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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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und Shibu bestrichen und dann zum Trocknen an die Sonne gelegt,
wozu mindestens 5 Tage erforderlich sind. Hierauf folgt ein Anstrich
mit Yegoma-no-abura (Perilla-Oel), gemischt mit Shibu, abermaliges
Trocknen und erneuerter Anstrich mit diesem kalten Gemisch, wobei
aber das Oel vorher gekocht sein musste, und schliesslich endgültiges
Trocknen. Die ganze Arbeit nimmt selbst bei günstigem Wetter min-
destens 15 Tage in Anspruch. Selbstverständlich wird Kienruss nur für
schwarze Oelpapiere und Regenmäntel angewandt; für hellere benutzt
man statt seiner Gummigutt oder eine andere hellere Farbe.

Solche Oelpapiere können in Europa mit Wachstuch und Gummi-
geweben nicht concurrieren, da sie in Bezug auf das gefällige Aus-
sehen und die Dauerhaftigkeit denselben weit nachstehen. Ihre An-
fertigung in Japan reicht nicht weit hinter die Eröffnung des Landes
zurück. Früher trug man zum Schutz gegen den Regen allgemein plumpe
Mäntel oder Matten aus Gräsern, z. B. die Mino (pg. 202), und Binsen.

Das Bedürfniss der Japaner, den Kopf gegen Regen und Sonnen-
schein zu schützen, führte sie wohl schon frühe nicht blos zum Ge-
brauch grosser Hüte aus Weidengeflecht und anderm Material, son-
dern auch zur Anfertigung plumper papierner Regen- und Sonnen-
schirme, die allgemein im Gebrauch waren. Aber der geölte Kara-
kasa
konnte nicht im Sonnenschein, der ungeölte Sonnenschirm (Hi-
gasa
) nicht bei Regenwetter benutzt werden. Man begreift daher
leicht die Bereitwilligkeit der wohlhabenden Klassen, sich der seidenen
Schirme Europas zu bedienen, die nicht blos leichter und handlicher
waren, sondern vor allem den Vorzug hatten, als "en tous cas" im
wahren Sinne des Ausdrucks zu dienen. Aehnlich ging es mit den
Hüten. In der That bildeten Filzhüte und seidene oder baumwollene
Regenschirme schon vor zehn Jahren diejenigen fremden Artikel --
jetzt werden sie in genügender Menge und Güte im Lande selbst ge-
macht --, welche nebst der Petroleumlampe am weitesten landeinwärts
gedrungen waren. Bald wird es in Japan keinen Schirmmacher mehr
geben, der nicht in die Seidenhandlung, statt in den Papierladen geht,
um sich den Stoff zum Ueberziehen seiner Gestelle zu kaufen.

Wie das Bastpapier in Ostasien bisher das Glas der Fenster-
scheiben ersetzte, so auch das der Laternen. Die Papierlaterne, jap.
Chochin spielt in Japan noch immer ihre Rolle. Sie fehlt keinem
Hause. Mit ihr beleuchtet man Nachts Flur und Veranda, seinen Weg,
wenn man, sei es zu Fuss, oder in einer Jinrikisha, die Strasse über-
schreitet, und das Wasser bei nächtlicher Bootfahrt. Reihen aufge-
hängter bunter Papierlaternen zeigen Theehäuser, Theater und andere
Vergnügungslokale an. Bei den grossen Tempelfesten, welche zu

III. Kunstgewerbe und Verwandtes.
und Shibu bestrichen und dann zum Trocknen an die Sonne gelegt,
wozu mindestens 5 Tage erforderlich sind. Hierauf folgt ein Anstrich
mit Yegoma-no-abura (Perilla-Oel), gemischt mit Shibu, abermaliges
Trocknen und erneuerter Anstrich mit diesem kalten Gemisch, wobei
aber das Oel vorher gekocht sein musste, und schliesslich endgültiges
Trocknen. Die ganze Arbeit nimmt selbst bei günstigem Wetter min-
destens 15 Tage in Anspruch. Selbstverständlich wird Kienruss nur für
schwarze Oelpapiere und Regenmäntel angewandt; für hellere benutzt
man statt seiner Gummigutt oder eine andere hellere Farbe.

Solche Oelpapiere können in Europa mit Wachstuch und Gummi-
geweben nicht concurrieren, da sie in Bezug auf das gefällige Aus-
sehen und die Dauerhaftigkeit denselben weit nachstehen. Ihre An-
fertigung in Japan reicht nicht weit hinter die Eröffnung des Landes
zurück. Früher trug man zum Schutz gegen den Regen allgemein plumpe
Mäntel oder Matten aus Gräsern, z. B. die Mino (pg. 202), und Binsen.

Das Bedürfniss der Japaner, den Kopf gegen Regen und Sonnen-
schein zu schützen, führte sie wohl schon frühe nicht blos zum Ge-
brauch grosser Hüte aus Weidengeflecht und anderm Material, son-
dern auch zur Anfertigung plumper papierner Regen- und Sonnen-
schirme, die allgemein im Gebrauch waren. Aber der geölte Kara-
kasa
konnte nicht im Sonnenschein, der ungeölte Sonnenschirm (Hi-
gasa
) nicht bei Regenwetter benutzt werden. Man begreift daher
leicht die Bereitwilligkeit der wohlhabenden Klassen, sich der seidenen
Schirme Europas zu bedienen, die nicht blos leichter und handlicher
waren, sondern vor allem den Vorzug hatten, als »en tous cas« im
wahren Sinne des Ausdrucks zu dienen. Aehnlich ging es mit den
Hüten. In der That bildeten Filzhüte und seidene oder baumwollene
Regenschirme schon vor zehn Jahren diejenigen fremden Artikel —
jetzt werden sie in genügender Menge und Güte im Lande selbst ge-
macht —, welche nebst der Petroleumlampe am weitesten landeinwärts
gedrungen waren. Bald wird es in Japan keinen Schirmmacher mehr
geben, der nicht in die Seidenhandlung, statt in den Papierladen geht,
um sich den Stoff zum Ueberziehen seiner Gestelle zu kaufen.

Wie das Bastpapier in Ostasien bisher das Glas der Fenster-
scheiben ersetzte, so auch das der Laternen. Die Papierlaterne, jap.
Chôchin spielt in Japan noch immer ihre Rolle. Sie fehlt keinem
Hause. Mit ihr beleuchtet man Nachts Flur und Veranda, seinen Weg,
wenn man, sei es zu Fuss, oder in einer Jinrikisha, die Strasse über-
schreitet, und das Wasser bei nächtlicher Bootfahrt. Reihen aufge-
hängter bunter Papierlaternen zeigen Theehäuser, Theater und andere
Vergnügungslokale an. Bei den grossen Tempelfesten, welche zu

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[494/0538] III. Kunstgewerbe und Verwandtes. und Shibu bestrichen und dann zum Trocknen an die Sonne gelegt, wozu mindestens 5 Tage erforderlich sind. Hierauf folgt ein Anstrich mit Yegoma-no-abura (Perilla-Oel), gemischt mit Shibu, abermaliges Trocknen und erneuerter Anstrich mit diesem kalten Gemisch, wobei aber das Oel vorher gekocht sein musste, und schliesslich endgültiges Trocknen. Die ganze Arbeit nimmt selbst bei günstigem Wetter min- destens 15 Tage in Anspruch. Selbstverständlich wird Kienruss nur für schwarze Oelpapiere und Regenmäntel angewandt; für hellere benutzt man statt seiner Gummigutt oder eine andere hellere Farbe. Solche Oelpapiere können in Europa mit Wachstuch und Gummi- geweben nicht concurrieren, da sie in Bezug auf das gefällige Aus- sehen und die Dauerhaftigkeit denselben weit nachstehen. Ihre An- fertigung in Japan reicht nicht weit hinter die Eröffnung des Landes zurück. Früher trug man zum Schutz gegen den Regen allgemein plumpe Mäntel oder Matten aus Gräsern, z. B. die Mino (pg. 202), und Binsen. Das Bedürfniss der Japaner, den Kopf gegen Regen und Sonnen- schein zu schützen, führte sie wohl schon frühe nicht blos zum Ge- brauch grosser Hüte aus Weidengeflecht und anderm Material, son- dern auch zur Anfertigung plumper papierner Regen- und Sonnen- schirme, die allgemein im Gebrauch waren. Aber der geölte Kara- kasa konnte nicht im Sonnenschein, der ungeölte Sonnenschirm (Hi- gasa) nicht bei Regenwetter benutzt werden. Man begreift daher leicht die Bereitwilligkeit der wohlhabenden Klassen, sich der seidenen Schirme Europas zu bedienen, die nicht blos leichter und handlicher waren, sondern vor allem den Vorzug hatten, als »en tous cas« im wahren Sinne des Ausdrucks zu dienen. Aehnlich ging es mit den Hüten. In der That bildeten Filzhüte und seidene oder baumwollene Regenschirme schon vor zehn Jahren diejenigen fremden Artikel — jetzt werden sie in genügender Menge und Güte im Lande selbst ge- macht —, welche nebst der Petroleumlampe am weitesten landeinwärts gedrungen waren. Bald wird es in Japan keinen Schirmmacher mehr geben, der nicht in die Seidenhandlung, statt in den Papierladen geht, um sich den Stoff zum Ueberziehen seiner Gestelle zu kaufen. Wie das Bastpapier in Ostasien bisher das Glas der Fenster- scheiben ersetzte, so auch das der Laternen. Die Papierlaterne, jap. Chôchin spielt in Japan noch immer ihre Rolle. Sie fehlt keinem Hause. Mit ihr beleuchtet man Nachts Flur und Veranda, seinen Weg, wenn man, sei es zu Fuss, oder in einer Jinrikisha, die Strasse über- schreitet, und das Wasser bei nächtlicher Bootfahrt. Reihen aufge- hängter bunter Papierlaternen zeigen Theehäuser, Theater und andere Vergnügungslokale an. Bei den grossen Tempelfesten, welche zu

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 494. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/538>, abgerufen am 23.04.2024.