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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
bei den elliptischen Brotkörbchen, deren Aussenwand oft statt lackiert
mit prächtigem, aufgeleimtem Rotanggeflecht überdeckt ist, sowie bei
dem Eierschalen-Porzellan.

Viel häufiger wird Strohmosaik als Verzierungsmittel kleiner Holz-
waaren verwendet. Es sind Kommodchen, Schachteln, Dosen und
andere Gegenstände, welche in der Regel aus Kiri-Holz verfertigt, durch
ihre grosse Leichtigkeit auffallen. Die schönsten kommen aus der
Provinz Tajima nach den Vertragshäfen. Auch Omori am Tokaido,
zwischen Yokohama und Tokio, verfertigt sie, sowie beliebte Kinder-
spielsachen aus Stroh. Für die Mosaikarbeit wird Gerstenstroh ver-
wendet, gespalten und mit Anilinfarben gefärbt. Die Ornamente werden
nach Mustern zusammen gestellt, auf Bastpapier mit Fu-nori oder einem
andern Kleister aufgeklebt und dann mit dem Papier durch dasselbe
Bindemittel auf dem Holze befestigt. Auch bei diesen Arbeiten be-
kundet selbst der gemeine Mann einen entwickelten Geschmack in der
Zusammenstellung und Verwerthung der Farben, wie er sich bei keiner
andern Nation wiederfindet.

Zu der kleinen Holzindustrie gehört auch die Anfertigung mancher
Spielsachen oder Omocha -- ich erinnere nur an den Koma oder
Kreisel --, worin die Japaner sich ebenfalls als sehr geschickte, sorg-
fältige Arbeiter bewähren. Doch wenden wir uns zu einem andern
Industriezweige, in welchem sie diese Eigenschaften in noch weit
höherem Maasse bekunden.


3. Lackindustrie.

Vorbemerkungen. Gewinnungsweise und Eigenschaften des japanischen Lacks.
Das Urushi-kabure oder die Lackvergiftung. Zubereitung des Rohlacks für den
Lackierer. Lackpreisliste. Sonstige Materialien. sowie Werkzeuge, deren sich der
Lackierer bedient. Grundierungsarbeiten und einfache Lackverzierung. Die Ar-
beiten des Lackmalers oder Makiye-shi. Ebene und erhabene Goldlackverzierun-
gen. Lackschnitzerei. Geschichtliche Notizen über die Lackindustrie.

Vorbemerkungen.

Unter den verschiedenen hochentwickelten Zweigen des japani-
schen Kunstgewerbes nimmt die Lackindustrie unstreitig die erste Stelle
ein. In keinem andern haben Kunstsinn und Kunstfertigkeit des Ja-
paners, das weite Spiel seiner Phantasie und seine bewundernswerthe
Ausdauer und Geschicklichkeit in der Ausführung ihrer gestaltenreichen
Gebilde früher und mehr sich entwickelt, in keinem hat er sich von
seinem chinesischen Lehrmeister und Vorbilde so frühzeitig getrennt

III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
bei den elliptischen Brotkörbchen, deren Aussenwand oft statt lackiert
mit prächtigem, aufgeleimtem Rotanggeflecht überdeckt ist, sowie bei
dem Eierschalen-Porzellan.

Viel häufiger wird Strohmosaik als Verzierungsmittel kleiner Holz-
waaren verwendet. Es sind Kommodchen, Schachteln, Dosen und
andere Gegenstände, welche in der Regel aus Kiri-Holz verfertigt, durch
ihre grosse Leichtigkeit auffallen. Die schönsten kommen aus der
Provinz Tajima nach den Vertragshäfen. Auch Omori am Tôkaidô,
zwischen Yokohama und Tôkio, verfertigt sie, sowie beliebte Kinder-
spielsachen aus Stroh. Für die Mosaikarbeit wird Gerstenstroh ver-
wendet, gespalten und mit Anilinfarben gefärbt. Die Ornamente werden
nach Mustern zusammen gestellt, auf Bastpapier mit Fu-nori oder einem
andern Kleister aufgeklebt und dann mit dem Papier durch dasselbe
Bindemittel auf dem Holze befestigt. Auch bei diesen Arbeiten be-
kundet selbst der gemeine Mann einen entwickelten Geschmack in der
Zusammenstellung und Verwerthung der Farben, wie er sich bei keiner
andern Nation wiederfindet.

Zu der kleinen Holzindustrie gehört auch die Anfertigung mancher
Spielsachen oder Omocha — ich erinnere nur an den Koma oder
Kreisel —, worin die Japaner sich ebenfalls als sehr geschickte, sorg-
fältige Arbeiter bewähren. Doch wenden wir uns zu einem andern
Industriezweige, in welchem sie diese Eigenschaften in noch weit
höherem Maasse bekunden.


3. Lackindustrie.

Vorbemerkungen. Gewinnungsweise und Eigenschaften des japanischen Lacks.
Das Urushi-kabure oder die Lackvergiftung. Zubereitung des Rohlacks für den
Lackierer. Lackpreisliste. Sonstige Materialien. sowie Werkzeuge, deren sich der
Lackierer bedient. Grundierungsarbeiten und einfache Lackverzierung. Die Ar-
beiten des Lackmalers oder Makiye-shi. Ebene und erhabene Goldlackverzierun-
gen. Lackschnitzerei. Geschichtliche Notizen über die Lackindustrie.

Vorbemerkungen.

Unter den verschiedenen hochentwickelten Zweigen des japani-
schen Kunstgewerbes nimmt die Lackindustrie unstreitig die erste Stelle
ein. In keinem andern haben Kunstsinn und Kunstfertigkeit des Ja-
paners, das weite Spiel seiner Phantasie und seine bewundernswerthe
Ausdauer und Geschicklichkeit in der Ausführung ihrer gestaltenreichen
Gebilde früher und mehr sich entwickelt, in keinem hat er sich von
seinem chinesischen Lehrmeister und Vorbilde so frühzeitig getrennt

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[400/0424] III. Kunstgewerbe und Verwandtes. bei den elliptischen Brotkörbchen, deren Aussenwand oft statt lackiert mit prächtigem, aufgeleimtem Rotanggeflecht überdeckt ist, sowie bei dem Eierschalen-Porzellan. Viel häufiger wird Strohmosaik als Verzierungsmittel kleiner Holz- waaren verwendet. Es sind Kommodchen, Schachteln, Dosen und andere Gegenstände, welche in der Regel aus Kiri-Holz verfertigt, durch ihre grosse Leichtigkeit auffallen. Die schönsten kommen aus der Provinz Tajima nach den Vertragshäfen. Auch Omori am Tôkaidô, zwischen Yokohama und Tôkio, verfertigt sie, sowie beliebte Kinder- spielsachen aus Stroh. Für die Mosaikarbeit wird Gerstenstroh ver- wendet, gespalten und mit Anilinfarben gefärbt. Die Ornamente werden nach Mustern zusammen gestellt, auf Bastpapier mit Fu-nori oder einem andern Kleister aufgeklebt und dann mit dem Papier durch dasselbe Bindemittel auf dem Holze befestigt. Auch bei diesen Arbeiten be- kundet selbst der gemeine Mann einen entwickelten Geschmack in der Zusammenstellung und Verwerthung der Farben, wie er sich bei keiner andern Nation wiederfindet. Zu der kleinen Holzindustrie gehört auch die Anfertigung mancher Spielsachen oder Omocha — ich erinnere nur an den Koma oder Kreisel —, worin die Japaner sich ebenfalls als sehr geschickte, sorg- fältige Arbeiter bewähren. Doch wenden wir uns zu einem andern Industriezweige, in welchem sie diese Eigenschaften in noch weit höherem Maasse bekunden. 3. Lackindustrie. Vorbemerkungen. Gewinnungsweise und Eigenschaften des japanischen Lacks. Das Urushi-kabure oder die Lackvergiftung. Zubereitung des Rohlacks für den Lackierer. Lackpreisliste. Sonstige Materialien. sowie Werkzeuge, deren sich der Lackierer bedient. Grundierungsarbeiten und einfache Lackverzierung. Die Ar- beiten des Lackmalers oder Makiye-shi. Ebene und erhabene Goldlackverzierun- gen. Lackschnitzerei. Geschichtliche Notizen über die Lackindustrie. Vorbemerkungen. Unter den verschiedenen hochentwickelten Zweigen des japani- schen Kunstgewerbes nimmt die Lackindustrie unstreitig die erste Stelle ein. In keinem andern haben Kunstsinn und Kunstfertigkeit des Ja- paners, das weite Spiel seiner Phantasie und seine bewundernswerthe Ausdauer und Geschicklichkeit in der Ausführung ihrer gestaltenreichen Gebilde früher und mehr sich entwickelt, in keinem hat er sich von seinem chinesischen Lehrmeister und Vorbilde so frühzeitig getrennt

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/424>, abgerufen am 28.03.2024.