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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.
fragrans Thunb., Aglaia odorata Lour., Gardenia florida L. und Daphne
odora Thunb. Der im übrigen fertige Thee wird mit diesen Blüthen
gemischt (z. B. 100 Pfund Thee mit 40 Pfund Orangenblüthen, oder
Blüthen des Jasmins, mit 100 Pfund Blüthen der Aglaia odorata) und
24 Stunden lang in Berührung gelassen. Dann werden die beige-
mengten Blüthen und Blüthentheile ausgesiebt, ausgeschwungen und
ausgelesen. Der Thee hat von ihnen Feuchtigkeit und Aroma ange-
nommen, von denen jene durch rasches Erwärmen wieder entfernt
wird, der Wohlgeruch oder "die Blume" des Thees dagegen je nach
Qualität und Stärke bei sorgfältiger Verpackung sich 1--6 Jahre lang
erhält. Früher wurden parfümierte Theesorten nur in Canton bereitet;
jetzt stellt man sie auch in nördlichen Theehäfen, wie Schanghai und
Ningpo dar. Der Reisende, welcher im Vorsommer mit einem Küsten-
fahrer von Süden her diesen Städten zusteuert, findet sich zuweilen
in Gesellschaft von Hunderten von Töpfen mit blühenden Sträuchern
mehrerer der genannten Arten, welche zu diesem Zweck von Canton,
Macao und Hongkong nordwärts gesandt werden.

Als "Orange Pekoe", "Scented Caper" etc. kommt dieser parfümierte
Thee sorgfältig verpackt nach London, Rotterdam und anderen Häfen
und wird hier mit Thee ohne solche Blume weiter vermischt. (Nähe-
res siehe Fortune: A Residence among the Chinese, pag. 199 ff. Lon-
don 1857.) Guter Thee muss jedoch sein eigenes Aroma haben. Die
Zufügung eines fremden ist meines Erachtens durchaus verwerflich.
Das ätherische Oel, welches der Thee durch das Parfümieren erhält,
kann bei empfindlichen Nerven eben so gesundheitsschädlich wirken
und Kopfweh erzeugen, wie in Wein- und Punschessenzen.

Die Eigenschaft des grünen oder braunrothen Extracts, welches
durch Aufguss kochenden Wassers auf den Thee des Handels gewon-
nen wird, den Körper zu erwärmen, zu erfrischen und neu zu beleben,
wird schon seit vielen Jahrhunderten von den Völkern des chinesischen
Culturkreises hochgeschätzt. Bei den Culturvölkern des Abendlandes
hat der Thee seit 200 Jahren, erst sehr langsam, in diesem Jahrhun-
dert aber um so rascher Eingang und Verbreitung gefunden und schon
in vielen Haushaltungen seine Concurrenten: Kaffee und Cacao aus
dem Felde geschlagen. In Ostasien wird ihm gar keine Concurrenz
gemacht, dort herrscht er bei Hoch und Niedrig in gleicher Weise.

Der Japaner trinkt gleich dem Chinesen selten kaltes Wasser,
Thee ist sein Lieblingsgetränk bei jeder Mahlzeit und sonst, grüner
Thee aus kleinen Kannen in entsprechend kleinen Schalen, ohne
jede Zuthat, und wenn er fehlt, so verschmäht er auch das blosse
warme Wasser aus dem eisernen Kessel nicht, mit dem die Theekanne

I. Land- und Forstwirthschaft.
fragrans Thunb., Aglaia odorata Lour., Gardenia florida L. und Daphne
odora Thunb. Der im übrigen fertige Thee wird mit diesen Blüthen
gemischt (z. B. 100 Pfund Thee mit 40 Pfund Orangenblüthen, oder
Blüthen des Jasmins, mit 100 Pfund Blüthen der Aglaia odorata) und
24 Stunden lang in Berührung gelassen. Dann werden die beige-
mengten Blüthen und Blüthentheile ausgesiebt, ausgeschwungen und
ausgelesen. Der Thee hat von ihnen Feuchtigkeit und Aroma ange-
nommen, von denen jene durch rasches Erwärmen wieder entfernt
wird, der Wohlgeruch oder »die Blume« des Thees dagegen je nach
Qualität und Stärke bei sorgfältiger Verpackung sich 1—6 Jahre lang
erhält. Früher wurden parfümierte Theesorten nur in Canton bereitet;
jetzt stellt man sie auch in nördlichen Theehäfen, wie Schanghai und
Ningpo dar. Der Reisende, welcher im Vorsommer mit einem Küsten-
fahrer von Süden her diesen Städten zusteuert, findet sich zuweilen
in Gesellschaft von Hunderten von Töpfen mit blühenden Sträuchern
mehrerer der genannten Arten, welche zu diesem Zweck von Canton,
Macao und Hongkong nordwärts gesandt werden.

Als »Orange Pekoe«, »Scented Caper« etc. kommt dieser parfümierte
Thee sorgfältig verpackt nach London, Rotterdam und anderen Häfen
und wird hier mit Thee ohne solche Blume weiter vermischt. (Nähe-
res siehe Fortune: A Residence among the Chinese, pag. 199 ff. Lon-
don 1857.) Guter Thee muss jedoch sein eigenes Aroma haben. Die
Zufügung eines fremden ist meines Erachtens durchaus verwerflich.
Das ätherische Oel, welches der Thee durch das Parfümieren erhält,
kann bei empfindlichen Nerven eben so gesundheitsschädlich wirken
und Kopfweh erzeugen, wie in Wein- und Punschessenzen.

Die Eigenschaft des grünen oder braunrothen Extracts, welches
durch Aufguss kochenden Wassers auf den Thee des Handels gewon-
nen wird, den Körper zu erwärmen, zu erfrischen und neu zu beleben,
wird schon seit vielen Jahrhunderten von den Völkern des chinesischen
Culturkreises hochgeschätzt. Bei den Culturvölkern des Abendlandes
hat der Thee seit 200 Jahren, erst sehr langsam, in diesem Jahrhun-
dert aber um so rascher Eingang und Verbreitung gefunden und schon
in vielen Haushaltungen seine Concurrenten: Kaffee und Cacao aus
dem Felde geschlagen. In Ostasien wird ihm gar keine Concurrenz
gemacht, dort herrscht er bei Hoch und Niedrig in gleicher Weise.

Der Japaner trinkt gleich dem Chinesen selten kaltes Wasser,
Thee ist sein Lieblingsgetränk bei jeder Mahlzeit und sonst, grüner
Thee aus kleinen Kannen in entsprechend kleinen Schalen, ohne
jede Zuthat, und wenn er fehlt, so verschmäht er auch das blosse
warme Wasser aus dem eisernen Kessel nicht, mit dem die Theekanne

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[146/0168] I. Land- und Forstwirthschaft. fragrans Thunb., Aglaia odorata Lour., Gardenia florida L. und Daphne odora Thunb. Der im übrigen fertige Thee wird mit diesen Blüthen gemischt (z. B. 100 Pfund Thee mit 40 Pfund Orangenblüthen, oder Blüthen des Jasmins, mit 100 Pfund Blüthen der Aglaia odorata) und 24 Stunden lang in Berührung gelassen. Dann werden die beige- mengten Blüthen und Blüthentheile ausgesiebt, ausgeschwungen und ausgelesen. Der Thee hat von ihnen Feuchtigkeit und Aroma ange- nommen, von denen jene durch rasches Erwärmen wieder entfernt wird, der Wohlgeruch oder »die Blume« des Thees dagegen je nach Qualität und Stärke bei sorgfältiger Verpackung sich 1—6 Jahre lang erhält. Früher wurden parfümierte Theesorten nur in Canton bereitet; jetzt stellt man sie auch in nördlichen Theehäfen, wie Schanghai und Ningpo dar. Der Reisende, welcher im Vorsommer mit einem Küsten- fahrer von Süden her diesen Städten zusteuert, findet sich zuweilen in Gesellschaft von Hunderten von Töpfen mit blühenden Sträuchern mehrerer der genannten Arten, welche zu diesem Zweck von Canton, Macao und Hongkong nordwärts gesandt werden. Als »Orange Pekoe«, »Scented Caper« etc. kommt dieser parfümierte Thee sorgfältig verpackt nach London, Rotterdam und anderen Häfen und wird hier mit Thee ohne solche Blume weiter vermischt. (Nähe- res siehe Fortune: A Residence among the Chinese, pag. 199 ff. Lon- don 1857.) Guter Thee muss jedoch sein eigenes Aroma haben. Die Zufügung eines fremden ist meines Erachtens durchaus verwerflich. Das ätherische Oel, welches der Thee durch das Parfümieren erhält, kann bei empfindlichen Nerven eben so gesundheitsschädlich wirken und Kopfweh erzeugen, wie in Wein- und Punschessenzen. Die Eigenschaft des grünen oder braunrothen Extracts, welches durch Aufguss kochenden Wassers auf den Thee des Handels gewon- nen wird, den Körper zu erwärmen, zu erfrischen und neu zu beleben, wird schon seit vielen Jahrhunderten von den Völkern des chinesischen Culturkreises hochgeschätzt. Bei den Culturvölkern des Abendlandes hat der Thee seit 200 Jahren, erst sehr langsam, in diesem Jahrhun- dert aber um so rascher Eingang und Verbreitung gefunden und schon in vielen Haushaltungen seine Concurrenten: Kaffee und Cacao aus dem Felde geschlagen. In Ostasien wird ihm gar keine Concurrenz gemacht, dort herrscht er bei Hoch und Niedrig in gleicher Weise. Der Japaner trinkt gleich dem Chinesen selten kaltes Wasser, Thee ist sein Lieblingsgetränk bei jeder Mahlzeit und sonst, grüner Thee aus kleinen Kannen in entsprechend kleinen Schalen, ohne jede Zuthat, und wenn er fehlt, so verschmäht er auch das blosse warme Wasser aus dem eisernen Kessel nicht, mit dem die Theekanne

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/168>, abgerufen am 29.03.2024.