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Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886.

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9. Emailindustrie.

Die Ausschmückung mit Email ist eine Kunst, welche von ver-
schiedenen Culturvölkern in älterer, wie neuerer Zeit geübt worden
ist und in der insbesondere die Japaner hervorragende Leistungen
aufweisen. Während die übrigen Völker, namentlich auch die Chinesen,
dieselbe auf Metalle beschränkten, ist es ihnen gelungen, sie mit
gleichem Erfolg auch auf hartgebrannte Thonwaaren (Porzellan und
Steingut) anzuwenden. Bevor ich aber die Art, wie die Japaner bei
Darstellung ihres Email verfahren, näher angebe, will ich einige all-
gemeine Bemerkungen über die Abarten des Email und dessen Ein-
führung vorausschicken. Die verschiedenen Verfahrungsweisen bei der
Emaildecoration lassen sich in zwei Gruppen theilen:

1) Gebundenes Email, auch incrustiertes oder versenktes Email
(imbedded Enamel) genannt. Dasselbe ist eine Mosaikarbeit, bei
welcher die einzelnen Emailfarben und Bestandtheile der Decoration
durch schmale Metallbänder von einander geschieden sind. Bei seiner
Darstellung wird auf der Unterlage zunächst durch Guss, Ausgravierung
oder Auflöthung ein Netzwerk von Metallzellen geschaffen, welche den
Umrissen der einzelnen Bestandtheile des Bildes entsprechen, dann
die vollständige oder theilweise Füllung der Zellen mit den verschie-
denen Emailfarben und endlich das Schmelzen oder Aufbrennen der-
selben vorgenommen, wobei die dünnen Zellwände das Ueberfliessen
der verschiedenen Schmelzfarben verhüten und nach dem Abschleifen
als Conturen der Elemente des Emailbildes dieses scharf abheben.

Das gebundene Email wird wieder unterschieden in:

a) Zellenschmelz oder Email cloisonne (incrusted Enamel),
bei welchem die Zellen aus schmalen Metallbändern für sich, der
Decorationsvorlage entsprechend, geformt und dann der Unterlage auf-
gelöthet werden.

b) Grubenschmelz oder Email champleve (imbedded Enamel).
Hierbei sind die Zellwände Bestandtheile des Excipienten selbst und
gleich den eingeschlossenen Gruben durch Guss oder Ausgravierung
hervorgerufen worden.

Bei beiden erwähnten Emailarten füllen die Schmelzfarben die
Zellen nach dem Abschleifen und Polieren ganz aus, so dass alle Ver-
zierungen in einer Ebene liegen. Desshalb nennt man sie auch Flach-
email
oder glattes Email, ein Ausdruck, welchen namentlich die
Russen für derartige Erzeugnisse anwenden. In Moskau -- und hier
allein -- wird aber noch eine andere Sorte Zellenschmelz dargestellt,
nämlich

c. das sogenannte Filigranemail (Filogranuije email) oder
Soskanju Email, d. h. wörtlich "Email mit gedrehtem Zwirn." Es

9. Emailindustrie.

Die Ausschmückung mit Email ist eine Kunst, welche von ver-
schiedenen Culturvölkern in älterer, wie neuerer Zeit geübt worden
ist und in der insbesondere die Japaner hervorragende Leistungen
aufweisen. Während die übrigen Völker, namentlich auch die Chinesen,
dieselbe auf Metalle beschränkten, ist es ihnen gelungen, sie mit
gleichem Erfolg auch auf hartgebrannte Thonwaaren (Porzellan und
Steingut) anzuwenden. Bevor ich aber die Art, wie die Japaner bei
Darstellung ihres Email verfahren, näher angebe, will ich einige all-
gemeine Bemerkungen über die Abarten des Email und dessen Ein-
führung vorausschicken. Die verschiedenen Verfahrungsweisen bei der
Emaildecoration lassen sich in zwei Gruppen theilen:

1) Gebundenes Email, auch incrustiertes oder versenktes Email
(imbedded Enamel) genannt. Dasselbe ist eine Mosaikarbeit, bei
welcher die einzelnen Emailfarben und Bestandtheile der Decoration
durch schmale Metallbänder von einander geschieden sind. Bei seiner
Darstellung wird auf der Unterlage zunächst durch Guss, Ausgravierung
oder Auflöthung ein Netzwerk von Metallzellen geschaffen, welche den
Umrissen der einzelnen Bestandtheile des Bildes entsprechen, dann
die vollständige oder theilweise Füllung der Zellen mit den verschie-
denen Emailfarben und endlich das Schmelzen oder Aufbrennen der-
selben vorgenommen, wobei die dünnen Zellwände das Ueberfliessen
der verschiedenen Schmelzfarben verhüten und nach dem Abschleifen
als Conturen der Elemente des Emailbildes dieses scharf abheben.

Das gebundene Email wird wieder unterschieden in:

a) Zellenschmelz oder Email cloisonné (incrusted Enamel),
bei welchem die Zellen aus schmalen Metallbändern für sich, der
Decorationsvorlage entsprechend, geformt und dann der Unterlage auf-
gelöthet werden.

b) Grubenschmelz oder Email champlevé (imbedded Enamel).
Hierbei sind die Zellwände Bestandtheile des Excipienten selbst und
gleich den eingeschlossenen Gruben durch Guss oder Ausgravierung
hervorgerufen worden.

Bei beiden erwähnten Emailarten füllen die Schmelzfarben die
Zellen nach dem Abschleifen und Polieren ganz aus, so dass alle Ver-
zierungen in einer Ebene liegen. Desshalb nennt man sie auch Flach-
email
oder glattes Email, ein Ausdruck, welchen namentlich die
Russen für derartige Erzeugnisse anwenden. In Moskau — und hier
allein — wird aber noch eine andere Sorte Zellenschmelz dargestellt,
nämlich

c. das sogenannte Filigranemail (Filogranuije email) oder
Soskanju Email, d. h. wörtlich »Email mit gedrehtem Zwirn.« Es

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[583/0641] 9. Emailindustrie. Die Ausschmückung mit Email ist eine Kunst, welche von ver- schiedenen Culturvölkern in älterer, wie neuerer Zeit geübt worden ist und in der insbesondere die Japaner hervorragende Leistungen aufweisen. Während die übrigen Völker, namentlich auch die Chinesen, dieselbe auf Metalle beschränkten, ist es ihnen gelungen, sie mit gleichem Erfolg auch auf hartgebrannte Thonwaaren (Porzellan und Steingut) anzuwenden. Bevor ich aber die Art, wie die Japaner bei Darstellung ihres Email verfahren, näher angebe, will ich einige all- gemeine Bemerkungen über die Abarten des Email und dessen Ein- führung vorausschicken. Die verschiedenen Verfahrungsweisen bei der Emaildecoration lassen sich in zwei Gruppen theilen: 1) Gebundenes Email, auch incrustiertes oder versenktes Email (imbedded Enamel) genannt. Dasselbe ist eine Mosaikarbeit, bei welcher die einzelnen Emailfarben und Bestandtheile der Decoration durch schmale Metallbänder von einander geschieden sind. Bei seiner Darstellung wird auf der Unterlage zunächst durch Guss, Ausgravierung oder Auflöthung ein Netzwerk von Metallzellen geschaffen, welche den Umrissen der einzelnen Bestandtheile des Bildes entsprechen, dann die vollständige oder theilweise Füllung der Zellen mit den verschie- denen Emailfarben und endlich das Schmelzen oder Aufbrennen der- selben vorgenommen, wobei die dünnen Zellwände das Ueberfliessen der verschiedenen Schmelzfarben verhüten und nach dem Abschleifen als Conturen der Elemente des Emailbildes dieses scharf abheben. Das gebundene Email wird wieder unterschieden in: a) Zellenschmelz oder Email cloisonné (incrusted Enamel), bei welchem die Zellen aus schmalen Metallbändern für sich, der Decorationsvorlage entsprechend, geformt und dann der Unterlage auf- gelöthet werden. b) Grubenschmelz oder Email champlevé (imbedded Enamel). Hierbei sind die Zellwände Bestandtheile des Excipienten selbst und gleich den eingeschlossenen Gruben durch Guss oder Ausgravierung hervorgerufen worden. Bei beiden erwähnten Emailarten füllen die Schmelzfarben die Zellen nach dem Abschleifen und Polieren ganz aus, so dass alle Ver- zierungen in einer Ebene liegen. Desshalb nennt man sie auch Flach- email oder glattes Email, ein Ausdruck, welchen namentlich die Russen für derartige Erzeugnisse anwenden. In Moskau — und hier allein — wird aber noch eine andere Sorte Zellenschmelz dargestellt, nämlich c. das sogenannte Filigranemail (Filogranuije email) oder Soskanju Email, d. h. wörtlich »Email mit gedrehtem Zwirn.« Es

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Zitationshilfe: Rein, Johann Justus: Japan nach Reisen und Studien. Bd. 2. Leipzig, 1886, S. 583. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rein_japan02_1886/641>, abgerufen am 28.03.2024.