Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebentes Buch. Zweites Capitel.
Kraft die man einsetzt. Die Momente die den Fortgang der
Welthistorie bedingen, sind ich möchte sagen ein göttliches Ge-
heimniß: der Werth des Menschen beruht auf seiner Selbst-
bestimmung und Thätigkeit.

Bleiben wir hier nur dabei stehn, was in die Augen
springt, daß die allgemeine Lage der Angelegenheiten den Pro-
testanten unmittelbar förderlich werden mußte.

Daß die Hierarchie eine Unternehmung im Sinne der
albigensischen oder der hussitischen Kriege gegen sie zu Stande
bringen sollte, ließ sich bei der Stimmung der Zeit nicht
mehr erwarten. Der König von England, so weit er sich auch
in andern Beziehungen von ihnen entfernte, war doch ihr
Verbündeter gegen den Papst.

Zunächst hatten sie es nur mit dem Kaiser zu thun.
Dem wollten sie, wie wir wissen, die rechtliche Anerkennung
der Form des Glaubens und Lebens die sie ergriffen hatten
abgewinnen.

Fragen wir nach den Mitteln die ihnen hiebei zu Ge-
bote standen, so machten sie nunmehr allerdings eine an-
sehnliche Zahl aus, sie bildeten einen Bund der Aufsehen in
der Welt erregte, und hatten die öffentliche Meinung auf
ihrer Seite; mit alle dem wurden sie jedoch bei weitem nicht
fähig sich irgend ein Zugeständniß zu erzwingen.

Vielmehr knüpfte sich auch hier die Hauptsache an die
anderweiten Verhältnisse des Kaisers, sey es nun daß aus-
brechende Feindseligkeiten demselben Rücksicht auf eine deut-
sche Opposition geboten, oder daß ihm aus der Lage der all-
gemeinen Angelegenheiten die Neigung entsprang sie zu be-
günstigen, der Wunsch sich ihrer zu bedienen.


Siebentes Buch. Zweites Capitel.
Kraft die man einſetzt. Die Momente die den Fortgang der
Welthiſtorie bedingen, ſind ich möchte ſagen ein göttliches Ge-
heimniß: der Werth des Menſchen beruht auf ſeiner Selbſt-
beſtimmung und Thätigkeit.

Bleiben wir hier nur dabei ſtehn, was in die Augen
ſpringt, daß die allgemeine Lage der Angelegenheiten den Pro-
teſtanten unmittelbar förderlich werden mußte.

Daß die Hierarchie eine Unternehmung im Sinne der
albigenſiſchen oder der huſſitiſchen Kriege gegen ſie zu Stande
bringen ſollte, ließ ſich bei der Stimmung der Zeit nicht
mehr erwarten. Der König von England, ſo weit er ſich auch
in andern Beziehungen von ihnen entfernte, war doch ihr
Verbündeter gegen den Papſt.

Zunächſt hatten ſie es nur mit dem Kaiſer zu thun.
Dem wollten ſie, wie wir wiſſen, die rechtliche Anerkennung
der Form des Glaubens und Lebens die ſie ergriffen hatten
abgewinnen.

Fragen wir nach den Mitteln die ihnen hiebei zu Ge-
bote ſtanden, ſo machten ſie nunmehr allerdings eine an-
ſehnliche Zahl aus, ſie bildeten einen Bund der Aufſehen in
der Welt erregte, und hatten die öffentliche Meinung auf
ihrer Seite; mit alle dem wurden ſie jedoch bei weitem nicht
fähig ſich irgend ein Zugeſtändniß zu erzwingen.

Vielmehr knüpfte ſich auch hier die Hauptſache an die
anderweiten Verhältniſſe des Kaiſers, ſey es nun daß aus-
brechende Feindſeligkeiten demſelben Rückſicht auf eine deut-
ſche Oppoſition geboten, oder daß ihm aus der Lage der all-
gemeinen Angelegenheiten die Neigung entſprang ſie zu be-
günſtigen, der Wunſch ſich ihrer zu bedienen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0078" n="66"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Zweites Capitel</hi>.</fw><lb/>
Kraft die man ein&#x017F;etzt. Die Momente die den Fortgang der<lb/>
Welthi&#x017F;torie bedingen, &#x017F;ind ich möchte &#x017F;agen ein göttliches Ge-<lb/>
heimniß: der Werth des Men&#x017F;chen beruht auf &#x017F;einer Selb&#x017F;t-<lb/>
be&#x017F;timmung und Thätigkeit.</p><lb/>
          <p>Bleiben wir hier nur dabei &#x017F;tehn, was in die Augen<lb/>
&#x017F;pringt, daß die allgemeine Lage der Angelegenheiten den Pro-<lb/>
te&#x017F;tanten unmittelbar förderlich werden mußte.</p><lb/>
          <p>Daß die Hierarchie eine Unternehmung im Sinne der<lb/>
albigen&#x017F;i&#x017F;chen oder der hu&#x017F;&#x017F;iti&#x017F;chen Kriege gegen &#x017F;ie zu Stande<lb/>
bringen &#x017F;ollte, ließ &#x017F;ich bei der Stimmung der Zeit nicht<lb/>
mehr erwarten. Der König von <placeName>England</placeName>, &#x017F;o weit er &#x017F;ich auch<lb/>
in andern Beziehungen von ihnen entfernte, war doch ihr<lb/>
Verbündeter gegen den Pap&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Zunäch&#x017F;t hatten &#x017F;ie es nur mit dem Kai&#x017F;er zu thun.<lb/>
Dem wollten &#x017F;ie, wie wir wi&#x017F;&#x017F;en, die rechtliche Anerkennung<lb/>
der Form des Glaubens und Lebens die &#x017F;ie ergriffen hatten<lb/>
abgewinnen.</p><lb/>
          <p>Fragen wir nach den Mitteln die ihnen hiebei zu Ge-<lb/>
bote &#x017F;tanden, &#x017F;o machten &#x017F;ie nunmehr allerdings eine an-<lb/>
&#x017F;ehnliche Zahl aus, &#x017F;ie bildeten einen Bund der Auf&#x017F;ehen in<lb/>
der Welt erregte, und hatten die öffentliche Meinung auf<lb/>
ihrer Seite; mit alle dem wurden &#x017F;ie jedoch bei weitem nicht<lb/>
fähig &#x017F;ich irgend ein Zuge&#x017F;tändniß zu erzwingen.</p><lb/>
          <p>Vielmehr knüpfte &#x017F;ich auch hier die Haupt&#x017F;ache an die<lb/>
anderweiten Verhältni&#x017F;&#x017F;e des Kai&#x017F;ers, &#x017F;ey es nun daß aus-<lb/>
brechende Feind&#x017F;eligkeiten dem&#x017F;elben Rück&#x017F;icht auf eine deut-<lb/>
&#x017F;che Oppo&#x017F;ition geboten, oder daß ihm aus der Lage der all-<lb/>
gemeinen Angelegenheiten die Neigung ent&#x017F;prang &#x017F;ie zu be-<lb/>
gün&#x017F;tigen, der Wun&#x017F;ch &#x017F;ich ihrer zu bedienen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0078] Siebentes Buch. Zweites Capitel. Kraft die man einſetzt. Die Momente die den Fortgang der Welthiſtorie bedingen, ſind ich möchte ſagen ein göttliches Ge- heimniß: der Werth des Menſchen beruht auf ſeiner Selbſt- beſtimmung und Thätigkeit. Bleiben wir hier nur dabei ſtehn, was in die Augen ſpringt, daß die allgemeine Lage der Angelegenheiten den Pro- teſtanten unmittelbar förderlich werden mußte. Daß die Hierarchie eine Unternehmung im Sinne der albigenſiſchen oder der huſſitiſchen Kriege gegen ſie zu Stande bringen ſollte, ließ ſich bei der Stimmung der Zeit nicht mehr erwarten. Der König von England, ſo weit er ſich auch in andern Beziehungen von ihnen entfernte, war doch ihr Verbündeter gegen den Papſt. Zunächſt hatten ſie es nur mit dem Kaiſer zu thun. Dem wollten ſie, wie wir wiſſen, die rechtliche Anerkennung der Form des Glaubens und Lebens die ſie ergriffen hatten abgewinnen. Fragen wir nach den Mitteln die ihnen hiebei zu Ge- bote ſtanden, ſo machten ſie nunmehr allerdings eine an- ſehnliche Zahl aus, ſie bildeten einen Bund der Aufſehen in der Welt erregte, und hatten die öffentliche Meinung auf ihrer Seite; mit alle dem wurden ſie jedoch bei weitem nicht fähig ſich irgend ein Zugeſtändniß zu erzwingen. Vielmehr knüpfte ſich auch hier die Hauptſache an die anderweiten Verhältniſſe des Kaiſers, ſey es nun daß aus- brechende Feindſeligkeiten demſelben Rückſicht auf eine deut- ſche Oppoſition geboten, oder daß ihm aus der Lage der all- gemeinen Angelegenheiten die Neigung entſprang ſie zu be- günſtigen, der Wunſch ſich ihrer zu bedienen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/78
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/78>, abgerufen am 19.03.2024.