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Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895.

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abgelegensten Winkel durchdringt, basirt lediglich in der Persönlich¬
keit Wallot's, die Eigenart seines Naturells, eine Vereinigung von
packender Wucht, von Grazie und unerschöpflichem Erfindungsgenie,
tritt überall mit vollendetem Ausdruck zu Tage. Der individuelle
Charakter bedingt, wie bei allen grossen Kunstwerken, so auch beim
Reichstagshause den die Jahrhunderte überdauernden Werth. Eine
Reihe von hervorragend begabten Architekten war in Wallot's Atelier
zur zeichnerischen Ausführung der Pläne herangezogen, so u. a. die
Architekten Fischer, Gramm, Grenander, Halmhuber, Pfann, Rieth,
Streiter. Hier bot sich unter dem anregenden Einfluss Wallot's
eine Schulung in Aufgaben nationaler Kunst, deren segensreiche
Folgen sich in der architektonischen und künstlerischen Produktion
Deutschlands schon jetzt fühlbar machen.

Gleichzeitig mit der Bauausführung wurden die Anlagen für
Beleuchtung, Heizung und Lüftung vollendet. Die Beleuchtung der
Innenräume wird ausschliesslich durch elektrisches Licht bewerkstelligt.
Die Berliner Elektrizitäts-Werke liefern den Strom. Die Anschlüsse
an das Berliner Kabelnetz erfolgen an drei verschiedenen Seiten des
Hauses, sodass auch beim Versagen einer der Zuleitungen die Strom¬
zufuhr gesichert bleibt. Die Leitung der Drähte ist durchweg in
schmiedeeisernen Röhren geführt und zwar derart, dass an Theilen
die etwaigen Reparaturen ohne Weiteres ausgeführt werden können.
Im Ganzen umfasst die Anlage etwa 5000 Glühlampen und 100 Bogen¬
lampen. Die Heizungs- und Lüftungsanlagen führte der Berliner
Ingenieur David Grove aus, welcher aus der Konkurrenz im April
1884 mit dem ersten Preise hervorgegangen war. Das System dieser
in ihrer Art grössten Anlage, die eine Schacht- und Röhrenlänge
von nicht weniger als 50 Kilometer besitzt, charakterisirt sich als
Dampfluft- und Dampfwarmwasserheizung. Das Maschinen- und
Kesselhaus befindet sich auf dem Hinterterrain der Sommerstrasse,
von wo ein mächtiger Tunnel zum Reichstagshause geführt ist.
Bei einem Ansatz von -20° C. als niedrigste äussere Temperatur
ist für die Flure und Hallen eine Erwärmung von + 10° C, für

abgelegensten Winkel durchdringt, basirt lediglich in der Persönlich¬
keit Wallot's, die Eigenart seines Naturells, eine Vereinigung von
packender Wucht, von Grazie und unerschöpflichem Erfindungsgenie,
tritt überall mit vollendetem Ausdruck zu Tage. Der individuelle
Charakter bedingt, wie bei allen grossen Kunſtwerken, so auch beim
Reichstagshause den die Jahrhunderte überdauernden Werth. Eine
Reihe von hervorragend begabten Architekten war in Wallot's Atelier
zur zeichnerischen Ausführung der Pläne herangezogen, so u. a. die
Architekten Fischer, Gramm, Grenander, Halmhuber, Pfann, Rieth,
Streiter. Hier bot sich unter dem anregenden Einfluss Wallot's
eine Schulung in Aufgaben nationaler Kunst, deren segensreiche
Folgen sich in der architektonischen und künstlerischen Produktion
Deutschlands schon jetzt fühlbar machen.

Gleichzeitig mit der Bauausführung wurden die Anlagen für
Beleuchtung, Heizung und Lüftung vollendet. Die Beleuchtung der
Innenräume wird ausschliesslich durch elektrisches Licht bewerkstelligt.
Die Berliner Elektrizitäts-Werke liefern den Strom. Die Anschlüsse
an das Berliner Kabelnetz erfolgen an drei verschiedenen Seiten des
Hauses, sodass auch beim Versagen einer der Zuleitungen die Strom¬
zufuhr gesichert bleibt. Die Leitung der Drähte ist durchweg in
schmiedeeisernen Röhren geführt und zwar derart, dass an Theilen
die etwaigen Reparaturen ohne Weiteres ausgeführt werden können.
Im Ganzen umfasst die Anlage etwa 5000 Glühlampen und 100 Bogen¬
lampen. Die Heizungs- und Lüftungsanlagen führte der Berliner
Ingenieur David Grove aus, welcher aus der Konkurrenz im April
1884 mit dem ersten Preise hervorgegangen war. Das System dieser
in ihrer Art grössten Anlage, die eine Schacht- und Röhrenlänge
von nicht weniger als 50 Kilometer besitzt, charakterisirt sich als
Dampfluft- und Dampfwarmwasserheizung. Das Maschinen- und
Kesselhaus befindet sich auf dem Hinterterrain der Sommerstrasse,
von wo ein mächtiger Tunnel zum Reichstagshause geführt ist.
Bei einem Ansatz von –20° C. als niedrigste äussere Temperatur
ist für die Flure und Hallen eine Erwärmung von + 10° C, für

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[15/0021] abgelegensten Winkel durchdringt, basirt lediglich in der Persönlich¬ keit Wallot's, die Eigenart seines Naturells, eine Vereinigung von packender Wucht, von Grazie und unerschöpflichem Erfindungsgenie, tritt überall mit vollendetem Ausdruck zu Tage. Der individuelle Charakter bedingt, wie bei allen grossen Kunſtwerken, so auch beim Reichstagshause den die Jahrhunderte überdauernden Werth. Eine Reihe von hervorragend begabten Architekten war in Wallot's Atelier zur zeichnerischen Ausführung der Pläne herangezogen, so u. a. die Architekten Fischer, Gramm, Grenander, Halmhuber, Pfann, Rieth, Streiter. Hier bot sich unter dem anregenden Einfluss Wallot's eine Schulung in Aufgaben nationaler Kunst, deren segensreiche Folgen sich in der architektonischen und künstlerischen Produktion Deutschlands schon jetzt fühlbar machen. Gleichzeitig mit der Bauausführung wurden die Anlagen für Beleuchtung, Heizung und Lüftung vollendet. Die Beleuchtung der Innenräume wird ausschliesslich durch elektrisches Licht bewerkstelligt. Die Berliner Elektrizitäts-Werke liefern den Strom. Die Anschlüsse an das Berliner Kabelnetz erfolgen an drei verschiedenen Seiten des Hauses, sodass auch beim Versagen einer der Zuleitungen die Strom¬ zufuhr gesichert bleibt. Die Leitung der Drähte ist durchweg in schmiedeeisernen Röhren geführt und zwar derart, dass an Theilen die etwaigen Reparaturen ohne Weiteres ausgeführt werden können. Im Ganzen umfasst die Anlage etwa 5000 Glühlampen und 100 Bogen¬ lampen. Die Heizungs- und Lüftungsanlagen führte der Berliner Ingenieur David Grove aus, welcher aus der Konkurrenz im April 1884 mit dem ersten Preise hervorgegangen war. Das System dieser in ihrer Art grössten Anlage, die eine Schacht- und Röhrenlänge von nicht weniger als 50 Kilometer besitzt, charakterisirt sich als Dampfluft- und Dampfwarmwasserheizung. Das Maschinen- und Kesselhaus befindet sich auf dem Hinterterrain der Sommerstrasse, von wo ein mächtiger Tunnel zum Reichstagshause geführt ist. Bei einem Ansatz von –20° C. als niedrigste äussere Temperatur ist für die Flure und Hallen eine Erwärmung von + 10° C, für

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Zitationshilfe: Rapsilber, Maximilian: Das Reichstags-Gebäude. Berlin, 1895, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rapsilber_reichstagsgebaeude_1895/21>, abgerufen am 18.04.2024.