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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
noch besser ausgeführt werden könne als dieser es vermocht:
er bot der neuen Königin, mit der er einst selbst verlobt ge-
wesen, die Hand seines Sohnes an, des Prinzen Philipp
von Spanien, dessen erste Gemahlin vor ein paar Jahren
gestorben war. Der römische König brachte einen seiner
Söhne in Vorschlag; man wird sich aber nicht wundern,
daß der Kaiser darauf nicht eingieng. Kam es darauf an,
die antifranzösische und zugleich katholische Politik des west-
lichen Europa zu consolidiren, so war hiezu der künftige Be-
herrscher Spaniens und der Niederlande bei weitem geeig-
neter als ein machtloser Erzherzog. Es war die Zeit, in
welcher Churfürst Moritz in der Schlacht blieb und die fran-
zösischen Angriffe Widerstand zu finden anfiengen. Carl V
glaubte den Glücksstern noch einmal aufgehn zu sehen, un-
ter welchem seine früheren Unternehmungen gelungen waren;
noch einmal stiegen seine weltumfassenden dynastischen Ge-
danken ihm auf.

Es ist bemerkenswerth, daß die eifrigsten Geistlichen der
alten Kirche, so gut katholisch Philipp II auch war, diese Ver-
mählung nicht unbedingt guthießen. Ihrem Enthusiasmus
hätte es besser entsprochen, wenn eine jungfräuliche Köni-
gin ihre Sache ergriffen, das Schisma abgeschafft, die alten
Gebräuche und Lehren wiederhergestellt hätte. Sie sagten
ihr wohl selbst, die Sorge für die Succession an der Krone
möge sie Gott überlassen, der sie so wunderbar erhoben. Der
römische Hof aber billigte die Verbindung. Papst Julius
erklärte, einen Gemahl müsse die Königin haben, der ihr die
vielen Feindseligkeiten, von denen sie bedroht werde, bestehn
helfe; mit einem Eingebornen dürfe sie sich jedoch nicht ver-

Zehntes Buch. Sechstes Capitel.
noch beſſer ausgeführt werden könne als dieſer es vermocht:
er bot der neuen Königin, mit der er einſt ſelbſt verlobt ge-
weſen, die Hand ſeines Sohnes an, des Prinzen Philipp
von Spanien, deſſen erſte Gemahlin vor ein paar Jahren
geſtorben war. Der römiſche König brachte einen ſeiner
Söhne in Vorſchlag; man wird ſich aber nicht wundern,
daß der Kaiſer darauf nicht eingieng. Kam es darauf an,
die antifranzöſiſche und zugleich katholiſche Politik des weſt-
lichen Europa zu conſolidiren, ſo war hiezu der künftige Be-
herrſcher Spaniens und der Niederlande bei weitem geeig-
neter als ein machtloſer Erzherzog. Es war die Zeit, in
welcher Churfürſt Moritz in der Schlacht blieb und die fran-
zöſiſchen Angriffe Widerſtand zu finden anfiengen. Carl V
glaubte den Glücksſtern noch einmal aufgehn zu ſehen, un-
ter welchem ſeine früheren Unternehmungen gelungen waren;
noch einmal ſtiegen ſeine weltumfaſſenden dynaſtiſchen Ge-
danken ihm auf.

Es iſt bemerkenswerth, daß die eifrigſten Geiſtlichen der
alten Kirche, ſo gut katholiſch Philipp II auch war, dieſe Ver-
mählung nicht unbedingt guthießen. Ihrem Enthuſiasmus
hätte es beſſer entſprochen, wenn eine jungfräuliche Köni-
gin ihre Sache ergriffen, das Schisma abgeſchafft, die alten
Gebräuche und Lehren wiederhergeſtellt hätte. Sie ſagten
ihr wohl ſelbſt, die Sorge für die Succeſſion an der Krone
möge ſie Gott überlaſſen, der ſie ſo wunderbar erhoben. Der
römiſche Hof aber billigte die Verbindung. Papſt Julius
erklärte, einen Gemahl müſſe die Königin haben, der ihr die
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[394/0406] Zehntes Buch. Sechstes Capitel. noch beſſer ausgeführt werden könne als dieſer es vermocht: er bot der neuen Königin, mit der er einſt ſelbſt verlobt ge- weſen, die Hand ſeines Sohnes an, des Prinzen Philipp von Spanien, deſſen erſte Gemahlin vor ein paar Jahren geſtorben war. Der römiſche König brachte einen ſeiner Söhne in Vorſchlag; man wird ſich aber nicht wundern, daß der Kaiſer darauf nicht eingieng. Kam es darauf an, die antifranzöſiſche und zugleich katholiſche Politik des weſt- lichen Europa zu conſolidiren, ſo war hiezu der künftige Be- herrſcher Spaniens und der Niederlande bei weitem geeig- neter als ein machtloſer Erzherzog. Es war die Zeit, in welcher Churfürſt Moritz in der Schlacht blieb und die fran- zöſiſchen Angriffe Widerſtand zu finden anfiengen. Carl V glaubte den Glücksſtern noch einmal aufgehn zu ſehen, un- ter welchem ſeine früheren Unternehmungen gelungen waren; noch einmal ſtiegen ſeine weltumfaſſenden dynaſtiſchen Ge- danken ihm auf. Es iſt bemerkenswerth, daß die eifrigſten Geiſtlichen der alten Kirche, ſo gut katholiſch Philipp II auch war, dieſe Ver- mählung nicht unbedingt guthießen. Ihrem Enthuſiasmus hätte es beſſer entſprochen, wenn eine jungfräuliche Köni- gin ihre Sache ergriffen, das Schisma abgeſchafft, die alten Gebräuche und Lehren wiederhergeſtellt hätte. Sie ſagten ihr wohl ſelbſt, die Sorge für die Succeſſion an der Krone möge ſie Gott überlaſſen, der ſie ſo wunderbar erhoben. Der römiſche Hof aber billigte die Verbindung. Papſt Julius erklärte, einen Gemahl müſſe die Königin haben, der ihr die vielen Feindſeligkeiten, von denen ſie bedroht werde, beſtehn helfe; mit einem Eingebornen dürfe ſie ſich jedoch nicht ver-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/406>, abgerufen am 29.03.2024.