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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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I. Land- und Forstwirthschaft.
durch Baumwollbeutel in kaltes Wasser tröpfeln lassen, um es zu ver-
theilen, und dann in Kästchen von 21/2 Fuss Länge und 1 Fuss Breite
auf Gestellen der Sonne ausgesetzt. Wie die Leinwand auf der Rasen-
bleiche, müssen die Talgstücke hier oft mit Wasser begossen und um-
gewandt werden. In einer der Bleichereien sah ich auf Gestellen 3 Fuss
über dem Boden im Ganzen 14 Reihen solcher flachen Bleichkasten
und in jeder Reihe 82 Stück. Nach etwa 30 Tagen ist das Ro weiss,
wie gebleichtes Bienenwachs und fast ohne allen Geruch. Der ge-
wöhnliche Sumachtalg bleicht übrigens selbst in geschlossenen Räumen,
z. B. der Schieblade eines Schrankes, allmählich an der Oberfläche und
überdeckt sich wie mit einem weissen Reif, der jedoch wenig tief geht.

Ein Unterschied zwischen dem Fett des Lack- und Talgbaums be-
steht weder äusserlich, noch in ihrer Zusammensetzung. Beide stellen
in der Kälte feste, spröde Massen von muscheligem Bruch dar, welche
einen eigenartigen Geruch (wie der von Wachs und Kernseife gemischt)
und im ungebleichten Zustande hellgelbgrüne Farbe zeigen. Die Härte
ist grösser als beim Wachs, viel geringer als bei Carnauba-Wachs.
Das spec. Gewicht ist 0,916, das des gebleichten Talges wechselt von
0,97 bis 1,14.*) Der Schmelzpunkt liegt bei 52° C., aber wenn die
kaum erstarrte Masse von neuem geschmolzen wird, bei 42° C. In
700 Theilen Alkohol von 30° Wärme und 97 % löst es sich voll-
kommen auf.

Chemische Untersuchungen ergaben, dass dieser Sumachtalg aus
einem Gemisch mehrerer Glyceride besteht, unter denen aber das der
Palmitinsäure vorwiegt. Die Japaner bedienen sich seiner nicht blos
zu Kerzen, sondern auch in vielen andern Fällen statt des Bienen-
wachses, so auch zur Herstellung des Glanzes bei Holzdreharbeiten.
Bei uns wird er dem Bienenwachs zugesetzt, um daraus festere Kerzen
zu giessen und ihre leichte Loslösung von der Form zu bewirken. Zu
einem ähnlichen Zweck vertritt dieser Pflanzentalg das Bienenwachs
in einzelnen Gummifabriken. --

Die Ausfuhr des Pflanzentalges aus Japan begann erst nach Eröff-
nung des Landes. Ihr Werth war seitdem vielen Schwankungen unter-
worfen zwischen yen 106000 im Jahre 1878 und yen 377000 im Jahre
1873. England und die Vereinigten Staaten sind die Hauptabnehmer.

Menge und Werth des Exports richten sich auch hier wesentlich
nach der Nachfrage. Sollte sich letztere steigern, so wäre Japan sehr
bald in der Lage, derselben zu entsprechen, einmal indem es den Ver-

*) Unter den verschiedenen Stücken in meinem Besitz befindet sich eins von
0,75 kg aus Aidzu, welches in Brunnenwasser von 15° C. sofort untersinkt.

I. Land- und Forstwirthschaft.
durch Baumwollbeutel in kaltes Wasser tröpfeln lassen, um es zu ver-
theilen, und dann in Kästchen von 2½ Fuss Länge und 1 Fuss Breite
auf Gestellen der Sonne ausgesetzt. Wie die Leinwand auf der Rasen-
bleiche, müssen die Talgstücke hier oft mit Wasser begossen und um-
gewandt werden. In einer der Bleichereien sah ich auf Gestellen 3 Fuss
über dem Boden im Ganzen 14 Reihen solcher flachen Bleichkasten
und in jeder Reihe 82 Stück. Nach etwa 30 Tagen ist das Rô weiss,
wie gebleichtes Bienenwachs und fast ohne allen Geruch. Der ge-
wöhnliche Sumachtalg bleicht übrigens selbst in geschlossenen Räumen,
z. B. der Schieblade eines Schrankes, allmählich an der Oberfläche und
überdeckt sich wie mit einem weissen Reif, der jedoch wenig tief geht.

Ein Unterschied zwischen dem Fett des Lack- und Talgbaums be-
steht weder äusserlich, noch in ihrer Zusammensetzung. Beide stellen
in der Kälte feste, spröde Massen von muscheligem Bruch dar, welche
einen eigenartigen Geruch (wie der von Wachs und Kernseife gemischt)
und im ungebleichten Zustande hellgelbgrüne Farbe zeigen. Die Härte
ist grösser als beim Wachs, viel geringer als bei Carnauba-Wachs.
Das spec. Gewicht ist 0,916, das des gebleichten Talges wechselt von
0,97 bis 1,14.*) Der Schmelzpunkt liegt bei 52° C., aber wenn die
kaum erstarrte Masse von neuem geschmolzen wird, bei 42° C. In
700 Theilen Alkohol von 30° Wärme und 97 % löst es sich voll-
kommen auf.

Chemische Untersuchungen ergaben, dass dieser Sumachtalg aus
einem Gemisch mehrerer Glyceride besteht, unter denen aber das der
Palmitinsäure vorwiegt. Die Japaner bedienen sich seiner nicht blos
zu Kerzen, sondern auch in vielen andern Fällen statt des Bienen-
wachses, so auch zur Herstellung des Glanzes bei Holzdreharbeiten.
Bei uns wird er dem Bienenwachs zugesetzt, um daraus festere Kerzen
zu giessen und ihre leichte Loslösung von der Form zu bewirken. Zu
einem ähnlichen Zweck vertritt dieser Pflanzentalg das Bienenwachs
in einzelnen Gummifabriken. —

Die Ausfuhr des Pflanzentalges aus Japan begann erst nach Eröff-
nung des Landes. Ihr Werth war seitdem vielen Schwankungen unter-
worfen zwischen yen 106000 im Jahre 1878 und yen 377000 im Jahre
1873. England und die Vereinigten Staaten sind die Hauptabnehmer.

Menge und Werth des Exports richten sich auch hier wesentlich
nach der Nachfrage. Sollte sich letztere steigern, so wäre Japan sehr
bald in der Lage, derselben zu entsprechen, einmal indem es den Ver-

*) Unter den verschiedenen Stücken in meinem Besitz befindet sich eins von
0,75 kg aus Aidzu, welches in Brunnenwasser von 15° C. sofort untersinkt.
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[192/0214] I. Land- und Forstwirthschaft. durch Baumwollbeutel in kaltes Wasser tröpfeln lassen, um es zu ver- theilen, und dann in Kästchen von 2½ Fuss Länge und 1 Fuss Breite auf Gestellen der Sonne ausgesetzt. Wie die Leinwand auf der Rasen- bleiche, müssen die Talgstücke hier oft mit Wasser begossen und um- gewandt werden. In einer der Bleichereien sah ich auf Gestellen 3 Fuss über dem Boden im Ganzen 14 Reihen solcher flachen Bleichkasten und in jeder Reihe 82 Stück. Nach etwa 30 Tagen ist das Rô weiss, wie gebleichtes Bienenwachs und fast ohne allen Geruch. Der ge- wöhnliche Sumachtalg bleicht übrigens selbst in geschlossenen Räumen, z. B. der Schieblade eines Schrankes, allmählich an der Oberfläche und überdeckt sich wie mit einem weissen Reif, der jedoch wenig tief geht. Ein Unterschied zwischen dem Fett des Lack- und Talgbaums be- steht weder äusserlich, noch in ihrer Zusammensetzung. Beide stellen in der Kälte feste, spröde Massen von muscheligem Bruch dar, welche einen eigenartigen Geruch (wie der von Wachs und Kernseife gemischt) und im ungebleichten Zustande hellgelbgrüne Farbe zeigen. Die Härte ist grösser als beim Wachs, viel geringer als bei Carnauba-Wachs. Das spec. Gewicht ist 0,916, das des gebleichten Talges wechselt von 0,97 bis 1,14. *) Der Schmelzpunkt liegt bei 52° C., aber wenn die kaum erstarrte Masse von neuem geschmolzen wird, bei 42° C. In 700 Theilen Alkohol von 30° Wärme und 97 % löst es sich voll- kommen auf. Chemische Untersuchungen ergaben, dass dieser Sumachtalg aus einem Gemisch mehrerer Glyceride besteht, unter denen aber das der Palmitinsäure vorwiegt. Die Japaner bedienen sich seiner nicht blos zu Kerzen, sondern auch in vielen andern Fällen statt des Bienen- wachses, so auch zur Herstellung des Glanzes bei Holzdreharbeiten. Bei uns wird er dem Bienenwachs zugesetzt, um daraus festere Kerzen zu giessen und ihre leichte Loslösung von der Form zu bewirken. Zu einem ähnlichen Zweck vertritt dieser Pflanzentalg das Bienenwachs in einzelnen Gummifabriken. — Die Ausfuhr des Pflanzentalges aus Japan begann erst nach Eröff- nung des Landes. Ihr Werth war seitdem vielen Schwankungen unter- worfen zwischen yen 106000 im Jahre 1878 und yen 377000 im Jahre 1873. England und die Vereinigten Staaten sind die Hauptabnehmer. Menge und Werth des Exports richten sich auch hier wesentlich nach der Nachfrage. Sollte sich letztere steigern, so wäre Japan sehr bald in der Lage, derselben zu entsprechen, einmal indem es den Ver- *) Unter den verschiedenen Stücken in meinem Besitz befindet sich eins von 0,75 kg aus Aidzu, welches in Brunnenwasser von 15° C. sofort untersinkt.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/214>, abgerufen am 25.04.2024.