Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebentes Buch. Zweites Capitel.
deutung hatte, nicht auf, einzelne Stände, welche namentlich
in dem Frieden eingeschlossen waren, zu belästigen.

Seitdem aber waren noch so viel andre von der al-
ten Kirche abgewichen: es läßt sich denken, wie lebhaft und
ernstlich nunmehr diese von dem Kammergericht angegriffen
wurden.

Auf Anrufen des Abtes von Altencamp z. B. -- denn
wir müssen wohl einiger von diesen Fällen näher gedenken --
wurden die Herzoge von Pommern sehr ernstlich ermahnt, al-
les in den alten Stand wiederherzustellen: 1 hiedurch glaubte
sich der Abt berechtigt, Prälaten und Ritterschaft zum Wider-
stand gegen die Fürsten aufzufordern.

Die Stadt Hamburg, von ihren Geistlichen verklagt,
besorgte täglich, in die Acht erklärt zu werden. Dabei fürch-
tete sie nicht sowohl dieß Urtheil und die Execution desselben,
als die Rückwirkung die es innerhalb ihrer Mauern haben
würde: man glaubte, das Volk werde sich erheben und alle
jene Geistlichen tödten.

In Minden war bereits ein Pönalmandat eingetroffen.
Die Bürger behaupteten, ihre ganze Schuld bestehe darin,
daß sie einige Capellen vor den Mauern, die ihnen bei einem
etwanigen Angriff hätten gefährlich werden müssen, abgebro-
chen, und ein paar Glocken zu Kanonen umgeschmolzen, al-
lein das Mandat zeige, daß von ihren ehemaligen Priestern
noch vieles Andre vorgegeben und von dem Gericht als wahr
angenommen worden sey.


1 Vollmacht der Herzoge für B. Schwarten und H. Lerchen-
felder
, um dem Kammerrichter "den Mangel s. liebden angemasten
Gerichtsgewalt in obrurten Sachen anzuzeigen", bei Medem Ein-
führung der evangel. Lehre in Pommern p. 228.

Siebentes Buch. Zweites Capitel.
deutung hatte, nicht auf, einzelne Stände, welche namentlich
in dem Frieden eingeſchloſſen waren, zu beläſtigen.

Seitdem aber waren noch ſo viel andre von der al-
ten Kirche abgewichen: es läßt ſich denken, wie lebhaft und
ernſtlich nunmehr dieſe von dem Kammergericht angegriffen
wurden.

Auf Anrufen des Abtes von Altencamp z. B. — denn
wir müſſen wohl einiger von dieſen Fällen näher gedenken —
wurden die Herzoge von Pommern ſehr ernſtlich ermahnt, al-
les in den alten Stand wiederherzuſtellen: 1 hiedurch glaubte
ſich der Abt berechtigt, Prälaten und Ritterſchaft zum Wider-
ſtand gegen die Fürſten aufzufordern.

Die Stadt Hamburg, von ihren Geiſtlichen verklagt,
beſorgte täglich, in die Acht erklärt zu werden. Dabei fürch-
tete ſie nicht ſowohl dieß Urtheil und die Execution deſſelben,
als die Rückwirkung die es innerhalb ihrer Mauern haben
würde: man glaubte, das Volk werde ſich erheben und alle
jene Geiſtlichen tödten.

In Minden war bereits ein Pönalmandat eingetroffen.
Die Bürger behaupteten, ihre ganze Schuld beſtehe darin,
daß ſie einige Capellen vor den Mauern, die ihnen bei einem
etwanigen Angriff hätten gefährlich werden müſſen, abgebro-
chen, und ein paar Glocken zu Kanonen umgeſchmolzen, al-
lein das Mandat zeige, daß von ihren ehemaligen Prieſtern
noch vieles Andre vorgegeben und von dem Gericht als wahr
angenommen worden ſey.


1 Vollmacht der Herzoge fuͤr B. Schwarten und H. Lerchen-
felder
, um dem Kammerrichter „den Mangel ſ. liebden angemaſten
Gerichtsgewalt in obrurten Sachen anzuzeigen“, bei Medem Ein-
fuͤhrung der evangel. Lehre in Pommern p. 228.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0080" n="68"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Zweites Capitel</hi>.</fw><lb/>
deutung hatte, nicht auf, einzelne Stände, welche namentlich<lb/>
in dem Frieden einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en waren, zu belä&#x017F;tigen.</p><lb/>
            <p>Seitdem aber waren noch &#x017F;o viel andre von der al-<lb/>
ten Kirche abgewichen: es läßt &#x017F;ich denken, wie lebhaft und<lb/>
ern&#x017F;tlich nunmehr die&#x017F;e von dem Kammergericht angegriffen<lb/>
wurden.</p><lb/>
            <p>Auf Anrufen des Abtes von <placeName>Altencamp</placeName> z. B. &#x2014; denn<lb/>
wir mü&#x017F;&#x017F;en wohl einiger von die&#x017F;en Fällen näher gedenken &#x2014;<lb/>
wurden die Herzoge von <placeName>Pommern</placeName> &#x017F;ehr ern&#x017F;tlich ermahnt, al-<lb/>
les in den alten Stand wiederherzu&#x017F;tellen: <note place="foot" n="1">Vollmacht der Herzoge fu&#x0364;r <persName ref="nognd">B. Schwarten</persName> und <persName ref="nognd">H. Lerchen-<lb/>
felder</persName>, um dem Kammerrichter &#x201E;den Mangel &#x017F;. liebden angema&#x017F;ten<lb/>
Gerichtsgewalt in obrurten Sachen anzuzeigen&#x201C;, bei <persName ref="nognd">Medem</persName> Ein-<lb/>
fu&#x0364;hrung der evangel. Lehre in <placeName>Pommern</placeName> <hi rendition="#aq">p.</hi> 228.</note> hiedurch glaubte<lb/>
&#x017F;ich der Abt berechtigt, Prälaten und Ritter&#x017F;chaft zum Wider-<lb/>
&#x017F;tand gegen die Für&#x017F;ten aufzufordern.</p><lb/>
            <p>Die Stadt <placeName>Hamburg</placeName>, von ihren Gei&#x017F;tlichen verklagt,<lb/>
be&#x017F;orgte täglich, in die Acht erklärt zu werden. Dabei fürch-<lb/>
tete &#x017F;ie nicht &#x017F;owohl dieß Urtheil und die Execution de&#x017F;&#x017F;elben,<lb/>
als die Rückwirkung die es innerhalb ihrer Mauern haben<lb/>
würde: man glaubte, das Volk werde &#x017F;ich erheben und alle<lb/>
jene Gei&#x017F;tlichen tödten.</p><lb/>
            <p>In <placeName>Minden</placeName> war bereits ein Pönalmandat eingetroffen.<lb/>
Die Bürger behaupteten, ihre ganze Schuld be&#x017F;tehe darin,<lb/>
daß &#x017F;ie einige Capellen vor den Mauern, die ihnen bei einem<lb/>
etwanigen Angriff hätten gefährlich werden mü&#x017F;&#x017F;en, abgebro-<lb/>
chen, und ein paar Glocken zu Kanonen umge&#x017F;chmolzen, al-<lb/>
lein das Mandat zeige, daß von ihren ehemaligen Prie&#x017F;tern<lb/>
noch vieles Andre vorgegeben und von dem Gericht als wahr<lb/>
angenommen worden &#x017F;ey.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0080] Siebentes Buch. Zweites Capitel. deutung hatte, nicht auf, einzelne Stände, welche namentlich in dem Frieden eingeſchloſſen waren, zu beläſtigen. Seitdem aber waren noch ſo viel andre von der al- ten Kirche abgewichen: es läßt ſich denken, wie lebhaft und ernſtlich nunmehr dieſe von dem Kammergericht angegriffen wurden. Auf Anrufen des Abtes von Altencamp z. B. — denn wir müſſen wohl einiger von dieſen Fällen näher gedenken — wurden die Herzoge von Pommern ſehr ernſtlich ermahnt, al- les in den alten Stand wiederherzuſtellen: 1 hiedurch glaubte ſich der Abt berechtigt, Prälaten und Ritterſchaft zum Wider- ſtand gegen die Fürſten aufzufordern. Die Stadt Hamburg, von ihren Geiſtlichen verklagt, beſorgte täglich, in die Acht erklärt zu werden. Dabei fürch- tete ſie nicht ſowohl dieß Urtheil und die Execution deſſelben, als die Rückwirkung die es innerhalb ihrer Mauern haben würde: man glaubte, das Volk werde ſich erheben und alle jene Geiſtlichen tödten. In Minden war bereits ein Pönalmandat eingetroffen. Die Bürger behaupteten, ihre ganze Schuld beſtehe darin, daß ſie einige Capellen vor den Mauern, die ihnen bei einem etwanigen Angriff hätten gefährlich werden müſſen, abgebro- chen, und ein paar Glocken zu Kanonen umgeſchmolzen, al- lein das Mandat zeige, daß von ihren ehemaligen Prieſtern noch vieles Andre vorgegeben und von dem Gericht als wahr angenommen worden ſey. 1 Vollmacht der Herzoge fuͤr B. Schwarten und H. Lerchen- felder, um dem Kammerrichter „den Mangel ſ. liebden angemaſten Gerichtsgewalt in obrurten Sachen anzuzeigen“, bei Medem Ein- fuͤhrung der evangel. Lehre in Pommern p. 228.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/80
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/80>, abgerufen am 25.04.2024.