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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
der Verbrauch baumwollener Stoffe, jap. Momen-mono, über das
Land verbreitet. Insbesondere ist seitdem die Sommerkleidung der
wohlhabenderen Stände und die Kleidung der grossen Menge der Stadt-
bewohner überhaupt vorwiegend der Baumwolle entlehnt. Spinnerei
und Weberei sind dabei nicht über das Stadium einer Hausindustrie
hinausgekommen und haben auch stets nur dem einheimischen Bedarf
gedient. Dies gilt auch von den Städten der Provinzen Kawachi und
Harima, insbesondere von Sakai und Himeji mit der ansehnlichsten
Baumwollindustrie. Die Riukiu-Inseln lieferten Baumwollstoffe,
welche, in der Regel weiss carriert auf blauem Grunde, beson-
ders ihrer Stärke und Dauerhaftigkeit wegen beliebt waren. Im Nor-
den deckten die Webereien von Morioka einen ansehnlichen Theil
des Bedarfs. Ihr Rohmaterial bezogen sie aus südlicheren Landes-
theilen. Bedeutenden Ruf hat auch ein Baumwollzeug von Narumi
in der Provinz Owari, das Narumi shibori. Die Behandlung dieses
Gewebes beim Färben ist ähnlich derjenigen des Kanoko-shibori (siehe
dieses). Zu Arimatsu, einem hübschen Dorfe am Tokaido, handeln
viele Häuser damit. Die Industrie hat geleistet, was mit den alten
Webstühlen und andern unvollkommenen Einrichtungen nur möglich
war, kann aber, seitdem das Land der fremden Concurrenz erschlos-
sen ist, dieser kaum noch Stand halten.

So beachtenswerth auch immerhin die Leistungen der Völker des
chinesischen Culturkreises in der Bearbeitung vorerwähnter und einiger
andern vegetabilen Webstoffe gewesen sind, so hat sich doch eine
eigentliche Kunst nie mit ihnen gepaart.

Es lag in der Natur der Sache, dass die Seidenmanufactur einen
ungleich höheren Grad der Vollkommenheit erreicht hat. Der edle,
überaus dankbare Stoff und die vielhundertjährige Beschäftigung mit
ihm hatten bewirkt, dass die Chinesen bereits im Mittelalter, z. B. zur
Zeit des Marco Polo, Seidensammet, Brocat und andere feine Gewebe
zu verhältnissmässig billigen Preisen liefern konnten und damit nicht
blos Westasien, sondern auch näher liegende Gebiete versahen.

So lesen wir z. B. bei Antonio de Morga, *) dass die chinesischen
Dschunken, welche gegen Frühjahr mit dem noch herrschenden Nord-
westmonsun von Macao, Canton und andern Häfen nach Manila kamen,
hierher brachten: "Rohseide, Sammet, glatt und mit vielerlei
Mustern gestickt, Brocat auf Seidenstoffen von mancherlei Farben

*) The Philippine Islands, Moluccas, Siam, Cambodia, Japan and China at
the close of the sixteenth century by A. de Morga. London, Hakluyt Soc. 1868.
pg. 337 ff.

III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
der Verbrauch baumwollener Stoffe, jap. Momen-mono, über das
Land verbreitet. Insbesondere ist seitdem die Sommerkleidung der
wohlhabenderen Stände und die Kleidung der grossen Menge der Stadt-
bewohner überhaupt vorwiegend der Baumwolle entlehnt. Spinnerei
und Weberei sind dabei nicht über das Stadium einer Hausindustrie
hinausgekommen und haben auch stets nur dem einheimischen Bedarf
gedient. Dies gilt auch von den Städten der Provinzen Kawachi und
Harima, insbesondere von Sakai und Himeji mit der ansehnlichsten
Baumwollindustrie. Die Riukiu-Inseln lieferten Baumwollstoffe,
welche, in der Regel weiss carriert auf blauem Grunde, beson-
ders ihrer Stärke und Dauerhaftigkeit wegen beliebt waren. Im Nor-
den deckten die Webereien von Morioka einen ansehnlichen Theil
des Bedarfs. Ihr Rohmaterial bezogen sie aus südlicheren Landes-
theilen. Bedeutenden Ruf hat auch ein Baumwollzeug von Narumi
in der Provinz Owari, das Narumi shibori. Die Behandlung dieses
Gewebes beim Färben ist ähnlich derjenigen des Kanoko-shibori (siehe
dieses). Zu Arimatsu, einem hübschen Dorfe am Tôkaidô, handeln
viele Häuser damit. Die Industrie hat geleistet, was mit den alten
Webstühlen und andern unvollkommenen Einrichtungen nur möglich
war, kann aber, seitdem das Land der fremden Concurrenz erschlos-
sen ist, dieser kaum noch Stand halten.

So beachtenswerth auch immerhin die Leistungen der Völker des
chinesischen Culturkreises in der Bearbeitung vorerwähnter und einiger
andern vegetabilen Webstoffe gewesen sind, so hat sich doch eine
eigentliche Kunst nie mit ihnen gepaart.

Es lag in der Natur der Sache, dass die Seidenmanufactur einen
ungleich höheren Grad der Vollkommenheit erreicht hat. Der edle,
überaus dankbare Stoff und die vielhundertjährige Beschäftigung mit
ihm hatten bewirkt, dass die Chinesen bereits im Mittelalter, z. B. zur
Zeit des Marco Polo, Seidensammet, Brocat und andere feine Gewebe
zu verhältnissmässig billigen Preisen liefern konnten und damit nicht
blos Westasien, sondern auch näher liegende Gebiete versahen.

So lesen wir z. B. bei Antonio de Morga, *) dass die chinesischen
Dschunken, welche gegen Frühjahr mit dem noch herrschenden Nord-
westmonsun von Macao, Canton und andern Häfen nach Manila kamen,
hierher brachten: »Rohseide, Sammet, glatt und mit vielerlei
Mustern gestickt, Brocat auf Seidenstoffen von mancherlei Farben

*) The Philippine Islands, Moluccas, Siam, Cambodia, Japan and China at
the close of the sixteenth century by A. de Morga. London, Hakluyt Soc. 1868.
pg. 337 ff.
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[450/0480] III. Kunstgewerbe und Verwandtes. der Verbrauch baumwollener Stoffe, jap. Momen-mono, über das Land verbreitet. Insbesondere ist seitdem die Sommerkleidung der wohlhabenderen Stände und die Kleidung der grossen Menge der Stadt- bewohner überhaupt vorwiegend der Baumwolle entlehnt. Spinnerei und Weberei sind dabei nicht über das Stadium einer Hausindustrie hinausgekommen und haben auch stets nur dem einheimischen Bedarf gedient. Dies gilt auch von den Städten der Provinzen Kawachi und Harima, insbesondere von Sakai und Himeji mit der ansehnlichsten Baumwollindustrie. Die Riukiu-Inseln lieferten Baumwollstoffe, welche, in der Regel weiss carriert auf blauem Grunde, beson- ders ihrer Stärke und Dauerhaftigkeit wegen beliebt waren. Im Nor- den deckten die Webereien von Morioka einen ansehnlichen Theil des Bedarfs. Ihr Rohmaterial bezogen sie aus südlicheren Landes- theilen. Bedeutenden Ruf hat auch ein Baumwollzeug von Narumi in der Provinz Owari, das Narumi shibori. Die Behandlung dieses Gewebes beim Färben ist ähnlich derjenigen des Kanoko-shibori (siehe dieses). Zu Arimatsu, einem hübschen Dorfe am Tôkaidô, handeln viele Häuser damit. Die Industrie hat geleistet, was mit den alten Webstühlen und andern unvollkommenen Einrichtungen nur möglich war, kann aber, seitdem das Land der fremden Concurrenz erschlos- sen ist, dieser kaum noch Stand halten. So beachtenswerth auch immerhin die Leistungen der Völker des chinesischen Culturkreises in der Bearbeitung vorerwähnter und einiger andern vegetabilen Webstoffe gewesen sind, so hat sich doch eine eigentliche Kunst nie mit ihnen gepaart. Es lag in der Natur der Sache, dass die Seidenmanufactur einen ungleich höheren Grad der Vollkommenheit erreicht hat. Der edle, überaus dankbare Stoff und die vielhundertjährige Beschäftigung mit ihm hatten bewirkt, dass die Chinesen bereits im Mittelalter, z. B. zur Zeit des Marco Polo, Seidensammet, Brocat und andere feine Gewebe zu verhältnissmässig billigen Preisen liefern konnten und damit nicht blos Westasien, sondern auch näher liegende Gebiete versahen. So lesen wir z. B. bei Antonio de Morga, *) dass die chinesischen Dschunken, welche gegen Frühjahr mit dem noch herrschenden Nord- westmonsun von Macao, Canton und andern Häfen nach Manila kamen, hierher brachten: »Rohseide, Sammet, glatt und mit vielerlei Mustern gestickt, Brocat auf Seidenstoffen von mancherlei Farben *) The Philippine Islands, Moluccas, Siam, Cambodia, Japan and China at the close of the sixteenth century by A. de Morga. London, Hakluyt Soc. 1868. pg. 337 ff.

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/480>, abgerufen am 19.04.2024.