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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Fünftes Capitel.

Einen ähnlichen Anlauf nahm Herzog Heinrich von
Braunschweig, der nach den Siegen des Kaisers ohne
Schwertschlag in sein Land zurückgekehrt war. Er versuchte
eine vollkommene geistliche und weltliche Restauration. Die
evangelischen Superintendenten fanden wohl eines Morgens
das Zeichen der Bedrohung, eine Ruthe und ein Paar Schuhe,
an ihre Thüre angeheftet, und eilten hierauf sich durch die
Flucht zu retten. Die Mitglieder der Ritterschaft, die sich
dem Herzog feindlich gezeigt, die Warberg, Schwichelde,
Mandelsloh, Bortfelde, wurden aus ihren festen Schlössern
verjagt. Hierauf griff der Herzog auch die Stadt Braun-
schweig an, mit der er von jeher in ausgesprochener Feind-
seligkeit stand. Zuerst ließ er nur geschehen, daß seine An-
hänger den Waarenzügen derselben auflauerten, ihre Dör-
fer überfielen und plünderten; die Stadt antwortete da-
mit, daß sie diesen ihren Feinden in ihre Schlupfwinkel, in
die benachbarten Wälder und Moräste nachsetzte, bis sie
dieselben fand und erlegte; eines Tages, bei Gelegenheit ei-
ner großen Hochzeit, gelang es ihr, eine ganze Anzahl der-
selben auf einmal aufzuheben: zwei von ihnen wurden als
öffentliche Verbrecher behandelt und mit dem Tode bestraft.
Nun erst erschien der Herzog selber über der Landwehr zu
Melverode und schickte sich zur Belagerung an. Auch diese
bestand jedoch hauptsächlich darin, daß er das Gebiet der
Stadt verwüsten, ihre Saaten -- es war im Monat Juli
1550 -- niederbrennen, ihre Dörfer zerstören ließ: man sah
wohl das Holz von den abgetragenen lutherischen Kirchen
zum Verbrauch ins Lager führen; -- der Herzog machte fer-
ner einen Versuch die Ocker zu dämmen, um die Mühlen

Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel.

Einen ähnlichen Anlauf nahm Herzog Heinrich von
Braunſchweig, der nach den Siegen des Kaiſers ohne
Schwertſchlag in ſein Land zurückgekehrt war. Er verſuchte
eine vollkommene geiſtliche und weltliche Reſtauration. Die
evangeliſchen Superintendenten fanden wohl eines Morgens
das Zeichen der Bedrohung, eine Ruthe und ein Paar Schuhe,
an ihre Thüre angeheftet, und eilten hierauf ſich durch die
Flucht zu retten. Die Mitglieder der Ritterſchaft, die ſich
dem Herzog feindlich gezeigt, die Warberg, Schwichelde,
Mandelsloh, Bortfelde, wurden aus ihren feſten Schlöſſern
verjagt. Hierauf griff der Herzog auch die Stadt Braun-
ſchweig an, mit der er von jeher in ausgeſprochener Feind-
ſeligkeit ſtand. Zuerſt ließ er nur geſchehen, daß ſeine An-
hänger den Waarenzügen derſelben auflauerten, ihre Dör-
fer überfielen und plünderten; die Stadt antwortete da-
mit, daß ſie dieſen ihren Feinden in ihre Schlupfwinkel, in
die benachbarten Wälder und Moräſte nachſetzte, bis ſie
dieſelben fand und erlegte; eines Tages, bei Gelegenheit ei-
ner großen Hochzeit, gelang es ihr, eine ganze Anzahl der-
ſelben auf einmal aufzuheben: zwei von ihnen wurden als
öffentliche Verbrecher behandelt und mit dem Tode beſtraft.
Nun erſt erſchien der Herzog ſelber über der Landwehr zu
Melverode und ſchickte ſich zur Belagerung an. Auch dieſe
beſtand jedoch hauptſächlich darin, daß er das Gebiet der
Stadt verwüſten, ihre Saaten — es war im Monat Juli
1550 — niederbrennen, ihre Dörfer zerſtören ließ: man ſah
wohl das Holz von den abgetragenen lutheriſchen Kirchen
zum Verbrauch ins Lager führen; — der Herzog machte fer-
ner einen Verſuch die Ocker zu dämmen, um die Mühlen

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[178/0190] Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel. Einen ähnlichen Anlauf nahm Herzog Heinrich von Braunſchweig, der nach den Siegen des Kaiſers ohne Schwertſchlag in ſein Land zurückgekehrt war. Er verſuchte eine vollkommene geiſtliche und weltliche Reſtauration. Die evangeliſchen Superintendenten fanden wohl eines Morgens das Zeichen der Bedrohung, eine Ruthe und ein Paar Schuhe, an ihre Thüre angeheftet, und eilten hierauf ſich durch die Flucht zu retten. Die Mitglieder der Ritterſchaft, die ſich dem Herzog feindlich gezeigt, die Warberg, Schwichelde, Mandelsloh, Bortfelde, wurden aus ihren feſten Schlöſſern verjagt. Hierauf griff der Herzog auch die Stadt Braun- ſchweig an, mit der er von jeher in ausgeſprochener Feind- ſeligkeit ſtand. Zuerſt ließ er nur geſchehen, daß ſeine An- hänger den Waarenzügen derſelben auflauerten, ihre Dör- fer überfielen und plünderten; die Stadt antwortete da- mit, daß ſie dieſen ihren Feinden in ihre Schlupfwinkel, in die benachbarten Wälder und Moräſte nachſetzte, bis ſie dieſelben fand und erlegte; eines Tages, bei Gelegenheit ei- ner großen Hochzeit, gelang es ihr, eine ganze Anzahl der- ſelben auf einmal aufzuheben: zwei von ihnen wurden als öffentliche Verbrecher behandelt und mit dem Tode beſtraft. Nun erſt erſchien der Herzog ſelber über der Landwehr zu Melverode und ſchickte ſich zur Belagerung an. Auch dieſe beſtand jedoch hauptſächlich darin, daß er das Gebiet der Stadt verwüſten, ihre Saaten — es war im Monat Juli 1550 — niederbrennen, ihre Dörfer zerſtören ließ: man ſah wohl das Holz von den abgetragenen lutheriſchen Kirchen zum Verbrauch ins Lager führen; — der Herzog machte fer- ner einen Verſuch die Ocker zu dämmen, um die Mühlen

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/190>, abgerufen am 28.03.2024.