Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
der Clarissa.


Es war ein Jrrthum. Wenn man etwas
befürchtet, so meint man es zu hören, so oft
sich nur ein Laub reget. Warum bin ich ich so
unruhig!

Jch will eilen, diesen Brief für Sie hinzu-
legen. Alsdenn will ich nochmahls an den ge-
wöhnlichen Ort gehen, und zusehen, ob er mei-
nen Brief erhalten hat. Hat er ihn in Hän-
den, so brauche ich ihn nicht zu sprechen. Hat
er ihn nicht, so will ich ihn wieder zurück neh-
men, und ihm zeigen, was ich geschrieben habe.
Hiemit will ich gleichsam das Eiß brechen, und
viel unnütze Worte sparen. Jch brauche weiter
nichts, als bey dem zu bleiben was ich geschrieben
habe. Unsere Unterredung muß so bald abge-
brochen werden, als möglich ist: denn wenn wir
entdeckt werden, so ist es ein neuer und starcker
Vorwand auf den Mittewochen.

Vielleicht werde ich eine Zeitlang nicht an
Sie schreiben können: vielleicht nicht eher, als
bis ich das unglückliche Eigenthum des Solmes
bin. Doch niemahls, niemahls will ich das
werden, so lange ich noch bey Sinnen bin.

Wenn Jhr Diener den Mittewochen früh
nichts findet, so glauben Sie, daß ich nicht schrei-
ben und keine Brieffe erhalten kan: Haben Sie
alsdenn Mitleiden mit mir, und beten Sie für

mich.
K k 5
der Clariſſa.


Es war ein Jrrthum. Wenn man etwas
befuͤrchtet, ſo meint man es zu hoͤren, ſo oft
ſich nur ein Laub reget. Warum bin ich ich ſo
unruhig!

Jch will eilen, dieſen Brief fuͤr Sie hinzu-
legen. Alsdenn will ich nochmahls an den ge-
woͤhnlichen Ort gehen, und zuſehen, ob er mei-
nen Brief erhalten hat. Hat er ihn in Haͤn-
den, ſo brauche ich ihn nicht zu ſprechen. Hat
er ihn nicht, ſo will ich ihn wieder zuruͤck neh-
men, und ihm zeigen, was ich geſchrieben habe.
Hiemit will ich gleichſam das Eiß brechen, und
viel unnuͤtze Worte ſparen. Jch brauche weiter
nichts, als bey dem zu bleiben was ich geſchrieben
habe. Unſere Unterredung muß ſo bald abge-
brochen werden, als moͤglich iſt: denn wenn wir
entdeckt werden, ſo iſt es ein neuer und ſtarcker
Vorwand auf den Mittewochen.

Vielleicht werde ich eine Zeitlang nicht an
Sie ſchreiben koͤnnen: vielleicht nicht eher, als
bis ich das ungluͤckliche Eigenthum des Solmes
bin. Doch niemahls, niemahls will ich das
werden, ſo lange ich noch bey Sinnen bin.

Wenn Jhr Diener den Mittewochen fruͤh
nichts findet, ſo glauben Sie, daß ich nicht ſchrei-
ben und keine Brieffe erhalten kan: Haben Sie
alsdenn Mitleiden mit mir, und beten Sie fuͤr

mich.
K k 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0527" n="521"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a</hi>.</hi> </fw><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Es war ein Jrrthum. Wenn man etwas<lb/>
befu&#x0364;rchtet, &#x017F;o meint man es zu ho&#x0364;ren, &#x017F;o oft<lb/>
&#x017F;ich nur ein Laub reget. Warum bin ich ich &#x017F;o<lb/>
unruhig!</p><lb/>
          <p>Jch will eilen, die&#x017F;en Brief fu&#x0364;r Sie hinzu-<lb/>
legen. Alsdenn will ich nochmahls an den ge-<lb/>
wo&#x0364;hnlichen Ort gehen, und zu&#x017F;ehen, ob er mei-<lb/>
nen Brief erhalten hat. Hat er ihn in Ha&#x0364;n-<lb/>
den, &#x017F;o brauche ich ihn nicht zu &#x017F;prechen. Hat<lb/>
er ihn nicht, &#x017F;o will ich ihn wieder zuru&#x0364;ck neh-<lb/>
men, und ihm zeigen, was ich ge&#x017F;chrieben habe.<lb/>
Hiemit will ich gleich&#x017F;am das Eiß brechen, und<lb/>
viel unnu&#x0364;tze Worte &#x017F;paren. Jch brauche weiter<lb/>
nichts, als bey dem zu bleiben was ich ge&#x017F;chrieben<lb/>
habe. Un&#x017F;ere Unterredung muß &#x017F;o bald abge-<lb/>
brochen werden, als mo&#x0364;glich i&#x017F;t: denn wenn wir<lb/>
entdeckt werden, &#x017F;o i&#x017F;t es ein neuer und &#x017F;tarcker<lb/>
Vorwand auf den Mittewochen.</p><lb/>
          <p>Vielleicht werde ich eine Zeitlang nicht an<lb/>
Sie &#x017F;chreiben ko&#x0364;nnen: vielleicht nicht eher, als<lb/>
bis ich das unglu&#x0364;ckliche Eigenthum des <hi rendition="#fr">Solmes</hi><lb/>
bin. Doch niemahls, niemahls will ich das<lb/>
werden, &#x017F;o lange ich noch bey Sinnen bin.</p><lb/>
          <p>Wenn Jhr Diener den Mittewochen fru&#x0364;h<lb/>
nichts findet, &#x017F;o glauben Sie, daß ich nicht &#x017F;chrei-<lb/>
ben und keine Brieffe erhalten kan: Haben Sie<lb/>
alsdenn Mitleiden mit mir, und beten Sie fu&#x0364;r<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K k 5</fw><fw place="bottom" type="catch">mich.</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[521/0527] der Clariſſa. Es war ein Jrrthum. Wenn man etwas befuͤrchtet, ſo meint man es zu hoͤren, ſo oft ſich nur ein Laub reget. Warum bin ich ich ſo unruhig! Jch will eilen, dieſen Brief fuͤr Sie hinzu- legen. Alsdenn will ich nochmahls an den ge- woͤhnlichen Ort gehen, und zuſehen, ob er mei- nen Brief erhalten hat. Hat er ihn in Haͤn- den, ſo brauche ich ihn nicht zu ſprechen. Hat er ihn nicht, ſo will ich ihn wieder zuruͤck neh- men, und ihm zeigen, was ich geſchrieben habe. Hiemit will ich gleichſam das Eiß brechen, und viel unnuͤtze Worte ſparen. Jch brauche weiter nichts, als bey dem zu bleiben was ich geſchrieben habe. Unſere Unterredung muß ſo bald abge- brochen werden, als moͤglich iſt: denn wenn wir entdeckt werden, ſo iſt es ein neuer und ſtarcker Vorwand auf den Mittewochen. Vielleicht werde ich eine Zeitlang nicht an Sie ſchreiben koͤnnen: vielleicht nicht eher, als bis ich das ungluͤckliche Eigenthum des Solmes bin. Doch niemahls, niemahls will ich das werden, ſo lange ich noch bey Sinnen bin. Wenn Jhr Diener den Mittewochen fruͤh nichts findet, ſo glauben Sie, daß ich nicht ſchrei- ben und keine Brieffe erhalten kan: Haben Sie alsdenn Mitleiden mit mir, und beten Sie fuͤr mich. K k 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/527
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/527>, abgerufen am 27.04.2024.