Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Neuntes Buch. Drittes Capitel.
seine Tochter Maria vermählte, -- denn einen Prinzen von
Geblüt sahen sie nun einmal gern an ihrer Spitze -- mit der
einstweiligen Verwaltung der spanischen Regierung beauftragte.

Der Vorwand, wohl auch ein Grund, nur nicht der
wichtigste oder einzige, wofür er hier gelten mußte, war der,
daß Philipp in den Niederlanden eingeführt werden und die
Huldigung daselbst empfangen sollte. Die vornehmste Ab-
sicht aber galt unverkennbar dem Reich und den Deutschen.

Der Prinz gab sich auch in kleinen Dingen eine fast
zu sichtbare Mühe sich den Deutschen anzunähern. Nur auf
deutschem Roß wollte er reiten, als er in Trient ankam,
auf deutsche Weise tanzen, deutschen Gelagen beiwohnen: es
fiel um so mehr auf, da er das alles nicht eben auf das
geschickteste vollzog.

Ohne Zweifel um Vieles besser erwogen war es, wenn
man die Ankunft des Prinzen mit Gnadenbeweisen in po-
pulärem Sinn bezeichnete: die armen Ulmer Prädicanten hat-
ten so lang in ihrem Gewahrsam schmachten müssen, bis
der Prinz erschien um sie zu befreien.

In gewissen Kreisen hielt man die Nachfolge des Prin-
zen im ersten Augenblick für eine ausgemachte Sache.

Die Herzogin von Baiern hatte dem Ankommenden et-
was mehr Ehre erwiesen, als den Hofräthen angemessen
schien: und dafür sagte ihr denn der Bischof von Trient
einige belobende Worte. "Ehrwürdiger Herr," erwiederte
sie, "ich thue nur meine Pflicht gegen S. Hoheit, der einst-
mals unser Herr seyn wird."

Churfürst Moritz hatte den Prinzen persönlich in Trient
eingeholt und war mit demselben, wenn wir den Briefen des

Neuntes Buch. Drittes Capitel.
ſeine Tochter Maria vermählte, — denn einen Prinzen von
Geblüt ſahen ſie nun einmal gern an ihrer Spitze — mit der
einſtweiligen Verwaltung der ſpaniſchen Regierung beauftragte.

Der Vorwand, wohl auch ein Grund, nur nicht der
wichtigſte oder einzige, wofür er hier gelten mußte, war der,
daß Philipp in den Niederlanden eingeführt werden und die
Huldigung daſelbſt empfangen ſollte. Die vornehmſte Ab-
ſicht aber galt unverkennbar dem Reich und den Deutſchen.

Der Prinz gab ſich auch in kleinen Dingen eine faſt
zu ſichtbare Mühe ſich den Deutſchen anzunähern. Nur auf
deutſchem Roß wollte er reiten, als er in Trient ankam,
auf deutſche Weiſe tanzen, deutſchen Gelagen beiwohnen: es
fiel um ſo mehr auf, da er das alles nicht eben auf das
geſchickteſte vollzog.

Ohne Zweifel um Vieles beſſer erwogen war es, wenn
man die Ankunft des Prinzen mit Gnadenbeweiſen in po-
pulärem Sinn bezeichnete: die armen Ulmer Prädicanten hat-
ten ſo lang in ihrem Gewahrſam ſchmachten müſſen, bis
der Prinz erſchien um ſie zu befreien.

In gewiſſen Kreiſen hielt man die Nachfolge des Prin-
zen im erſten Augenblick für eine ausgemachte Sache.

Die Herzogin von Baiern hatte dem Ankommenden et-
was mehr Ehre erwieſen, als den Hofräthen angemeſſen
ſchien: und dafür ſagte ihr denn der Biſchof von Trient
einige belobende Worte. „Ehrwürdiger Herr,“ erwiederte
ſie, „ich thue nur meine Pflicht gegen S. Hoheit, der einſt-
mals unſer Herr ſeyn wird.“

Churfürſt Moritz hatte den Prinzen perſönlich in Trient
eingeholt und war mit demſelben, wenn wir den Briefen des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0132" n="120"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuntes Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;eine Tochter Maria vermählte, &#x2014; denn einen Prinzen von<lb/>
Geblüt &#x017F;ahen &#x017F;ie nun einmal gern an ihrer Spitze &#x2014; mit der<lb/>
ein&#x017F;tweiligen Verwaltung der &#x017F;pani&#x017F;chen Regierung beauftragte.</p><lb/>
            <p>Der Vorwand, wohl auch ein Grund, nur nicht der<lb/>
wichtig&#x017F;te oder einzige, wofür er hier gelten mußte, war der,<lb/>
daß Philipp in den Niederlanden eingeführt werden und die<lb/>
Huldigung da&#x017F;elb&#x017F;t empfangen &#x017F;ollte. Die vornehm&#x017F;te Ab-<lb/>
&#x017F;icht aber galt unverkennbar dem Reich und den Deut&#x017F;chen.</p><lb/>
            <p>Der Prinz gab &#x017F;ich auch in kleinen Dingen eine fa&#x017F;t<lb/>
zu &#x017F;ichtbare Mühe &#x017F;ich den Deut&#x017F;chen anzunähern. Nur auf<lb/>
deut&#x017F;chem Roß wollte er reiten, als er in Trient ankam,<lb/>
auf deut&#x017F;che Wei&#x017F;e tanzen, deut&#x017F;chen Gelagen beiwohnen: es<lb/>
fiel um &#x017F;o mehr auf, da er das alles nicht eben auf das<lb/>
ge&#x017F;chickte&#x017F;te vollzog.</p><lb/>
            <p>Ohne Zweifel um Vieles be&#x017F;&#x017F;er erwogen war es, wenn<lb/>
man die Ankunft des Prinzen mit Gnadenbewei&#x017F;en in po-<lb/>
pulärem Sinn bezeichnete: die armen Ulmer Prädicanten hat-<lb/>
ten &#x017F;o lang in ihrem Gewahr&#x017F;am &#x017F;chmachten mü&#x017F;&#x017F;en, bis<lb/>
der Prinz er&#x017F;chien um &#x017F;ie zu befreien.</p><lb/>
            <p>In gewi&#x017F;&#x017F;en Krei&#x017F;en hielt man die Nachfolge des Prin-<lb/>
zen im er&#x017F;ten Augenblick für eine ausgemachte Sache.</p><lb/>
            <p>Die Herzogin von Baiern hatte dem Ankommenden et-<lb/>
was mehr Ehre erwie&#x017F;en, als den Hofräthen angeme&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;chien: und dafür &#x017F;agte ihr denn der Bi&#x017F;chof von Trient<lb/>
einige belobende Worte. &#x201E;Ehrwürdiger Herr,&#x201C; erwiederte<lb/>
&#x017F;ie, &#x201E;ich thue nur meine Pflicht gegen S. Hoheit, der ein&#x017F;t-<lb/>
mals un&#x017F;er Herr &#x017F;eyn wird.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Churfür&#x017F;t Moritz hatte den Prinzen per&#x017F;önlich in Trient<lb/>
eingeholt und war mit dem&#x017F;elben, wenn wir den Briefen des<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0132] Neuntes Buch. Drittes Capitel. ſeine Tochter Maria vermählte, — denn einen Prinzen von Geblüt ſahen ſie nun einmal gern an ihrer Spitze — mit der einſtweiligen Verwaltung der ſpaniſchen Regierung beauftragte. Der Vorwand, wohl auch ein Grund, nur nicht der wichtigſte oder einzige, wofür er hier gelten mußte, war der, daß Philipp in den Niederlanden eingeführt werden und die Huldigung daſelbſt empfangen ſollte. Die vornehmſte Ab- ſicht aber galt unverkennbar dem Reich und den Deutſchen. Der Prinz gab ſich auch in kleinen Dingen eine faſt zu ſichtbare Mühe ſich den Deutſchen anzunähern. Nur auf deutſchem Roß wollte er reiten, als er in Trient ankam, auf deutſche Weiſe tanzen, deutſchen Gelagen beiwohnen: es fiel um ſo mehr auf, da er das alles nicht eben auf das geſchickteſte vollzog. Ohne Zweifel um Vieles beſſer erwogen war es, wenn man die Ankunft des Prinzen mit Gnadenbeweiſen in po- pulärem Sinn bezeichnete: die armen Ulmer Prädicanten hat- ten ſo lang in ihrem Gewahrſam ſchmachten müſſen, bis der Prinz erſchien um ſie zu befreien. In gewiſſen Kreiſen hielt man die Nachfolge des Prin- zen im erſten Augenblick für eine ausgemachte Sache. Die Herzogin von Baiern hatte dem Ankommenden et- was mehr Ehre erwieſen, als den Hofräthen angemeſſen ſchien: und dafür ſagte ihr denn der Biſchof von Trient einige belobende Worte. „Ehrwürdiger Herr,“ erwiederte ſie, „ich thue nur meine Pflicht gegen S. Hoheit, der einſt- mals unſer Herr ſeyn wird.“ Churfürſt Moritz hatte den Prinzen perſönlich in Trient eingeholt und war mit demſelben, wenn wir den Briefen des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/132
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/132>, abgerufen am 29.03.2024.