Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raschdorff, Julius: Die Hochbau-Ausfuehrungen des preußischen Staates. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

Folge der Zustände, in denen unsere Nation während der letzten
2 Jahrhunderte sich befand. Ihre alte Kultur und ihr Wohl¬
stand waren nahezu vernichtet und konnten sich unter den unauf¬
hörlichen Erschütterungen langwieriger Kriege nur langsam wieder
erholen. Das Bedürfniß nach höheren architektonischen Leistungen
beschränkte sich damals fast ausschließlich auf die Höfe der Fürsten
-- die Brennpunkte, an denen sich schöpferische Initiative und Kunst¬
übung konzentrirten, um von da aus allmählich auf die Provinzen
ausgestrahlt zu werden. Für eine solche Ausstrahlung aber gab es,
im Geiste der Zeit, keine andere Form, als die des Beamtenthums.
So ist in Preußen, namentlich unter dem landesväterlichen Regi¬
ment Friedrich Wilhelms I. und Friedrich's des Großen, der
Grund zu unserem Baubeamtenthum gelegt worden, das dem¬
nächst im Anfange dieses Jahrhunderts, bei der Reform der ge¬
sammten inneren Verwaltung unter Friedrich Wilhelm III., seine
feste Organisation erhalten hat.

Das Baubeamtenthum war in jenen Zeiten ohne
Zweifel eine Nothwendigkeit
. Was es im Dienste des Staates
leisten und schaffen mußte, war damals überhaupt auf keinem an¬
deren Wege zu erzielen, weil unser Land, mit verschwindenden Aus¬
nahmen, keine anderen Architekten und Ingenieure besaß, als die
vom Staate ausgebildeten und angestellten Baubeamten!

Eine solche Nothwendigkeit ist heute nicht mehr in gleichem
Grade vorhanden -- zum mindesten nicht auf baukünstlerischem
Gebiete. Seit 40 Jahren ist unser Vaterland, das seine Kräfte
gesammelt hat, wieder im Aufblühen begriffen. Mit dem wachsen¬
den Wohlstande mehrte sich die Zahl der künstlerischen Aufgaben,
die neben dem Staats-Bauwesen auch der Privatbau zu stellen
hatte und es entstand ein Bedürfniß nach Architekten, welche sich
der Lösung derselben unterziehen konnten. Waren dieselben an¬
fänglich nur unter den Baubeamten zu finden, so verzichteten doch
bald einige der für den Staatsdienst ausgebildeten Baumeister auf
eine amtliche Stellung, um sich ganz jenen Aufgaben widmen zu
können. Es bildete sich wiederum ein Stand unabhängiger, eine
rein künstlerische Thätigkeit ausübender Architekten. -- Das letzte
Jahrzehnt, dem wir, trotz mancher Auswüchse und Verirrungen,
doch einen mächtigen und nachhaltigen Aufschwung unserer ge¬

Folge der Zuſtände, in denen unſere Nation während der letzten
2 Jahrhunderte ſich befand. Ihre alte Kultur und ihr Wohl¬
ſtand waren nahezu vernichtet und konnten ſich unter den unauf¬
hörlichen Erſchütterungen langwieriger Kriege nur langſam wieder
erholen. Das Bedürfniß nach höheren architektoniſchen Leiſtungen
beſchränkte ſich damals faſt ausſchließlich auf die Höfe der Fürſten
— die Brennpunkte, an denen ſich ſchöpferiſche Initiative und Kunſt¬
übung konzentrirten, um von da aus allmählich auf die Provinzen
ausgeſtrahlt zu werden. Für eine ſolche Ausſtrahlung aber gab es,
im Geiſte der Zeit, keine andere Form, als die des Beamtenthums.
So iſt in Preußen, namentlich unter dem landesväterlichen Regi¬
ment Friedrich Wilhelms I. und Friedrich's des Großen, der
Grund zu unſerem Baubeamtenthum gelegt worden, das dem¬
nächſt im Anfange dieſes Jahrhunderts, bei der Reform der ge¬
ſammten inneren Verwaltung unter Friedrich Wilhelm III., ſeine
feſte Organiſation erhalten hat.

Das Baubeamtenthum war in jenen Zeiten ohne
Zweifel eine Nothwendigkeit
. Was es im Dienſte des Staates
leiſten und ſchaffen mußte, war damals überhaupt auf keinem an¬
deren Wege zu erzielen, weil unſer Land, mit verſchwindenden Aus¬
nahmen, keine anderen Architekten und Ingenieure beſaß, als die
vom Staate ausgebildeten und angeſtellten Baubeamten!

Eine ſolche Nothwendigkeit iſt heute nicht mehr in gleichem
Grade vorhanden — zum mindeſten nicht auf baukünſtleriſchem
Gebiete. Seit 40 Jahren iſt unſer Vaterland, das ſeine Kräfte
geſammelt hat, wieder im Aufblühen begriffen. Mit dem wachſen¬
den Wohlſtande mehrte ſich die Zahl der künſtleriſchen Aufgaben,
die neben dem Staats-Bauweſen auch der Privatbau zu ſtellen
hatte und es entſtand ein Bedürfniß nach Architekten, welche ſich
der Löſung derſelben unterziehen konnten. Waren dieſelben an¬
fänglich nur unter den Baubeamten zu finden, ſo verzichteten doch
bald einige der für den Staatsdienſt ausgebildeten Baumeiſter auf
eine amtliche Stellung, um ſich ganz jenen Aufgaben widmen zu
können. Es bildete ſich wiederum ein Stand unabhängiger, eine
rein künſtleriſche Thätigkeit ausübender Architekten. — Das letzte
Jahrzehnt, dem wir, trotz mancher Auswüchſe und Verirrungen,
doch einen mächtigen und nachhaltigen Aufſchwung unſerer ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0019" n="11"/>
Folge der Zu&#x017F;tände, in denen un&#x017F;ere Nation während der letzten<lb/>
2 Jahrhunderte &#x017F;ich befand. Ihre alte Kultur und ihr Wohl¬<lb/>
&#x017F;tand waren nahezu vernichtet und konnten &#x017F;ich unter den unauf¬<lb/>
hörlichen Er&#x017F;chütterungen langwieriger Kriege nur lang&#x017F;am wieder<lb/>
erholen. Das Bedürfniß nach höheren architektoni&#x017F;chen Lei&#x017F;tungen<lb/>
be&#x017F;chränkte &#x017F;ich damals fa&#x017F;t aus&#x017F;chließlich auf die Höfe der Für&#x017F;ten<lb/>
&#x2014; die Brennpunkte, an denen &#x017F;ich &#x017F;chöpferi&#x017F;che Initiative und Kun&#x017F;<lb/>
übung konzentrirten, um von da aus allmählich auf die Provinzen<lb/>
ausge&#x017F;trahlt zu werden. Für eine &#x017F;olche Aus&#x017F;trahlung aber gab es,<lb/>
im Gei&#x017F;te der Zeit, keine andere Form, als die des <hi rendition="#g">Beamtenthums</hi>.<lb/>
So i&#x017F;t in Preußen, namentlich unter dem landesväterlichen Regi¬<lb/>
ment Friedrich Wilhelms <hi rendition="#aq">I</hi>. und Friedrich's des Großen, der<lb/>
Grund zu un&#x017F;erem Baubeamtenthum gelegt worden, das dem¬<lb/>
näch&#x017F;t im Anfange die&#x017F;es Jahrhunderts, bei der Reform der ge¬<lb/>
&#x017F;ammten inneren Verwaltung unter Friedrich Wilhelm <hi rendition="#aq">III</hi>., &#x017F;eine<lb/>
fe&#x017F;te Organi&#x017F;ation erhalten hat.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Das Baubeamtenthum war in jenen Zeiten ohne<lb/>
Zweifel eine Nothwendigkeit</hi>. Was es im Dien&#x017F;te des Staates<lb/>
lei&#x017F;ten und &#x017F;chaffen mußte, war damals überhaupt auf keinem an¬<lb/>
deren Wege zu erzielen, weil un&#x017F;er Land, mit ver&#x017F;chwindenden Aus¬<lb/>
nahmen, keine anderen Architekten und Ingenieure be&#x017F;aß, als die<lb/>
vom Staate ausgebildeten und ange&#x017F;tellten Baubeamten!</p><lb/>
        <p>Eine &#x017F;olche Nothwendigkeit i&#x017F;t heute nicht mehr in gleichem<lb/>
Grade vorhanden &#x2014; zum minde&#x017F;ten nicht auf <hi rendition="#g">baukün&#x017F;tleri&#x017F;chem</hi><lb/>
Gebiete. Seit 40 Jahren i&#x017F;t un&#x017F;er Vaterland, das &#x017F;eine Kräfte<lb/>
ge&#x017F;ammelt hat, wieder im Aufblühen begriffen. Mit dem wach&#x017F;en¬<lb/>
den Wohl&#x017F;tande mehrte &#x017F;ich die Zahl der kün&#x017F;tleri&#x017F;chen Aufgaben,<lb/>
die neben dem Staats-Bauwe&#x017F;en auch der <hi rendition="#g">Privatbau</hi> zu &#x017F;tellen<lb/>
hatte und es ent&#x017F;tand ein Bedürfniß nach Architekten, welche &#x017F;ich<lb/>
der Lö&#x017F;ung der&#x017F;elben unterziehen konnten. Waren die&#x017F;elben an¬<lb/>
fänglich nur unter den Baubeamten zu finden, &#x017F;o verzichteten doch<lb/>
bald einige der für den Staatsdien&#x017F;t ausgebildeten Baumei&#x017F;ter auf<lb/>
eine amtliche Stellung, um &#x017F;ich ganz jenen Aufgaben widmen zu<lb/>
können. Es bildete &#x017F;ich wiederum ein Stand unabhängiger, eine<lb/>
rein kün&#x017F;tleri&#x017F;che Thätigkeit ausübender Architekten. &#x2014; Das letzte<lb/>
Jahrzehnt, dem wir, trotz mancher Auswüch&#x017F;e und Verirrungen,<lb/>
doch einen mächtigen und nachhaltigen Auf&#x017F;chwung un&#x017F;erer ge¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0019] Folge der Zuſtände, in denen unſere Nation während der letzten 2 Jahrhunderte ſich befand. Ihre alte Kultur und ihr Wohl¬ ſtand waren nahezu vernichtet und konnten ſich unter den unauf¬ hörlichen Erſchütterungen langwieriger Kriege nur langſam wieder erholen. Das Bedürfniß nach höheren architektoniſchen Leiſtungen beſchränkte ſich damals faſt ausſchließlich auf die Höfe der Fürſten — die Brennpunkte, an denen ſich ſchöpferiſche Initiative und Kunſt¬ übung konzentrirten, um von da aus allmählich auf die Provinzen ausgeſtrahlt zu werden. Für eine ſolche Ausſtrahlung aber gab es, im Geiſte der Zeit, keine andere Form, als die des Beamtenthums. So iſt in Preußen, namentlich unter dem landesväterlichen Regi¬ ment Friedrich Wilhelms I. und Friedrich's des Großen, der Grund zu unſerem Baubeamtenthum gelegt worden, das dem¬ nächſt im Anfange dieſes Jahrhunderts, bei der Reform der ge¬ ſammten inneren Verwaltung unter Friedrich Wilhelm III., ſeine feſte Organiſation erhalten hat. Das Baubeamtenthum war in jenen Zeiten ohne Zweifel eine Nothwendigkeit. Was es im Dienſte des Staates leiſten und ſchaffen mußte, war damals überhaupt auf keinem an¬ deren Wege zu erzielen, weil unſer Land, mit verſchwindenden Aus¬ nahmen, keine anderen Architekten und Ingenieure beſaß, als die vom Staate ausgebildeten und angeſtellten Baubeamten! Eine ſolche Nothwendigkeit iſt heute nicht mehr in gleichem Grade vorhanden — zum mindeſten nicht auf baukünſtleriſchem Gebiete. Seit 40 Jahren iſt unſer Vaterland, das ſeine Kräfte geſammelt hat, wieder im Aufblühen begriffen. Mit dem wachſen¬ den Wohlſtande mehrte ſich die Zahl der künſtleriſchen Aufgaben, die neben dem Staats-Bauweſen auch der Privatbau zu ſtellen hatte und es entſtand ein Bedürfniß nach Architekten, welche ſich der Löſung derſelben unterziehen konnten. Waren dieſelben an¬ fänglich nur unter den Baubeamten zu finden, ſo verzichteten doch bald einige der für den Staatsdienſt ausgebildeten Baumeiſter auf eine amtliche Stellung, um ſich ganz jenen Aufgaben widmen zu können. Es bildete ſich wiederum ein Stand unabhängiger, eine rein künſtleriſche Thätigkeit ausübender Architekten. — Das letzte Jahrzehnt, dem wir, trotz mancher Auswüchſe und Verirrungen, doch einen mächtigen und nachhaltigen Aufſchwung unſerer ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raschdorff_hochbau_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raschdorff_hochbau_1880/19
Zitationshilfe: Raschdorff, Julius: Die Hochbau-Ausfuehrungen des preußischen Staates. Berlin, 1880, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raschdorff_hochbau_1880/19>, abgerufen am 16.10.2024.