Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

wirkt, werde ich psychische Mittel nennen,
um sie von den Arzneien und chirurgischen Mit-
teln zu unterscheiden. Dies Prädikat lege ich
ihnen aber keinesweges in Rücksicht dessen, was
sie an sich sind, sondern bloss in Beziehung ihrer
Wirkungen auf den Menschen bey, sofern sie
nemlich dessen Krankheiten durch zweckmässige
Veränderungen seiner Seele zu entfernen im Stan-
de sind. Denn an sich können sie körperlicher
oder unkörperlicher Natur seyn. Einige dersel-
ben sind materielle Substanzen, durch welche
der Arzt den Körper auf eine so bestimmte Art
verändert, dass die Seele seine Zustände vermit-
telst des Gemeingefühls unter der Form der Lust
oder des Schmerzes wahrnehmen muss. Diese Zu-
stände hervorzubringen und die Seele zu nöthigen
dieselben zu beachten, scheint der hauptsächlichste
Zweck zu seyn, den wir durch ihre Anwendung
beabsichtigen. Weniger ist auf die Fortpflanzung
und Ausbreitung der Erregungen im Seelenorgan
und auf die unmittelbare Wahrnehmung der Mit-
tel selbst berechnet. Andere psychische Mittel
sind Reize für die Sinnorgane, die in Rücksicht
des beabsichtigten Zwecks mit den vorigen im um-
gekehrten Verhältniss stehn. Durch sie suchen
wir die Seele nicht sowohl zur Wahrnehmung ihres
veränderten Körperzustandes, sondern vielmehr
zur Anschauung der vorgesteckten Objekte zu
nöthigen und durch die Anschauung das gesamm-
te Spiel ihrer Kräfte zu erregen. Andere sind

K

wirkt, werde ich pſychiſche Mittel nennen,
um ſie von den Arzneien und chirurgiſchen Mit-
teln zu unterſcheiden. Dies Prädikat lege ich
ihnen aber keinesweges in Rückſicht deſſen, was
ſie an ſich ſind, ſondern bloſs in Beziehung ihrer
Wirkungen auf den Menſchen bey, ſofern ſie
nemlich deſſen Krankheiten durch zweckmäſsige
Veränderungen ſeiner Seele zu entfernen im Stan-
de ſind. Denn an ſich können ſie körperlicher
oder unkörperlicher Natur ſeyn. Einige derſel-
ben ſind materielle Subſtanzen, durch welche
der Arzt den Körper auf eine ſo beſtimmte Art
verändert, daſs die Seele ſeine Zuſtände vermit-
telſt des Gemeingefühls unter der Form der Luſt
oder des Schmerzes wahrnehmen muſs. Dieſe Zu-
ſtände hervorzubringen und die Seele zu nöthigen
dieſelben zu beachten, ſcheint der hauptſächlichſte
Zweck zu ſeyn, den wir durch ihre Anwendung
beabſichtigen. Weniger iſt auf die Fortpflanzung
und Ausbreitung der Erregungen im Seelenorgan
und auf die unmittelbare Wahrnehmung der Mit-
tel ſelbſt berechnet. Andere pſychiſche Mittel
ſind Reize für die Sinnorgane, die in Rückſicht
des beabſichtigten Zwecks mit den vorigen im um-
gekehrten Verhältniſs ſtehn. Durch ſie ſuchen
wir die Seele nicht ſowohl zur Wahrnehmung ihres
veränderten Körperzuſtandes, ſondern vielmehr
zur Anſchauung der vorgeſteckten Objekte zu
nöthigen und durch die Anſchauung das geſamm-
te Spiel ihrer Kräfte zu erregen. Andere ſind

K
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0150" n="145"/>
wirkt, werde ich <hi rendition="#g">p&#x017F;ychi&#x017F;che</hi> Mittel nennen,<lb/>
um &#x017F;ie von den Arzneien und chirurgi&#x017F;chen Mit-<lb/>
teln zu unter&#x017F;cheiden. Dies Prädikat lege ich<lb/>
ihnen aber keinesweges in Rück&#x017F;icht de&#x017F;&#x017F;en, was<lb/>
&#x017F;ie an &#x017F;ich &#x017F;ind, &#x017F;ondern blo&#x017F;s in Beziehung ihrer<lb/>
Wirkungen auf den Men&#x017F;chen bey, &#x017F;ofern &#x017F;ie<lb/>
nemlich de&#x017F;&#x017F;en Krankheiten durch zweckmä&#x017F;sige<lb/>
Veränderungen &#x017F;einer Seele zu entfernen im Stan-<lb/>
de &#x017F;ind. Denn an &#x017F;ich können &#x017F;ie körperlicher<lb/>
oder unkörperlicher Natur &#x017F;eyn. Einige der&#x017F;el-<lb/>
ben &#x017F;ind materielle Sub&#x017F;tanzen, durch welche<lb/>
der Arzt den Körper auf eine &#x017F;o be&#x017F;timmte Art<lb/>
verändert, da&#x017F;s die Seele &#x017F;eine Zu&#x017F;tände vermit-<lb/>
tel&#x017F;t des Gemeingefühls unter der Form der Lu&#x017F;t<lb/>
oder des Schmerzes wahrnehmen mu&#x017F;s. Die&#x017F;e Zu-<lb/>
&#x017F;tände hervorzubringen und die Seele zu nöthigen<lb/>
die&#x017F;elben zu beachten, &#x017F;cheint der haupt&#x017F;ächlich&#x017F;te<lb/>
Zweck zu &#x017F;eyn, den wir durch ihre Anwendung<lb/>
beab&#x017F;ichtigen. Weniger i&#x017F;t auf die Fortpflanzung<lb/>
und Ausbreitung der Erregungen im Seelenorgan<lb/>
und auf die unmittelbare Wahrnehmung der Mit-<lb/>
tel &#x017F;elb&#x017F;t berechnet. Andere p&#x017F;ychi&#x017F;che Mittel<lb/>
&#x017F;ind Reize für die Sinnorgane, die in Rück&#x017F;icht<lb/>
des beab&#x017F;ichtigten Zwecks mit den vorigen im um-<lb/>
gekehrten Verhältni&#x017F;s &#x017F;tehn. Durch &#x017F;ie &#x017F;uchen<lb/>
wir die Seele nicht &#x017F;owohl zur Wahrnehmung ihres<lb/>
veränderten Körperzu&#x017F;tandes, &#x017F;ondern vielmehr<lb/>
zur An&#x017F;chauung der vorge&#x017F;teckten Objekte zu<lb/>
nöthigen und durch die An&#x017F;chauung das ge&#x017F;amm-<lb/>
te Spiel ihrer Kräfte zu erregen. Andere &#x017F;ind<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0150] wirkt, werde ich pſychiſche Mittel nennen, um ſie von den Arzneien und chirurgiſchen Mit- teln zu unterſcheiden. Dies Prädikat lege ich ihnen aber keinesweges in Rückſicht deſſen, was ſie an ſich ſind, ſondern bloſs in Beziehung ihrer Wirkungen auf den Menſchen bey, ſofern ſie nemlich deſſen Krankheiten durch zweckmäſsige Veränderungen ſeiner Seele zu entfernen im Stan- de ſind. Denn an ſich können ſie körperlicher oder unkörperlicher Natur ſeyn. Einige derſel- ben ſind materielle Subſtanzen, durch welche der Arzt den Körper auf eine ſo beſtimmte Art verändert, daſs die Seele ſeine Zuſtände vermit- telſt des Gemeingefühls unter der Form der Luſt oder des Schmerzes wahrnehmen muſs. Dieſe Zu- ſtände hervorzubringen und die Seele zu nöthigen dieſelben zu beachten, ſcheint der hauptſächlichſte Zweck zu ſeyn, den wir durch ihre Anwendung beabſichtigen. Weniger iſt auf die Fortpflanzung und Ausbreitung der Erregungen im Seelenorgan und auf die unmittelbare Wahrnehmung der Mit- tel ſelbſt berechnet. Andere pſychiſche Mittel ſind Reize für die Sinnorgane, die in Rückſicht des beabſichtigten Zwecks mit den vorigen im um- gekehrten Verhältniſs ſtehn. Durch ſie ſuchen wir die Seele nicht ſowohl zur Wahrnehmung ihres veränderten Körperzuſtandes, ſondern vielmehr zur Anſchauung der vorgeſteckten Objekte zu nöthigen und durch die Anſchauung das geſamm- te Spiel ihrer Kräfte zu erregen. Andere ſind K

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/150
Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/150>, abgerufen am 29.03.2024.