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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.
zurück. Ein arabischer Kaufmann, Namens Soliman, der um's Jahr
850 n. Chr. einen Bericht über seine Reisen in Ostasien veröffentlichte,
bemerkt, dass Thee das gewöhnliche Getränk der Chinesen sei.
Auffallend bleibt, dass Marco Polo desselben gar nicht erwähnt. Viel-
leicht lässt sich dies so erklären, dass bis zum Ende des 13. Jahr-
hunderts die Kenntniss und Anwendung desselben noch nicht von den
Chinesen des Südens nach Norden bis zu den mongolisch-tatarischen
Völkern, unter welchen der berühmte Venetianer lebte, vorgedrungen
war. Sicher erhielt Europa die ersten Nachrichten über den Thee
durch Jesuitenmissionäre in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts,
zur Zeit, als dieselben in China und Japan in grösserer Zahl erfolg-
reich unter den Bewohnern lebten und wirkten.*) Die ersten Proben
des Artikels -- sie stammten wahrscheinlich aus Japan -- kamen je-
doch erst viel später (1610 n. Chr.) nicht durch sie, wie man annehmen
könnte, sondern durch die holländisch-ostindische Compagnie nach
Europa. Die englische East India Compagny kaufte im Jahre 1664
von schwarzem Thee aus der Provinz Fukien 2 Pfund 2 Unzen, um
damit König Karl II ein Geschenk zu machen; doch hielt sie es erst
14 Jahre (1678) später für angezeigt, den Thee als neuen Handels-
artikel in ihre Liste aufzunehmen. Mit 4713 Pfund eröffnete sie in
jenem Jahre seine Einfuhr nach England und behielt hier das Mono-
pol des Handels bis zum Jahre 1834, wo die Einfuhr nach Grossbri-
tannien und Irland auf 30 1/2 Millionen Pfund gestiegen war.

Mit der Freigabe des Theehandels in England, der allmählichen
Reduction der Transportkosten und des Eingangszolls, sowie dem Hin-
zutreten neuer Producenten (Indien und Java) sanken die Preise des
Thees mehr und mehr**), und es wuchs damit zugleich der Verbrauch.
Thee hörte auf blos Luxusartikel auf dem Tisch des Wohlhabenden zu
sein. Millionen von Unbemittelten haben sich auch in Europa und in allen
englisch redenden Ländern ausserhalb an seinen Genuss gewöhnt und
gefunden, dass er ihnen das billigste und gesundeste warme Getränk
liefert. Wie sich sein Verbrauch über die verschiedenen Länder ver-
theilt, ergibt sich aus einer der nachfolgenden Uebersichtstabellen. --

Nach Junker von Langegg***) ist Thee seit mehr als tausend Jahren
in Japan bekannt; doch erst seit dem 14. Jahrhundert allmählich
National-Getränk geworden. Im 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung
wurde der kaiserliche Hof (Shommu Tenno, Kwammu Teno) zuerst

*) Siehe J. P. Maffeus: Rerum Indicarum libro II pag. 108 ff.
**) Längere Zeit hatte in London das Pfund L 10 bis L 5 gekostet und noch
im Jahre 1780 wurde es zu L 3 verkauft.
***) Japanische Theegeschichten. Wien 1884. C. Gerold.

I. Land- und Forstwirthschaft.
zurück. Ein arabischer Kaufmann, Namens Soliman, der um’s Jahr
850 n. Chr. einen Bericht über seine Reisen in Ostasien veröffentlichte,
bemerkt, dass Thee das gewöhnliche Getränk der Chinesen sei.
Auffallend bleibt, dass Marco Polo desselben gar nicht erwähnt. Viel-
leicht lässt sich dies so erklären, dass bis zum Ende des 13. Jahr-
hunderts die Kenntniss und Anwendung desselben noch nicht von den
Chinesen des Südens nach Norden bis zu den mongolisch-tatarischen
Völkern, unter welchen der berühmte Venetianer lebte, vorgedrungen
war. Sicher erhielt Europa die ersten Nachrichten über den Thee
durch Jesuitenmissionäre in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts,
zur Zeit, als dieselben in China und Japan in grösserer Zahl erfolg-
reich unter den Bewohnern lebten und wirkten.*) Die ersten Proben
des Artikels — sie stammten wahrscheinlich aus Japan — kamen je-
doch erst viel später (1610 n. Chr.) nicht durch sie, wie man annehmen
könnte, sondern durch die holländisch-ostindische Compagnie nach
Europa. Die englische East India Compagny kaufte im Jahre 1664
von schwarzem Thee aus der Provinz Fukien 2 Pfund 2 Unzen, um
damit König Karl II ein Geschenk zu machen; doch hielt sie es erst
14 Jahre (1678) später für angezeigt, den Thee als neuen Handels-
artikel in ihre Liste aufzunehmen. Mit 4713 Pfund eröffnete sie in
jenem Jahre seine Einfuhr nach England und behielt hier das Mono-
pol des Handels bis zum Jahre 1834, wo die Einfuhr nach Grossbri-
tannien und Irland auf 30 ½ Millionen Pfund gestiegen war.

Mit der Freigabe des Theehandels in England, der allmählichen
Reduction der Transportkosten und des Eingangszolls, sowie dem Hin-
zutreten neuer Producenten (Indien und Java) sanken die Preise des
Thees mehr und mehr**), und es wuchs damit zugleich der Verbrauch.
Thee hörte auf blos Luxusartikel auf dem Tisch des Wohlhabenden zu
sein. Millionen von Unbemittelten haben sich auch in Europa und in allen
englisch redenden Ländern ausserhalb an seinen Genuss gewöhnt und
gefunden, dass er ihnen das billigste und gesundeste warme Getränk
liefert. Wie sich sein Verbrauch über die verschiedenen Länder ver-
theilt, ergibt sich aus einer der nachfolgenden Uebersichtstabellen. —

Nach Junker von Langegg***) ist Thee seit mehr als tausend Jahren
in Japan bekannt; doch erst seit dem 14. Jahrhundert allmählich
National-Getränk geworden. Im 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung
wurde der kaiserliche Hof (Shommu Tennô, Kwammu Tenô) zuerst

*) Siehe J. P. Maffeus: Rerum Indicarum libro II pag. 108 ff.
**) Längere Zeit hatte in London das Pfund ₤ 10 bis ₤ 5 gekostet und noch
im Jahre 1780 wurde es zu ₤ 3 verkauft.
***) Japanische Theegeschichten. Wien 1884. C. Gerold.
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[148/0170] I. Land- und Forstwirthschaft. zurück. Ein arabischer Kaufmann, Namens Soliman, der um’s Jahr 850 n. Chr. einen Bericht über seine Reisen in Ostasien veröffentlichte, bemerkt, dass Thee das gewöhnliche Getränk der Chinesen sei. Auffallend bleibt, dass Marco Polo desselben gar nicht erwähnt. Viel- leicht lässt sich dies so erklären, dass bis zum Ende des 13. Jahr- hunderts die Kenntniss und Anwendung desselben noch nicht von den Chinesen des Südens nach Norden bis zu den mongolisch-tatarischen Völkern, unter welchen der berühmte Venetianer lebte, vorgedrungen war. Sicher erhielt Europa die ersten Nachrichten über den Thee durch Jesuitenmissionäre in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, zur Zeit, als dieselben in China und Japan in grösserer Zahl erfolg- reich unter den Bewohnern lebten und wirkten. *) Die ersten Proben des Artikels — sie stammten wahrscheinlich aus Japan — kamen je- doch erst viel später (1610 n. Chr.) nicht durch sie, wie man annehmen könnte, sondern durch die holländisch-ostindische Compagnie nach Europa. Die englische East India Compagny kaufte im Jahre 1664 von schwarzem Thee aus der Provinz Fukien 2 Pfund 2 Unzen, um damit König Karl II ein Geschenk zu machen; doch hielt sie es erst 14 Jahre (1678) später für angezeigt, den Thee als neuen Handels- artikel in ihre Liste aufzunehmen. Mit 4713 Pfund eröffnete sie in jenem Jahre seine Einfuhr nach England und behielt hier das Mono- pol des Handels bis zum Jahre 1834, wo die Einfuhr nach Grossbri- tannien und Irland auf 30 ½ Millionen Pfund gestiegen war. Mit der Freigabe des Theehandels in England, der allmählichen Reduction der Transportkosten und des Eingangszolls, sowie dem Hin- zutreten neuer Producenten (Indien und Java) sanken die Preise des Thees mehr und mehr **), und es wuchs damit zugleich der Verbrauch. Thee hörte auf blos Luxusartikel auf dem Tisch des Wohlhabenden zu sein. Millionen von Unbemittelten haben sich auch in Europa und in allen englisch redenden Ländern ausserhalb an seinen Genuss gewöhnt und gefunden, dass er ihnen das billigste und gesundeste warme Getränk liefert. Wie sich sein Verbrauch über die verschiedenen Länder ver- theilt, ergibt sich aus einer der nachfolgenden Uebersichtstabellen. — Nach Junker von Langegg ***) ist Thee seit mehr als tausend Jahren in Japan bekannt; doch erst seit dem 14. Jahrhundert allmählich National-Getränk geworden. Im 8. Jahrhundert unserer Zeitrechnung wurde der kaiserliche Hof (Shommu Tennô, Kwammu Tenô) zuerst *) Siehe J. P. Maffeus: Rerum Indicarum libro II pag. 108 ff. **) Längere Zeit hatte in London das Pfund ₤ 10 bis ₤ 5 gekostet und noch im Jahre 1780 wurde es zu ₤ 3 verkauft. ***) Japanische Theegeschichten. Wien 1884. C. Gerold.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/170>, abgerufen am 29.03.2024.