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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

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Bruder weggeschleppet hätte, und selbst zur Strafe
auf Lebens-lang nach West-Jndien geführet wäre:
so wollte ich mein hertzliches Ja zu diesem dreyfa-
chen Verluste unseres Vaterlandes geben.

Hilf Himmel! wie gebraucht, wie misbraucht
er den Joseph Lehmann? Sein offenhertziges
Bekäntniß macht mich abermahls in meinem Ur-
theil zweyfelhaft. Wenn es Jhnen aber möglich ist,
Jhrem Bruder zu vergeben, daß er den Lehmann
gemißbrauchet hat, so weiß ich nicht, warum Sie
mit Lovelacen zürnen wollen? Jndessen habe ich
wol hundertmahl gewünschet, daß Sie seiner los
seyn möchten, ehe Sie schuldig wären ihn zu betrau-
ren; es sey nun, daß er an einem hitzigen Fieber
sterbe, oder sich erhänge, sich ersäuffe, oder sonst
auf eine gute Art den Hals breche.

Jch wiederhohle nochmahls meinen ehemahli-
gen Antrag. Jst es mir erlaubt, das bewußte durch
unsern alten Boten-Gänger zu schicken? Jch mag
es Stillen Hickmanns Bedienten nicht in die Hän-
de geben, wenn ich es nicht in einen Banco-Zettel
verwandeln kann; und dieses kann ich nicht, ohne
Verdacht zu erwecken. Denn meine Mutter ist jetzt
sehr geschäftig, und bekümmert sich um alles. Nichts
ist mir verdrießlicher als ein argwöhnisches Hertz.

Sie gehet fast beständig bey mir aus und ein:
und ich bin gezwungen meinen Brief zu schließen.
Herr Hickmann hat mich ersucht, seine gehorsam-
ste Empfehlung an Sie zu vermelden, und Jhnen
seine Dienste anzubieten. Jch antwortete ihm: ich
wollte ihm dieses zu Gefallen thun; weil ein ver-

unruhig-



Bruder weggeſchleppet haͤtte, und ſelbſt zur Strafe
auf Lebens-lang nach Weſt-Jndien gefuͤhret waͤre:
ſo wollte ich mein hertzliches Ja zu dieſem dreyfa-
chen Verluſte unſeres Vaterlandes geben.

Hilf Himmel! wie gebraucht, wie misbraucht
er den Joſeph Lehmann? Sein offenhertziges
Bekaͤntniß macht mich abermahls in meinem Ur-
theil zweyfelhaft. Wenn es Jhnen aber moͤglich iſt,
Jhrem Bruder zu vergeben, daß er den Lehmann
gemißbrauchet hat, ſo weiß ich nicht, warum Sie
mit Lovelacen zuͤrnen wollen? Jndeſſen habe ich
wol hundertmahl gewuͤnſchet, daß Sie ſeiner los
ſeyn moͤchten, ehe Sie ſchuldig waͤren ihn zu betrau-
ren; es ſey nun, daß er an einem hitzigen Fieber
ſterbe, oder ſich erhaͤnge, ſich erſaͤuffe, oder ſonſt
auf eine gute Art den Hals breche.

Jch wiederhohle nochmahls meinen ehemahli-
gen Antrag. Jſt es mir erlaubt, das bewußte durch
unſern alten Boten-Gaͤnger zu ſchicken? Jch mag
es Stillen Hickmanns Bedienten nicht in die Haͤn-
de geben, wenn ich es nicht in einen Banco-Zettel
verwandeln kann; und dieſes kann ich nicht, ohne
Verdacht zu erwecken. Denn meine Mutter iſt jetzt
ſehr geſchaͤftig, und bekuͤmmert ſich um alles. Nichts
iſt mir verdrießlicher als ein argwoͤhniſches Hertz.

Sie gehet faſt beſtaͤndig bey mir aus und ein:
und ich bin gezwungen meinen Brief zu ſchließen.
Herr Hickmann hat mich erſucht, ſeine gehorſam-
ſte Empfehlung an Sie zu vermelden, und Jhnen
ſeine Dienſte anzubieten. Jch antwortete ihm: ich
wollte ihm dieſes zu Gefallen thun; weil ein ver-

unruhig-
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[239/0253] Bruder weggeſchleppet haͤtte, und ſelbſt zur Strafe auf Lebens-lang nach Weſt-Jndien gefuͤhret waͤre: ſo wollte ich mein hertzliches Ja zu dieſem dreyfa- chen Verluſte unſeres Vaterlandes geben. Hilf Himmel! wie gebraucht, wie misbraucht er den Joſeph Lehmann? Sein offenhertziges Bekaͤntniß macht mich abermahls in meinem Ur- theil zweyfelhaft. Wenn es Jhnen aber moͤglich iſt, Jhrem Bruder zu vergeben, daß er den Lehmann gemißbrauchet hat, ſo weiß ich nicht, warum Sie mit Lovelacen zuͤrnen wollen? Jndeſſen habe ich wol hundertmahl gewuͤnſchet, daß Sie ſeiner los ſeyn moͤchten, ehe Sie ſchuldig waͤren ihn zu betrau- ren; es ſey nun, daß er an einem hitzigen Fieber ſterbe, oder ſich erhaͤnge, ſich erſaͤuffe, oder ſonſt auf eine gute Art den Hals breche. Jch wiederhohle nochmahls meinen ehemahli- gen Antrag. Jſt es mir erlaubt, das bewußte durch unſern alten Boten-Gaͤnger zu ſchicken? Jch mag es Stillen Hickmanns Bedienten nicht in die Haͤn- de geben, wenn ich es nicht in einen Banco-Zettel verwandeln kann; und dieſes kann ich nicht, ohne Verdacht zu erwecken. Denn meine Mutter iſt jetzt ſehr geſchaͤftig, und bekuͤmmert ſich um alles. Nichts iſt mir verdrießlicher als ein argwoͤhniſches Hertz. Sie gehet faſt beſtaͤndig bey mir aus und ein: und ich bin gezwungen meinen Brief zu ſchließen. Herr Hickmann hat mich erſucht, ſeine gehorſam- ſte Empfehlung an Sie zu vermelden, und Jhnen ſeine Dienſte anzubieten. Jch antwortete ihm: ich wollte ihm dieſes zu Gefallen thun; weil ein ver- unruhig-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/253>, abgerufen am 25.04.2024.