Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite


Auf eine so vertrauliche Weise hat sich unsere Rei-
se nach London angefangen. Die älteste Jung-
fer Sorlings leistet ihr in der Kutsche Gesellschaft,
und ich reite zu Jhrer Sicherheit neben dem Wagen
her: denn sie ist voller Furcht vor den Singleton,
und ich habe Jhr versprechen müssen, alle mögliche
Geduld zu haben, wenn unterweges etwas vorfallen
sollte. Jch bin aber deswegen gantz ausser Sor-
gen: denn jetzt eben erhalte ich einen Brief von
dem Joseph, daraus ich sehe, daß Jacob Har-
lowe
seinen dummen Anschlag hat fahren lassen.
Alle seine Anverwanten haben ihn darum gebeten,
weil sie üble Folgen besorgten. Allein in meinem
Gehirn ist der Vorschlag noch nicht gantz ver-
schwunden, ob ich mich gleich nicht völlig ent-
schlossen habe, was für einen Gebrauch ich davon
machen will.

Mein Kind sagt mir, daß sie ihre Kleider bekom-
men werde: sie hoffet auch auf ihre Juwelen und
das zurückgelassene Geld. Allein Joseph meldet,
daß sie nichts als die Kleider bekommen werde. Jch
will ihr das nicht erzählen: ich sage vielmehr: es
sey kein Zweifel, daß man ihr alles schicken werde,
darum sie gebeten habe. Jemehr sie sich in ihrer
Hoffnung betrogen siehet, desto mehr wird sie ihre
Hoffnung auf mich setzen müssen.

Jch hoffe, daß ich werde ehrlich gegen sie seyn
können. Dich mag der Teufel davor hohlen, daß
du mir zur Unzeit meldest: sie könnte vielleicht von
mir überwunden werden.

Mich


Auf eine ſo vertrauliche Weiſe hat ſich unſere Rei-
ſe nach London angefangen. Die aͤlteſte Jung-
fer Sorlings leiſtet ihr in der Kutſche Geſellſchaft,
und ich reite zu Jhrer Sicherheit neben dem Wagen
her: denn ſie iſt voller Furcht vor den Singleton,
und ich habe Jhr verſprechen muͤſſen, alle moͤgliche
Geduld zu haben, wenn unterweges etwas vorfallen
ſollte. Jch bin aber deswegen gantz auſſer Sor-
gen: denn jetzt eben erhalte ich einen Brief von
dem Joſeph, daraus ich ſehe, daß Jacob Har-
lowe
ſeinen dummen Anſchlag hat fahren laſſen.
Alle ſeine Anverwanten haben ihn darum gebeten,
weil ſie uͤble Folgen beſorgten. Allein in meinem
Gehirn iſt der Vorſchlag noch nicht gantz ver-
ſchwunden, ob ich mich gleich nicht voͤllig ent-
ſchloſſen habe, was fuͤr einen Gebrauch ich davon
machen will.

Mein Kind ſagt mir, daß ſie ihre Kleider bekom-
men werde: ſie hoffet auch auf ihre Juwelen und
das zuruͤckgelaſſene Geld. Allein Joſeph meldet,
daß ſie nichts als die Kleider bekommen werde. Jch
will ihr das nicht erzaͤhlen: ich ſage vielmehr: es
ſey kein Zweifel, daß man ihr alles ſchicken werde,
darum ſie gebeten habe. Jemehr ſie ſich in ihrer
Hoffnung betrogen ſiehet, deſto mehr wird ſie ihre
Hoffnung auf mich ſetzen muͤſſen.

Jch hoffe, daß ich werde ehrlich gegen ſie ſeyn
koͤnnen. Dich mag der Teufel davor hohlen, daß
du mir zur Unzeit meldeſt: ſie koͤnnte vielleicht von
mir uͤberwunden werden.

Mich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0445" n="431"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Auf eine &#x017F;o vertrauliche Wei&#x017F;e hat &#x017F;ich un&#x017F;ere Rei-<lb/>
&#x017F;e nach <hi rendition="#fr">London</hi> angefangen. Die a&#x0364;lte&#x017F;te Jung-<lb/>
fer <hi rendition="#fr">Sorlings</hi> lei&#x017F;tet ihr in der Kut&#x017F;che Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft,<lb/>
und ich reite zu Jhrer Sicherheit neben dem Wagen<lb/>
her: denn &#x017F;ie i&#x017F;t voller Furcht vor den <hi rendition="#fr">Singleton,</hi><lb/>
und ich habe Jhr ver&#x017F;prechen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, alle mo&#x0364;gliche<lb/>
Geduld zu haben, wenn unterweges etwas vorfallen<lb/>
&#x017F;ollte. Jch bin aber deswegen gantz au&#x017F;&#x017F;er Sor-<lb/>
gen: denn jetzt eben erhalte ich einen Brief von<lb/>
dem <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;eph,</hi> daraus ich &#x017F;ehe, daß <hi rendition="#fr">Jacob Har-<lb/>
lowe</hi> &#x017F;einen dummen An&#x017F;chlag hat fahren la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Alle &#x017F;eine Anverwanten haben ihn darum gebeten,<lb/>
weil &#x017F;ie u&#x0364;ble Folgen be&#x017F;orgten. Allein in meinem<lb/>
Gehirn i&#x017F;t der Vor&#x017F;chlag noch nicht gantz ver-<lb/>
&#x017F;chwunden, ob ich mich gleich nicht vo&#x0364;llig ent-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en habe, was fu&#x0364;r einen Gebrauch ich davon<lb/>
machen will.</p><lb/>
          <p>Mein Kind &#x017F;agt mir, daß &#x017F;ie ihre Kleider bekom-<lb/>
men werde: &#x017F;ie hoffet auch auf ihre Juwelen und<lb/>
das zuru&#x0364;ckgela&#x017F;&#x017F;ene Geld. Allein <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;eph</hi> meldet,<lb/>
daß &#x017F;ie nichts als die Kleider bekommen werde. Jch<lb/>
will ihr das nicht erza&#x0364;hlen: ich &#x017F;age vielmehr: es<lb/>
&#x017F;ey kein Zweifel, daß man ihr alles &#x017F;chicken werde,<lb/>
darum &#x017F;ie gebeten habe. Jemehr &#x017F;ie &#x017F;ich in ihrer<lb/>
Hoffnung betrogen &#x017F;iehet, de&#x017F;to mehr wird &#x017F;ie ihre<lb/>
Hoffnung auf mich &#x017F;etzen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Jch hoffe, daß ich werde ehrlich gegen &#x017F;ie &#x017F;eyn<lb/>
ko&#x0364;nnen. Dich mag der Teufel davor hohlen, daß<lb/>
du mir zur Unzeit melde&#x017F;t: &#x017F;ie ko&#x0364;nnte vielleicht von<lb/>
mir u&#x0364;berwunden werden.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Mich</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[431/0445] Auf eine ſo vertrauliche Weiſe hat ſich unſere Rei- ſe nach London angefangen. Die aͤlteſte Jung- fer Sorlings leiſtet ihr in der Kutſche Geſellſchaft, und ich reite zu Jhrer Sicherheit neben dem Wagen her: denn ſie iſt voller Furcht vor den Singleton, und ich habe Jhr verſprechen muͤſſen, alle moͤgliche Geduld zu haben, wenn unterweges etwas vorfallen ſollte. Jch bin aber deswegen gantz auſſer Sor- gen: denn jetzt eben erhalte ich einen Brief von dem Joſeph, daraus ich ſehe, daß Jacob Har- lowe ſeinen dummen Anſchlag hat fahren laſſen. Alle ſeine Anverwanten haben ihn darum gebeten, weil ſie uͤble Folgen beſorgten. Allein in meinem Gehirn iſt der Vorſchlag noch nicht gantz ver- ſchwunden, ob ich mich gleich nicht voͤllig ent- ſchloſſen habe, was fuͤr einen Gebrauch ich davon machen will. Mein Kind ſagt mir, daß ſie ihre Kleider bekom- men werde: ſie hoffet auch auf ihre Juwelen und das zuruͤckgelaſſene Geld. Allein Joſeph meldet, daß ſie nichts als die Kleider bekommen werde. Jch will ihr das nicht erzaͤhlen: ich ſage vielmehr: es ſey kein Zweifel, daß man ihr alles ſchicken werde, darum ſie gebeten habe. Jemehr ſie ſich in ihrer Hoffnung betrogen ſiehet, deſto mehr wird ſie ihre Hoffnung auf mich ſetzen muͤſſen. Jch hoffe, daß ich werde ehrlich gegen ſie ſeyn koͤnnen. Dich mag der Teufel davor hohlen, daß du mir zur Unzeit meldeſt: ſie koͤnnte vielleicht von mir uͤberwunden werden. Mich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/445
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/445>, abgerufen am 25.04.2024.