Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
derungen erst vor einer Stunde geschlossen ha-
be, an den bestimmten Ort legte, so fand sie
Jhr heutiges Schreiben. Jch bin Jhnen für
Jhre gütige Bemühung verbunden. Diese Ant-
wort darauf soll so bald an Ort und Stelle ge-
bracht werden, daß Jhr Diener sie hoffentlich zu-
gleich mit dem vorigen Briefe überbringen wird.
Es wird aber nichts darin stehen, als ein Danck
für Jhre Liebe und Freundschaft gegen mich, und
die betrübte Wahrheit, daß meine Besorgniß
von Tage zu Tage zunimmt.

Jch muß nothwendig Gelegenheit suchen, mit
meiner Mutter allein zu sprechen, und sie um ein
gütiges Vorwort für mich zu bitten: sonst stehe ich
in Gefahr, daß ein gewisser Tag zur Hochzeit vest
gesetzt und der Eckel, mit dem ich an Solmes
dencke, für die Frucht der Blödigkeit gehalten
wird. Sollten sich Schwestern nicht als Schwe-
stern gegen einander aufführen? Sollten sie nicht
bey einer solchen Gelegenheit, als diese ist, gemein-
schaftliche Sachen machen, und es als eine Sache
ansehen, die ein jedes Frauenzimmer angehet?
Allein meine Schwester hat die eigennützigen Absich-
ten meines Bruders, mit dem sie vermuthlich alles
abgeredet hatte, zu befördern gesucht, und in Ge-
genwart der gantzen Familie so ernstlich, als sie
zu seyn pflegt, wenn sie etwas durchaus haben
will, darauf gedrungen, daß man mir einen Tag
bestimmen, und mir drohen müste, daß ich mein
gantzes Erbtheil und die Liebe aller meiner Ange-
hörigen verlieren sollte, wenn ich nicht Gehorsam

leisten

Die Geſchichte
derungen erſt vor einer Stunde geſchloſſen ha-
be, an den beſtimmten Ort legte, ſo fand ſie
Jhr heutiges Schreiben. Jch bin Jhnen fuͤr
Jhre guͤtige Bemuͤhung verbunden. Dieſe Ant-
wort darauf ſoll ſo bald an Ort und Stelle ge-
bracht werden, daß Jhr Diener ſie hoffentlich zu-
gleich mit dem vorigen Briefe uͤberbringen wird.
Es wird aber nichts darin ſtehen, als ein Danck
fuͤr Jhre Liebe und Freundſchaft gegen mich, und
die betruͤbte Wahrheit, daß meine Beſorgniß
von Tage zu Tage zunimmt.

Jch muß nothwendig Gelegenheit ſuchen, mit
meiner Mutter allein zu ſprechen, und ſie um ein
guͤtiges Vorwort fuͤr mich zu bitten: ſonſt ſtehe ich
in Gefahr, daß ein gewiſſer Tag zur Hochzeit veſt
geſetzt und der Eckel, mit dem ich an Solmes
dencke, fuͤr die Frucht der Bloͤdigkeit gehalten
wird. Sollten ſich Schweſtern nicht als Schwe-
ſtern gegen einander auffuͤhren? Sollten ſie nicht
bey einer ſolchen Gelegenheit, als dieſe iſt, gemein-
ſchaftliche Sachen machen, und es als eine Sache
anſehen, die ein jedes Frauenzimmer angehet?
Allein meine Schweſteꝛ hat die eigeñuͤtzigen Abſich-
ten meines Bruders, mit dem ſie vermuthlich alles
abgeredet hatte, zu befoͤrdern geſucht, und in Ge-
genwart der gantzen Familie ſo ernſtlich, als ſie
zu ſeyn pflegt, wenn ſie etwas durchaus haben
will, darauf gedrungen, daß man mir einen Tag
beſtimmen, und mir drohen muͤſte, daß ich mein
gantzes Erbtheil und die Liebe aller meiner Ange-
hoͤrigen verlieren ſollte, wenn ich nicht Gehorſam

leiſten
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0160" n="140"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
derungen er&#x017F;t vor einer Stunde ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en ha-<lb/>
be, an den be&#x017F;timmten Ort legte, &#x017F;o fand &#x017F;ie<lb/>
Jhr heutiges Schreiben. Jch bin Jhnen fu&#x0364;r<lb/>
Jhre gu&#x0364;tige Bemu&#x0364;hung verbunden. Die&#x017F;e Ant-<lb/>
wort darauf &#x017F;oll &#x017F;o bald an Ort und Stelle ge-<lb/>
bracht werden, daß Jhr Diener &#x017F;ie hoffentlich zu-<lb/>
gleich mit dem vorigen Briefe u&#x0364;berbringen wird.<lb/>
Es wird aber nichts darin &#x017F;tehen, als ein Danck<lb/>
fu&#x0364;r Jhre Liebe und Freund&#x017F;chaft gegen mich, und<lb/>
die betru&#x0364;bte Wahrheit, daß meine Be&#x017F;orgniß<lb/>
von Tage zu Tage zunimmt.</p><lb/>
        <p>Jch muß nothwendig Gelegenheit &#x017F;uchen, mit<lb/>
meiner Mutter allein zu &#x017F;prechen, und &#x017F;ie um ein<lb/>
gu&#x0364;tiges Vorwort fu&#x0364;r mich zu bitten: &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;tehe ich<lb/>
in Gefahr, <choice><sic>duß</sic><corr>daß</corr></choice> ein gewi&#x017F;&#x017F;er Tag zur Hochzeit ve&#x017F;t<lb/>
ge&#x017F;etzt und der Eckel, mit dem ich an <hi rendition="#fr">Solmes</hi><lb/>
dencke, fu&#x0364;r die Frucht der Blo&#x0364;digkeit gehalten<lb/>
wird. Sollten &#x017F;ich Schwe&#x017F;tern nicht als Schwe-<lb/>
&#x017F;tern gegen einander auffu&#x0364;hren? Sollten &#x017F;ie nicht<lb/>
bey einer &#x017F;olchen Gelegenheit, als die&#x017F;e i&#x017F;t, gemein-<lb/>
&#x017F;chaftliche Sachen machen, und es als eine Sache<lb/>
an&#x017F;ehen, die ein jedes Frauenzimmer angehet?<lb/>
Allein meine Schwe&#x017F;te&#xA75B; hat die eigen&#x0303;u&#x0364;tzigen Ab&#x017F;ich-<lb/>
ten meines Bruders, mit dem &#x017F;ie vermuthlich alles<lb/>
abgeredet hatte, zu befo&#x0364;rdern ge&#x017F;ucht, und in Ge-<lb/>
genwart der gantzen Familie &#x017F;o ern&#x017F;tlich, als &#x017F;ie<lb/>
zu &#x017F;eyn pflegt, wenn &#x017F;ie etwas durchaus haben<lb/>
will, darauf gedrungen, daß man mir einen Tag<lb/>
be&#x017F;timmen, und mir drohen mu&#x0364;&#x017F;te, daß ich mein<lb/>
gantzes Erbtheil und die Liebe aller meiner Ange-<lb/>
ho&#x0364;rigen verlieren &#x017F;ollte, wenn ich nicht Gehor&#x017F;am<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lei&#x017F;ten</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0160] Die Geſchichte derungen erſt vor einer Stunde geſchloſſen ha- be, an den beſtimmten Ort legte, ſo fand ſie Jhr heutiges Schreiben. Jch bin Jhnen fuͤr Jhre guͤtige Bemuͤhung verbunden. Dieſe Ant- wort darauf ſoll ſo bald an Ort und Stelle ge- bracht werden, daß Jhr Diener ſie hoffentlich zu- gleich mit dem vorigen Briefe uͤberbringen wird. Es wird aber nichts darin ſtehen, als ein Danck fuͤr Jhre Liebe und Freundſchaft gegen mich, und die betruͤbte Wahrheit, daß meine Beſorgniß von Tage zu Tage zunimmt. Jch muß nothwendig Gelegenheit ſuchen, mit meiner Mutter allein zu ſprechen, und ſie um ein guͤtiges Vorwort fuͤr mich zu bitten: ſonſt ſtehe ich in Gefahr, daß ein gewiſſer Tag zur Hochzeit veſt geſetzt und der Eckel, mit dem ich an Solmes dencke, fuͤr die Frucht der Bloͤdigkeit gehalten wird. Sollten ſich Schweſtern nicht als Schwe- ſtern gegen einander auffuͤhren? Sollten ſie nicht bey einer ſolchen Gelegenheit, als dieſe iſt, gemein- ſchaftliche Sachen machen, und es als eine Sache anſehen, die ein jedes Frauenzimmer angehet? Allein meine Schweſteꝛ hat die eigeñuͤtzigen Abſich- ten meines Bruders, mit dem ſie vermuthlich alles abgeredet hatte, zu befoͤrdern geſucht, und in Ge- genwart der gantzen Familie ſo ernſtlich, als ſie zu ſeyn pflegt, wenn ſie etwas durchaus haben will, darauf gedrungen, daß man mir einen Tag beſtimmen, und mir drohen muͤſte, daß ich mein gantzes Erbtheil und die Liebe aller meiner Ange- hoͤrigen verlieren ſollte, wenn ich nicht Gehorſam leiſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/160
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/160>, abgerufen am 25.04.2024.