Schuld geschehen müßte, es niemanden, als mir selbst, zu danken haben.
Was denken Sie, liebste Freundin? - - Glau- ben Sie, daß da eine Absicht hinter stecken könn- te? - - Jch sehe keine, die er haben möchte, und hielt es daher für das beste, da er es so offenher- zig vorbrachte, mir nicht den geringsten Zweifel an der Aufrichtigkeit seines Geständnisses merken zu lassen, und es also in so ferne anzunehmen.
Darauf las er mir einen Theil des Briefes der Lady Elisabeth Lawrance vor. Aber den Anfang schlug er ein, weil er darin, wie er sag- te, zu scharf mitgenommen wäre, als daß ich ihn sehen sollte. Und aus der Schreibart zu urtheilen, glaube ich auch, daß der übrige Theil voller Verweise war.
Es wäre zu offenbar, sagte ich, daß er grosse Laster an sich haben müßte, weil kein einziger seiner Verwandten an ihn schreiben könnte, oh- ne einen Verweis über eine böse Handlung mit einfliessen zu lassen.
Es ist aber eben so offenbar, mein liebstes Leben, sagte er, daß sie, die sie doch keines von diesen Lastern anders, als durch einen Argwohn kennen, eben so bereit sind, mich zu verurthei- len. - - Wird denn die Menschenliebe ihnen nicht erlauben, zu muthmassen, daß jener ihre Beschuldigungen nicht besser gegründet sind? - - Daß mein vornehmster Fehler eine Sorglo- sigkeit für meinen guten Namen ist, und daß ich zu wenig bekümmert gewesen bin, mich zu
recht-
Schuld geſchehen muͤßte, es niemanden, als mir ſelbſt, zu danken haben.
Was denken Sie, liebſte Freundin? ‒ ‒ Glau- ben Sie, daß da eine Abſicht hinter ſtecken koͤnn- te? ‒ ‒ Jch ſehe keine, die er haben moͤchte, und hielt es daher fuͤr das beſte, da er es ſo offenher- zig vorbrachte, mir nicht den geringſten Zweifel an der Aufrichtigkeit ſeines Geſtaͤndniſſes merken zu laſſen, und es alſo in ſo ferne anzunehmen.
Darauf las er mir einen Theil des Briefes der Lady Eliſabeth Lawrance vor. Aber den Anfang ſchlug er ein, weil er darin, wie er ſag- te, zu ſcharf mitgenommen waͤre, als daß ich ihn ſehen ſollte. Und aus der Schreibart zu urtheilen, glaube ich auch, daß der uͤbrige Theil voller Verweiſe war.
Es waͤre zu offenbar, ſagte ich, daß er groſſe Laſter an ſich haben muͤßte, weil kein einziger ſeiner Verwandten an ihn ſchreiben koͤnnte, oh- ne einen Verweis uͤber eine boͤſe Handlung mit einflieſſen zu laſſen.
Es iſt aber eben ſo offenbar, mein liebſtes Leben, ſagte er, daß ſie, die ſie doch keines von dieſen Laſtern anders, als durch einen Argwohn kennen, eben ſo bereit ſind, mich zu verurthei- len. ‒ ‒ Wird denn die Menſchenliebe ihnen nicht erlauben, zu muthmaſſen, daß jener ihre Beſchuldigungen nicht beſſer gegruͤndet ſind? ‒ ‒ Daß mein vornehmſter Fehler eine Sorglo- ſigkeit fuͤr meinen guten Namen iſt, und daß ich zu wenig bekuͤmmert geweſen bin, mich zu
recht-
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Schuld geſchehen muͤßte, es niemanden, als
mir ſelbſt, zu danken haben.
Was denken Sie, liebſte Freundin? ‒ ‒ Glau-
ben Sie, daß da eine Abſicht hinter ſtecken koͤnn-
te? ‒ ‒ Jch ſehe keine, die er haben moͤchte, und
hielt es daher fuͤr das beſte, da er es ſo offenher-
zig vorbrachte, mir nicht den geringſten Zweifel
an der Aufrichtigkeit ſeines Geſtaͤndniſſes merken
zu laſſen, und es alſo in ſo ferne anzunehmen.
Darauf las er mir einen Theil des Briefes
der Lady Eliſabeth Lawrance vor. Aber den
Anfang ſchlug er ein, weil er darin, wie er ſag-
te, zu ſcharf mitgenommen waͤre, als daß ich
ihn ſehen ſollte. Und aus der Schreibart zu
urtheilen, glaube ich auch, daß der uͤbrige Theil
voller Verweiſe war.
Es waͤre zu offenbar, ſagte ich, daß er groſſe
Laſter an ſich haben muͤßte, weil kein einziger
ſeiner Verwandten an ihn ſchreiben koͤnnte, oh-
ne einen Verweis uͤber eine boͤſe Handlung mit
einflieſſen zu laſſen.
Es iſt aber eben ſo offenbar, mein liebſtes
Leben, ſagte er, daß ſie, die ſie doch keines von
dieſen Laſtern anders, als durch einen Argwohn
kennen, eben ſo bereit ſind, mich zu verurthei-
len. ‒ ‒ Wird denn die Menſchenliebe ihnen
nicht erlauben, zu muthmaſſen, daß jener ihre
Beſchuldigungen nicht beſſer gegruͤndet ſind?
‒ ‒ Daß mein vornehmſter Fehler eine Sorglo-
ſigkeit fuͤr meinen guten Namen iſt, und daß
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/68>, abgerufen am 23.04.2024.
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