so viel nicht aus daß Mainz dem zu Worms ergriffenen System getreu blieb und sich der Stimme von Trier anschloß. Cölln, Pfalz und Branden- burg bildeten bei der Abwesenheit von Sachsen die Mehr- heit: und in der That wurde im Namen des Collegiums das Gutachten abgegeben, es möge bei den verglichenen Ar- tikeln sein Verbleiben haben bis zu einem freien Concilium oder einer Nationalversammlung.
Damit stimmten nun auch die Städte überein: sie er- boten sich die verglichenen Artikel anzunehmen wenn der Kai-
Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Artikel, die von allem Irrthum frei ſeyen, feſthalten: das werde „großen Unrath für die künftigen Zeiten verhüten.“
Vollkommen derſelben Meinung war Pfalz: nicht allein die verglichenen Artikel müſſe man halten ſondern auch auf eine Vergleichung der übrigen denken. Zugleich brachte dieſe Stimme die kammergerichtlichen Urtel in Anregung: der Kaiſer ſolle doch endlich erklären, was Religionsſache ſey und was nicht.
Und noch weiter gieng Churfürſt Joachim von Bran- denburg. Die Beobachtung der verglichenen Artikel fand er ſchon darum unerläßlich damit doch etwas geſchehen ſey: welch ein Geſchrei würde ſich erheben, wenn man ein mit ſo vieler Mühe erlangtes Ergebniß nicht einmal anwenden wolle. Überdieß aber müſſe auch der Genuß des Sacra- ments in beiderlei Geſtalt vergönnt werden: der jetzige Le- gat werde hoffentlich nichts dagegen haben. Joachim fügte hinzu, daß man wohl auch daran denken ſollte, die päpſt- lichen Annaten inne zu behalten, um ſie zu dem bevorſtehen- den Türkenkriege zu verwenden.
Hierauf machte es ſo viel nicht aus daß Mainz dem zu Worms ergriffenen Syſtem getreu blieb und ſich der Stimme von Trier anſchloß. Cölln, Pfalz und Branden- burg bildeten bei der Abweſenheit von Sachſen die Mehr- heit: und in der That wurde im Namen des Collegiums das Gutachten abgegeben, es möge bei den verglichenen Ar- tikeln ſein Verbleiben haben bis zu einem freien Concilium oder einer Nationalverſammlung.
Damit ſtimmten nun auch die Städte überein: ſie er- boten ſich die verglichenen Artikel anzunehmen wenn der Kai-
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Siebentes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Artikel, die von allem Irrthum frei ſeyen, feſthalten: das
werde „großen Unrath für die künftigen Zeiten verhüten.“
Vollkommen derſelben Meinung war Pfalz: nicht allein
die verglichenen Artikel müſſe man halten ſondern auch auf
eine Vergleichung der übrigen denken. Zugleich brachte dieſe
Stimme die kammergerichtlichen Urtel in Anregung: der
Kaiſer ſolle doch endlich erklären, was Religionsſache ſey
und was nicht.
Und noch weiter gieng Churfürſt Joachim von Bran-
denburg. Die Beobachtung der verglichenen Artikel fand er
ſchon darum unerläßlich damit doch etwas geſchehen ſey:
welch ein Geſchrei würde ſich erheben, wenn man ein mit
ſo vieler Mühe erlangtes Ergebniß nicht einmal anwenden
wolle. Überdieß aber müſſe auch der Genuß des Sacra-
ments in beiderlei Geſtalt vergönnt werden: der jetzige Le-
gat werde hoffentlich nichts dagegen haben. Joachim fügte
hinzu, daß man wohl auch daran denken ſollte, die päpſt-
lichen Annaten inne zu behalten, um ſie zu dem bevorſtehen-
den Türkenkriege zu verwenden.
Hierauf machte es ſo viel nicht aus daß Mainz dem
zu Worms ergriffenen Syſtem getreu blieb und ſich der
Stimme von Trier anſchloß. Cölln, Pfalz und Branden-
burg bildeten bei der Abweſenheit von Sachſen die Mehr-
heit: und in der That wurde im Namen des Collegiums
das Gutachten abgegeben, es möge bei den verglichenen Ar-
tikeln ſein Verbleiben haben bis zu einem freien Concilium
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Damit ſtimmten nun auch die Städte überein: ſie er-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/228>, abgerufen am 18.04.2024.
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