Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



liches Bezeigen, das er Jhnen zugezogen hatte, nicht
diese Würckung bey ihm gehabt hätte.

Sie müssen am besten wissen, was sie für Ursachen
zum Aufschub gehabt haben. Jch wünschete aber,
daß Sie seine so aufrichtige Bitte möchten haben
Platz finden lassen. Warum wollten Sie ihn nicht
erlauben nach den Prediger des Lord M. zu schicken?
Wenn weiter nichts im Wege wäre, als einige
Kleinigkeiten des Wohlstandes, und der Mangel
der nöthigen Zuschickung, des Trau-Scheins,
und was dergleichen mehr seyn kann: so bin ich Jh-
re unterthänigste Dienerin. Da haben Sie Com-
plimente für Complimente. Jch bitte Sie von
Hertzen, schlagen Sie nie wieder eine Sache, die Sie
vorhin gewünscht hatten, auf eine so mürrische Wei-
se aus, und ruffen Sie nie wieder vergeblich den
Todt, da Sie selbst sonsten angemercket haben,
daß man nicht sterben könne, wenn man wolle.

Wie verkehrt ist das menschliche Hertz! Was
wir in der Ferne wünschen, das verachten wir, wenn
es uns nahe kommt.

Sie müssen sich nicht mehr als einen Zweck vor-
setzen: Dieser ist ihre Verheyrathung. Auf diesen
müssen alle Jhre Handlungen zielen: überlassen
Sie das übrige alles der göttlichen Vorsicht, und
folgen Sie wie die leitet. Sie bekommen einen ar-
tigen, einen wohlgezognen Mann: ich wollte auch
sagen, einen verständigen Mann, wenn er sich
nicht auf seine Eigenschaften zu viel einbildete,
wenn er nicht wild, und wenn er kein Schelm wä-
re. Da sich aber die Augen so mancher Frauen-

zimmer



liches Bezeigen, das er Jhnen zugezogen hatte, nicht
dieſe Wuͤrckung bey ihm gehabt haͤtte.

Sie muͤſſen am beſten wiſſen, was ſie fuͤr Urſachen
zum Aufſchub gehabt haben. Jch wuͤnſchete aber,
daß Sie ſeine ſo aufrichtige Bitte moͤchten haben
Platz finden laſſen. Warum wollten Sie ihn nicht
erlauben nach den Prediger des Lord M. zu ſchicken?
Wenn weiter nichts im Wege waͤre, als einige
Kleinigkeiten des Wohlſtandes, und der Mangel
der noͤthigen Zuſchickung, des Trau-Scheins,
und was dergleichen mehr ſeyn kann: ſo bin ich Jh-
re unterthaͤnigſte Dienerin. Da haben Sie Com-
plimente fuͤr Complimente. Jch bitte Sie von
Hertzen, ſchlagen Sie nie wieder eine Sache, die Sie
vorhin gewuͤnſcht hatten, auf eine ſo muͤrriſche Wei-
ſe aus, und ruffen Sie nie wieder vergeblich den
Todt, da Sie ſelbſt ſonſten angemercket haben,
daß man nicht ſterben koͤnne, wenn man wolle.

Wie verkehrt iſt das menſchliche Hertz! Was
wir in der Ferne wuͤnſchen, das verachten wir, wenn
es uns nahe kommt.

Sie muͤſſen ſich nicht mehr als einen Zweck vor-
ſetzen: Dieſer iſt ihre Verheyrathung. Auf dieſen
muͤſſen alle Jhre Handlungen zielen: uͤberlaſſen
Sie das uͤbrige alles der goͤttlichen Vorſicht, und
folgen Sie wie die leitet. Sie bekommen einen ar-
tigen, einen wohlgezognen Mann: ich wollte auch
ſagen, einen verſtaͤndigen Mann, wenn er ſich
nicht auf ſeine Eigenſchaften zu viel einbildete,
wenn er nicht wild, und wenn er kein Schelm waͤ-
re. Da ſich aber die Augen ſo mancher Frauen-

zimmer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0430" n="416"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
liches Bezeigen, das er Jhnen zugezogen hatte, nicht<lb/>
die&#x017F;e Wu&#x0364;rckung bey ihm gehabt ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en am be&#x017F;ten wi&#x017F;&#x017F;en, was &#x017F;ie fu&#x0364;r Ur&#x017F;achen<lb/>
zum Auf&#x017F;chub gehabt haben. Jch wu&#x0364;n&#x017F;chete aber,<lb/>
daß Sie &#x017F;eine &#x017F;o aufrichtige Bitte mo&#x0364;chten haben<lb/>
Platz finden la&#x017F;&#x017F;en. Warum wollten Sie ihn nicht<lb/>
erlauben nach den Prediger des Lord M. zu &#x017F;chicken?<lb/>
Wenn weiter nichts im Wege wa&#x0364;re, als einige<lb/>
Kleinigkeiten des Wohl&#x017F;tandes, und der Mangel<lb/>
der no&#x0364;thigen Zu&#x017F;chickung, des Trau-Scheins,<lb/>
und was dergleichen mehr &#x017F;eyn kann: &#x017F;o bin ich Jh-<lb/>
re untertha&#x0364;nig&#x017F;te Dienerin. Da haben Sie Com-<lb/>
plimente fu&#x0364;r Complimente. Jch bitte Sie von<lb/>
Hertzen, &#x017F;chlagen Sie nie wieder eine Sache, die Sie<lb/>
vorhin gewu&#x0364;n&#x017F;cht hatten, auf eine &#x017F;o mu&#x0364;rri&#x017F;che Wei-<lb/>
&#x017F;e aus, und ruffen Sie nie wieder vergeblich den<lb/>
Todt, da Sie &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;on&#x017F;ten angemercket haben,<lb/>
daß man nicht &#x017F;terben ko&#x0364;nne, wenn man wolle.</p><lb/>
          <p>Wie verkehrt i&#x017F;t das men&#x017F;chliche Hertz! Was<lb/>
wir in der Ferne wu&#x0364;n&#x017F;chen, das verachten wir, wenn<lb/>
es uns nahe kommt.</p><lb/>
          <p>Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nicht mehr als einen Zweck vor-<lb/>
&#x017F;etzen: Die&#x017F;er i&#x017F;t ihre Verheyrathung. Auf die&#x017F;en<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en alle Jhre Handlungen zielen: u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Sie das u&#x0364;brige alles der go&#x0364;ttlichen Vor&#x017F;icht, und<lb/>
folgen Sie wie die leitet. Sie bekommen einen ar-<lb/>
tigen, einen wohlgezognen Mann: ich wollte auch<lb/>
&#x017F;agen, einen ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen Mann, wenn er &#x017F;ich<lb/>
nicht auf &#x017F;eine Eigen&#x017F;chaften zu viel einbildete,<lb/>
wenn er nicht wild, und wenn er kein Schelm wa&#x0364;-<lb/>
re. Da &#x017F;ich aber die Augen &#x017F;o mancher Frauen-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zimmer</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[416/0430] liches Bezeigen, das er Jhnen zugezogen hatte, nicht dieſe Wuͤrckung bey ihm gehabt haͤtte. Sie muͤſſen am beſten wiſſen, was ſie fuͤr Urſachen zum Aufſchub gehabt haben. Jch wuͤnſchete aber, daß Sie ſeine ſo aufrichtige Bitte moͤchten haben Platz finden laſſen. Warum wollten Sie ihn nicht erlauben nach den Prediger des Lord M. zu ſchicken? Wenn weiter nichts im Wege waͤre, als einige Kleinigkeiten des Wohlſtandes, und der Mangel der noͤthigen Zuſchickung, des Trau-Scheins, und was dergleichen mehr ſeyn kann: ſo bin ich Jh- re unterthaͤnigſte Dienerin. Da haben Sie Com- plimente fuͤr Complimente. Jch bitte Sie von Hertzen, ſchlagen Sie nie wieder eine Sache, die Sie vorhin gewuͤnſcht hatten, auf eine ſo muͤrriſche Wei- ſe aus, und ruffen Sie nie wieder vergeblich den Todt, da Sie ſelbſt ſonſten angemercket haben, daß man nicht ſterben koͤnne, wenn man wolle. Wie verkehrt iſt das menſchliche Hertz! Was wir in der Ferne wuͤnſchen, das verachten wir, wenn es uns nahe kommt. Sie muͤſſen ſich nicht mehr als einen Zweck vor- ſetzen: Dieſer iſt ihre Verheyrathung. Auf dieſen muͤſſen alle Jhre Handlungen zielen: uͤberlaſſen Sie das uͤbrige alles der goͤttlichen Vorſicht, und folgen Sie wie die leitet. Sie bekommen einen ar- tigen, einen wohlgezognen Mann: ich wollte auch ſagen, einen verſtaͤndigen Mann, wenn er ſich nicht auf ſeine Eigenſchaften zu viel einbildete, wenn er nicht wild, und wenn er kein Schelm waͤ- re. Da ſich aber die Augen ſo mancher Frauen- zimmer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/430
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/430>, abgerufen am 25.04.2024.