Niemahls ist meine Freude so vollständig ge- wesen als jetzt. Allein ich muß zusehen, ob ich meinen Schatz noch besitze.
Ja wahrlich: Er ist in der andern Stube, und ich bin meines Besitzes wegen ausser Sorgen.
Entzückend schönes Glück! Wird nicht mein frohes Hertz Durch meine Brust in ihren Busen brechen?
Jch wußte, daß die gantze tumme Familie für mich arbeitete. Jch sagte dir, daß ich sie insge- sammt gebrauchte die Standhaftigkeit meiner Schö- nen ohne ihr Wissen den Maulwürfen gleich zu untergraben. Blinder waren sie als die Maul- würfe seyn sollen. Jch lenckte alle ihre Bewegun- gen: allein weil diese mit ihrem niederträchtigen Hertzen so genau überein kamen, so hielten sie al- les was sie thaten für ihre eigenen Entschließun- gen und nicht für die Eingebungen einer feindli- chen Gottheit.
Allein was sage ich dir? meine Freude soll voll- kommen seyn? Gewiß nicht. Mein Hochmuth ist all zu wenig vergnüget worden. Wie kann ich ohne Misvergnügen wahrnehmen, daß ich sie nicht ihrer Zuneigung zu mir, sondern den Verfolgungen der Jhrigen zu dancken habe? ja daß sie mich nicht einmahl, so viel ich weiß, andern vor- ziehet?
Jch darff dem Gedancken nicht nachhängen: er könnte meinem schönen Kinde theuer zu stehen
kom-
Niemahls iſt meine Freude ſo vollſtaͤndig ge- weſen als jetzt. Allein ich muß zuſehen, ob ich meinen Schatz noch beſitze.
Ja wahrlich: Er iſt in der andern Stube, und ich bin meines Beſitzes wegen auſſer Sorgen.
Entzuͤckend ſchoͤnes Gluͤck! Wird nicht mein frohes Hertz Durch meine Bruſt in ihren Buſen brechen?
Jch wußte, daß die gantze tumme Familie fuͤr mich arbeitete. Jch ſagte dir, daß ich ſie insge- ſammt gebrauchte die Standhaftigkeit meiner Schoͤ- nen ohne ihr Wiſſen den Maulwuͤrfen gleich zu untergraben. Blinder waren ſie als die Maul- wuͤrfe ſeyn ſollen. Jch lenckte alle ihre Bewegun- gen: allein weil dieſe mit ihrem niedertraͤchtigen Hertzen ſo genau uͤberein kamen, ſo hielten ſie al- les was ſie thaten fuͤr ihre eigenen Entſchließun- gen und nicht fuͤr die Eingebungen einer feindli- chen Gottheit.
Allein was ſage ich dir? meine Freude ſoll voll- kommen ſeyn? Gewiß nicht. Mein Hochmuth iſt all zu wenig vergnuͤget worden. Wie kann ich ohne Misvergnuͤgen wahrnehmen, daß ich ſie nicht ihrer Zuneigung zu mir, ſondern den Verfolgungen der Jhrigen zu dancken habe? ja daß ſie mich nicht einmahl, ſo viel ich weiß, andern vor- ziehet?
Jch darff dem Gedancken nicht nachhaͤngen: er koͤnnte meinem ſchoͤnen Kinde theuer zu ſtehen
kom-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0060"n="46"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Niemahls iſt meine Freude ſo vollſtaͤndig ge-<lb/>
weſen als jetzt. Allein ich muß zuſehen, ob ich<lb/>
meinen Schatz noch beſitze.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Ja wahrlich: Er iſt in der andern Stube, und<lb/>
ich bin meines Beſitzes wegen auſſer Sorgen.</p><lb/><lgtype="poem"><l>Entzuͤckend ſchoͤnes Gluͤck! Wird nicht mein</l><lb/><l><hirendition="#et">frohes Hertz</hi></l><lb/><l>Durch meine Bruſt in ihren Buſen brechen?</l></lg><lb/><p>Jch wußte, daß die gantze tumme Familie fuͤr<lb/>
mich arbeitete. Jch ſagte dir, daß ich ſie insge-<lb/>ſammt gebrauchte die Standhaftigkeit meiner Schoͤ-<lb/>
nen ohne ihr Wiſſen den Maulwuͤrfen gleich zu<lb/>
untergraben. Blinder waren ſie als die Maul-<lb/>
wuͤrfe ſeyn ſollen. Jch lenckte alle ihre Bewegun-<lb/>
gen: allein weil dieſe mit ihrem niedertraͤchtigen<lb/>
Hertzen ſo genau uͤberein kamen, ſo hielten ſie al-<lb/>
les was ſie thaten fuͤr ihre eigenen Entſchließun-<lb/>
gen und nicht fuͤr die Eingebungen einer feindli-<lb/>
chen Gottheit.</p><lb/><p>Allein was ſage ich dir? meine Freude ſoll voll-<lb/>
kommen ſeyn? Gewiß nicht. Mein Hochmuth<lb/>
iſt all zu wenig vergnuͤget worden. Wie kann ich<lb/>
ohne Misvergnuͤgen wahrnehmen, daß ich ſie nicht<lb/>
ihrer Zuneigung zu mir, ſondern den Verfolgungen<lb/>
der Jhrigen zu dancken habe? ja daß ſie mich<lb/>
nicht einmahl, ſo viel ich weiß, andern vor-<lb/>
ziehet?</p><lb/><p>Jch darff dem Gedancken nicht nachhaͤngen: er<lb/>
koͤnnte meinem ſchoͤnen Kinde theuer zu ſtehen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">kom-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[46/0060]
Niemahls iſt meine Freude ſo vollſtaͤndig ge-
weſen als jetzt. Allein ich muß zuſehen, ob ich
meinen Schatz noch beſitze.
Ja wahrlich: Er iſt in der andern Stube, und
ich bin meines Beſitzes wegen auſſer Sorgen.
Entzuͤckend ſchoͤnes Gluͤck! Wird nicht mein
frohes Hertz
Durch meine Bruſt in ihren Buſen brechen?
Jch wußte, daß die gantze tumme Familie fuͤr
mich arbeitete. Jch ſagte dir, daß ich ſie insge-
ſammt gebrauchte die Standhaftigkeit meiner Schoͤ-
nen ohne ihr Wiſſen den Maulwuͤrfen gleich zu
untergraben. Blinder waren ſie als die Maul-
wuͤrfe ſeyn ſollen. Jch lenckte alle ihre Bewegun-
gen: allein weil dieſe mit ihrem niedertraͤchtigen
Hertzen ſo genau uͤberein kamen, ſo hielten ſie al-
les was ſie thaten fuͤr ihre eigenen Entſchließun-
gen und nicht fuͤr die Eingebungen einer feindli-
chen Gottheit.
Allein was ſage ich dir? meine Freude ſoll voll-
kommen ſeyn? Gewiß nicht. Mein Hochmuth
iſt all zu wenig vergnuͤget worden. Wie kann ich
ohne Misvergnuͤgen wahrnehmen, daß ich ſie nicht
ihrer Zuneigung zu mir, ſondern den Verfolgungen
der Jhrigen zu dancken habe? ja daß ſie mich
nicht einmahl, ſo viel ich weiß, andern vor-
ziehet?
Jch darff dem Gedancken nicht nachhaͤngen: er
koͤnnte meinem ſchoͤnen Kinde theuer zu ſtehen
kom-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/60>, abgerufen am 25.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.