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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

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der Clarissa.
ner Heiserkeit ausser Sorgen. Sein artiges
Lischen, sein Rosen-Knöspgen/ wie der Bö-
sewicht es nennet, kan noch alle Worte hören
die er sagt.

Er ist sterblich-verliebt in sie. Man sagt,
daß sie noch unschuldig sey, und das glaubt auch
ihr Vater und ihre Gros-Mutter. Er will sie
aussteuren, daß sie einen jungen Bräutigam
nehmen kan. Der arme Bräutigam! das ar-
me einfältige Mädchen!

Herr Hickmann erzählt mir, er habe zu Lon-
den
gehört, daß er oft mit Frauenzimmer in die
Comödien und Opern gehe, und zwar immer
mit andern. - - Ach meine allerliebste Freun-
din! - - Jch hoffe nicht, daß Sie an ihn dencken
werden, wenn alles dieses wahr ist. Wenn Sie
auch sonst ihm noch so günstig gewesen seyn sol-
ten, so wird doch diese Nachricht ihre Wirckung
haben.

Ein niederträchtiger Bösewicht! kan das le-
bendige Bild der Tugend, dessen Hertz er zu ge-
winnen suchet, keinen tiefern Eindruck bey ihm
machen? Jch überlasse ihn Jhrem Urtheil! von
ihm kan man keine Besserung hoffen. Jch will
noch mehr gutes von einem Narren, als von ei-
nem solchen Menschen hoffen. Jch wünschte
nur, daß ich das arme junge Ding aus seinen
Klauen retten könnte: und ich habe schon An-
stalt dazu gemacht, wenn sie anders noch unschul-
dig ist, und ihr Hertz nicht hat einnehmen lassen.

Die Leute sehen ihn für einen Soldaten an,

der
Q 4

der Clariſſa.
ner Heiſerkeit auſſer Sorgen. Sein artiges
Lischen, ſein Roſen-Knoͤſpgen/ wie der Boͤ-
ſewicht es nennet, kan noch alle Worte hoͤren
die er ſagt.

Er iſt ſterblich-verliebt in ſie. Man ſagt,
daß ſie noch unſchuldig ſey, und das glaubt auch
ihr Vater und ihre Gros-Mutter. Er will ſie
ausſteuren, daß ſie einen jungen Braͤutigam
nehmen kan. Der arme Braͤutigam! das ar-
me einfaͤltige Maͤdchen!

Herr Hickmann erzaͤhlt mir, er habe zu Lon-
den
gehoͤrt, daß er oft mit Frauenzimmer in die
Comoͤdien und Opern gehe, und zwar immer
mit andern. ‒ ‒ Ach meine allerliebſte Freun-
din! ‒ ‒ Jch hoffe nicht, daß Sie an ihn dencken
werden, wenn alles dieſes wahr iſt. Wenn Sie
auch ſonſt ihm noch ſo guͤnſtig geweſen ſeyn ſol-
ten, ſo wird doch dieſe Nachricht ihre Wirckung
haben.

Ein niedertraͤchtiger Boͤſewicht! kan das le-
bendige Bild der Tugend, deſſen Hertz er zu ge-
winnen ſuchet, keinen tiefern Eindruck bey ihm
machen? Jch uͤberlaſſe ihn Jhrem Urtheil! von
ihm kan man keine Beſſerung hoffen. Jch will
noch mehr gutes von einem Narren, als von ei-
nem ſolchen Menſchen hoffen. Jch wuͤnſchte
nur, daß ich das arme junge Ding aus ſeinen
Klauen retten koͤnnte: und ich habe ſchon An-
ſtalt dazu gemacht, wenn ſie anders noch unſchul-
dig iſt, und ihr Hertz nicht hat einnehmen laſſen.

Die Leute ſehen ihn fuͤr einen Soldaten an,

der
Q 4
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[247/0253] der Clariſſa. ner Heiſerkeit auſſer Sorgen. Sein artiges Lischen, ſein Roſen-Knoͤſpgen/ wie der Boͤ- ſewicht es nennet, kan noch alle Worte hoͤren die er ſagt. Er iſt ſterblich-verliebt in ſie. Man ſagt, daß ſie noch unſchuldig ſey, und das glaubt auch ihr Vater und ihre Gros-Mutter. Er will ſie ausſteuren, daß ſie einen jungen Braͤutigam nehmen kan. Der arme Braͤutigam! das ar- me einfaͤltige Maͤdchen! Herr Hickmann erzaͤhlt mir, er habe zu Lon- den gehoͤrt, daß er oft mit Frauenzimmer in die Comoͤdien und Opern gehe, und zwar immer mit andern. ‒ ‒ Ach meine allerliebſte Freun- din! ‒ ‒ Jch hoffe nicht, daß Sie an ihn dencken werden, wenn alles dieſes wahr iſt. Wenn Sie auch ſonſt ihm noch ſo guͤnſtig geweſen ſeyn ſol- ten, ſo wird doch dieſe Nachricht ihre Wirckung haben. Ein niedertraͤchtiger Boͤſewicht! kan das le- bendige Bild der Tugend, deſſen Hertz er zu ge- winnen ſuchet, keinen tiefern Eindruck bey ihm machen? Jch uͤberlaſſe ihn Jhrem Urtheil! von ihm kan man keine Beſſerung hoffen. Jch will noch mehr gutes von einem Narren, als von ei- nem ſolchen Menſchen hoffen. Jch wuͤnſchte nur, daß ich das arme junge Ding aus ſeinen Klauen retten koͤnnte: und ich habe ſchon An- ſtalt dazu gemacht, wenn ſie anders noch unſchul- dig iſt, und ihr Hertz nicht hat einnehmen laſſen. Die Leute ſehen ihn fuͤr einen Soldaten an, der Q 4

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/253>, abgerufen am 28.04.2024.