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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Das Interim.
chen Europa her allerdings zu Hülfe gekommen war, aber
den Krieg doch nicht entschieden hatte.

Denen welche Deutschland kannten und die Lage der
Dinge ohne confessionelles Vorurtheil ansahen, kam dieß je-
doch unausführbar vor. König Ferdinand erwiederte dem
Beichtvater, man möge es unternehmen, wenn man sich in
einen neuen Krieg stürzen wolle, der aber noch gefährlicher
ausfallen werde als der eben beendigte, -- wenn man die
Mittel, die Kraft und den Muth dazu besitze: er erinnerte,
daß man keinen Heller im Schatz habe. Er seinerseits hatte
schon längst einen andern Gedanken gefaßt.

War die reine Restauration unmöglich, so durfte man,
wie die Dinge nun einmal giengen, auch von keiner künf-
tigen Entscheidung des Conciliums etwas Förderliches er-
warten; man konnte nicht denken, daß das Concilium etwas
andres, als die vollständige Restauration beschließen würde.

Ließ sich aber, nach der Niederlage welche die streng-
protestantischen Meinungen erlitten, bei dem Übergewicht das
der Kaiser in allen Angelegenheiten besaß, jetzt nicht viel-
leicht eine Absicht erreichen, die, obwohl auf einer andern
Stufe, schon früher gefaßt worden, nemlich: innerhalb des
Reiches, ohne Theilnahme des Papstes, eine Vereinbarung
beider Parteien zu treffen?

Schon im Januar 1547, so wie die Irrungen mit dem
Papst wieder ernstlich ausbrachen, rieth Ferdinand seinem
Bruder, sich nicht allein auf die Beschlüsse des Conciliums
zu verlassen, 1 da man dort wohl nicht alle Puncte durch-

1 Il semble chose dangereuse, s'en arreter simplement sur
la determination dudit concil general.
Bucholtz IX, 407.

Das Interim.
chen Europa her allerdings zu Hülfe gekommen war, aber
den Krieg doch nicht entſchieden hatte.

Denen welche Deutſchland kannten und die Lage der
Dinge ohne confeſſionelles Vorurtheil anſahen, kam dieß je-
doch unausführbar vor. König Ferdinand erwiederte dem
Beichtvater, man möge es unternehmen, wenn man ſich in
einen neuen Krieg ſtürzen wolle, der aber noch gefährlicher
ausfallen werde als der eben beendigte, — wenn man die
Mittel, die Kraft und den Muth dazu beſitze: er erinnerte,
daß man keinen Heller im Schatz habe. Er ſeinerſeits hatte
ſchon längſt einen andern Gedanken gefaßt.

War die reine Reſtauration unmöglich, ſo durfte man,
wie die Dinge nun einmal giengen, auch von keiner künf-
tigen Entſcheidung des Conciliums etwas Förderliches er-
warten; man konnte nicht denken, daß das Concilium etwas
andres, als die vollſtändige Reſtauration beſchließen würde.

Ließ ſich aber, nach der Niederlage welche die ſtreng-
proteſtantiſchen Meinungen erlitten, bei dem Übergewicht das
der Kaiſer in allen Angelegenheiten beſaß, jetzt nicht viel-
leicht eine Abſicht erreichen, die, obwohl auf einer andern
Stufe, ſchon früher gefaßt worden, nemlich: innerhalb des
Reiches, ohne Theilnahme des Papſtes, eine Vereinbarung
beider Parteien zu treffen?

Schon im Januar 1547, ſo wie die Irrungen mit dem
Papſt wieder ernſtlich ausbrachen, rieth Ferdinand ſeinem
Bruder, ſich nicht allein auf die Beſchlüſſe des Conciliums
zu verlaſſen, 1 da man dort wohl nicht alle Puncte durch-

1 Il semble chose dangereuse, s’en arreter simplement sur
la determination dudit concil general.
Bucholtz IX, 407.
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[37/0049] Das Interim. chen Europa her allerdings zu Hülfe gekommen war, aber den Krieg doch nicht entſchieden hatte. Denen welche Deutſchland kannten und die Lage der Dinge ohne confeſſionelles Vorurtheil anſahen, kam dieß je- doch unausführbar vor. König Ferdinand erwiederte dem Beichtvater, man möge es unternehmen, wenn man ſich in einen neuen Krieg ſtürzen wolle, der aber noch gefährlicher ausfallen werde als der eben beendigte, — wenn man die Mittel, die Kraft und den Muth dazu beſitze: er erinnerte, daß man keinen Heller im Schatz habe. Er ſeinerſeits hatte ſchon längſt einen andern Gedanken gefaßt. War die reine Reſtauration unmöglich, ſo durfte man, wie die Dinge nun einmal giengen, auch von keiner künf- tigen Entſcheidung des Conciliums etwas Förderliches er- warten; man konnte nicht denken, daß das Concilium etwas andres, als die vollſtändige Reſtauration beſchließen würde. Ließ ſich aber, nach der Niederlage welche die ſtreng- proteſtantiſchen Meinungen erlitten, bei dem Übergewicht das der Kaiſer in allen Angelegenheiten beſaß, jetzt nicht viel- leicht eine Abſicht erreichen, die, obwohl auf einer andern Stufe, ſchon früher gefaßt worden, nemlich: innerhalb des Reiches, ohne Theilnahme des Papſtes, eine Vereinbarung beider Parteien zu treffen? Schon im Januar 1547, ſo wie die Irrungen mit dem Papſt wieder ernſtlich ausbrachen, rieth Ferdinand ſeinem Bruder, ſich nicht allein auf die Beſchlüſſe des Conciliums zu verlaſſen, 1 da man dort wohl nicht alle Puncte durch- 1 Il semble chose dangereuse, s’en arreter simplement sur la determination dudit concil general. Bucholtz IX, 407.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/49>, abgerufen am 29.03.2024.