Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite


übrigen Theils, dieses Abschnitts, und
und des ganzen nächstfolgenden:

- - eine Mutter billig gelten sollte. Fräulein
Howe ist in der That ein Frauenzimmer von
feiner Einsicht. Aber es gehöret ein hoher
Grad des Verstandes sowol, als ein sanftes
und zartes Gemüth und große Klugheit dazu,
wenn eine erwachsene Tochter zeigen will, daß
sie Hochachtung und Liebe gegen eine Mutter
zusammen verbindet, die in ihren Eigenschaf-
ten so sichtbarlich unter ihr ist.

Fräulein Howe ist offenherzig, freigebig
und edelmüthig. Die Mutter hat nicht ei-
ne einzige von diesen Vollkommenheiten. Ael-
tern sollten, um bei ihren Kindern die Ehrer-
bietung zu erhalten, billig grosse Sorge tra-
gen, daß sie dieselben in ihrer Aufführung, oder
Betragen, oder in ihren Grundsätzen nichts se-
hen liessen, was sie selbst an andern nicht bil-
ligen werden.

Herr Hickmann kann sich indessen mit dem
Gedanken trösten, daß eben die Lebhaftigkeit,
von welcher er leidet, der Fräulein Howe eig-
ne Mutter zuweilen eben so empfindlich
macht. Und da er hievon vorher Proben ge-
nug siehet, so wird er, wenn sie als Frau so
lebhaft seyn sollte, wie sie als seine Geliebte
gewesen ist, mehr Ursache haben, sich selbst zu
tadeln, als die Fräulein, daß er bei so drohen-
dem Anschein fortgefahren, sich um sie zu be-
werben, und sie zu heirathen.

Es


uͤbrigen Theils, dieſes Abſchnitts, und
und des ganzen naͤchſtfolgenden:

‒ ‒ eine Mutter billig gelten ſollte. Fraͤulein
Howe iſt in der That ein Frauenzimmer von
feiner Einſicht. Aber es gehoͤret ein hoher
Grad des Verſtandes ſowol, als ein ſanftes
und zartes Gemuͤth und große Klugheit dazu,
wenn eine erwachſene Tochter zeigen will, daß
ſie Hochachtung und Liebe gegen eine Mutter
zuſammen verbindet, die in ihren Eigenſchaf-
ten ſo ſichtbarlich unter ihr iſt.

Fraͤulein Howe iſt offenherzig, freigebig
und edelmuͤthig. Die Mutter hat nicht ei-
ne einzige von dieſen Vollkommenheiten. Ael-
tern ſollten, um bei ihren Kindern die Ehrer-
bietung zu erhalten, billig groſſe Sorge tra-
gen, daß ſie dieſelben in ihrer Auffuͤhrung, oder
Betragen, oder in ihren Grundſaͤtzen nichts ſe-
hen lieſſen, was ſie ſelbſt an andern nicht bil-
ligen werden.

Herr Hickmann kann ſich indeſſen mit dem
Gedanken troͤſten, daß eben die Lebhaftigkeit,
von welcher er leidet, der Fraͤulein Howe eig-
ne Mutter zuweilen eben ſo empfindlich
macht. Und da er hievon vorher Proben ge-
nug ſiehet, ſo wird er, wenn ſie als Frau ſo
lebhaft ſeyn ſollte, wie ſie als ſeine Geliebte
geweſen iſt, mehr Urſache haben, ſich ſelbſt zu
tadeln, als die Fraͤulein, daß er bei ſo drohen-
dem Anſchein fortgefahren, ſich um ſie zu be-
werben, und ſie zu heirathen.

Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <head><pb facs="#f0279" n="271"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
u&#x0364;brigen Theils, die&#x017F;es Ab&#x017F;chnitts, und<lb/>
und des ganzen na&#x0364;ch&#x017F;tfolgenden:</head><lb/>
          <p>&#x2012; &#x2012; eine Mutter billig gelten &#x017F;ollte. Fra&#x0364;ulein<lb/><hi rendition="#fr">Howe</hi> i&#x017F;t in der That ein Frauenzimmer von<lb/>
feiner Ein&#x017F;icht. Aber es geho&#x0364;ret ein hoher<lb/>
Grad des Ver&#x017F;tandes &#x017F;owol, als ein &#x017F;anftes<lb/>
und zartes Gemu&#x0364;th und große Klugheit dazu,<lb/>
wenn eine erwach&#x017F;ene Tochter zeigen will, daß<lb/>
&#x017F;ie Hochachtung und Liebe gegen eine Mutter<lb/>
zu&#x017F;ammen verbindet, die in ihren Eigen&#x017F;chaf-<lb/>
ten &#x017F;o &#x017F;ichtbarlich unter ihr i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Fra&#x0364;ulein <hi rendition="#fr">Howe</hi> i&#x017F;t <hi rendition="#fr">offenherzig, freigebig</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">edelmu&#x0364;thig.</hi> Die Mutter hat nicht ei-<lb/>
ne einzige von die&#x017F;en Vollkommenheiten. Ael-<lb/>
tern &#x017F;ollten, um bei ihren Kindern die Ehrer-<lb/>
bietung zu erhalten, billig gro&#x017F;&#x017F;e Sorge tra-<lb/>
gen, daß &#x017F;ie die&#x017F;elben in ihrer Auffu&#x0364;hrung, oder<lb/>
Betragen, oder in ihren Grund&#x017F;a&#x0364;tzen nichts &#x017F;e-<lb/>
hen lie&#x017F;&#x017F;en, was &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t an andern nicht bil-<lb/>
ligen werden.</p><lb/>
          <p>Herr <hi rendition="#fr">Hickmann</hi> kann &#x017F;ich inde&#x017F;&#x017F;en mit dem<lb/>
Gedanken tro&#x0364;&#x017F;ten, daß eben die Lebhaftigkeit,<lb/>
von welcher <hi rendition="#fr">er</hi> leidet, der Fra&#x0364;ulein <hi rendition="#fr">Howe</hi> eig-<lb/>
ne Mutter zuweilen <hi rendition="#fr">eben &#x017F;o empfindlich</hi><lb/>
macht. Und da er hievon vorher Proben ge-<lb/>
nug &#x017F;iehet, &#x017F;o wird er, wenn &#x017F;ie als <hi rendition="#fr">Frau</hi> &#x017F;o<lb/>
lebhaft &#x017F;eyn &#x017F;ollte, wie &#x017F;ie als &#x017F;eine <hi rendition="#fr">Geliebte</hi><lb/>
gewe&#x017F;en i&#x017F;t, mehr Ur&#x017F;ache haben, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t zu<lb/>
tadeln, als die Fra&#x0364;ulein, daß er bei &#x017F;o drohen-<lb/>
dem An&#x017F;chein fortgefahren, &#x017F;ich um &#x017F;ie zu be-<lb/>
werben, und &#x017F;ie zu heirathen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0279] uͤbrigen Theils, dieſes Abſchnitts, und und des ganzen naͤchſtfolgenden: ‒ ‒ eine Mutter billig gelten ſollte. Fraͤulein Howe iſt in der That ein Frauenzimmer von feiner Einſicht. Aber es gehoͤret ein hoher Grad des Verſtandes ſowol, als ein ſanftes und zartes Gemuͤth und große Klugheit dazu, wenn eine erwachſene Tochter zeigen will, daß ſie Hochachtung und Liebe gegen eine Mutter zuſammen verbindet, die in ihren Eigenſchaf- ten ſo ſichtbarlich unter ihr iſt. Fraͤulein Howe iſt offenherzig, freigebig und edelmuͤthig. Die Mutter hat nicht ei- ne einzige von dieſen Vollkommenheiten. Ael- tern ſollten, um bei ihren Kindern die Ehrer- bietung zu erhalten, billig groſſe Sorge tra- gen, daß ſie dieſelben in ihrer Auffuͤhrung, oder Betragen, oder in ihren Grundſaͤtzen nichts ſe- hen lieſſen, was ſie ſelbſt an andern nicht bil- ligen werden. Herr Hickmann kann ſich indeſſen mit dem Gedanken troͤſten, daß eben die Lebhaftigkeit, von welcher er leidet, der Fraͤulein Howe eig- ne Mutter zuweilen eben ſo empfindlich macht. Und da er hievon vorher Proben ge- nug ſiehet, ſo wird er, wenn ſie als Frau ſo lebhaft ſeyn ſollte, wie ſie als ſeine Geliebte geweſen iſt, mehr Urſache haben, ſich ſelbſt zu tadeln, als die Fraͤulein, daß er bei ſo drohen- dem Anſchein fortgefahren, ſich um ſie zu be- werben, und ſie zu heirathen. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/279
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/279>, abgerufen am 19.04.2024.