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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst.

Ich schliesse daran sofort eine Skizze der Fortentwicklung
der Blumenrankenfriese in der rothfigurigen Zeit
, soweit
daran nicht schon eine ausgesprochen naturalisirende Tendenz zu
Tage tritt. Diese Tendenz wird am nachdrücklichsten markirt durch
das Aufkommen des Akanthus, das wir etwa um 430--450 v. Chr. an-
setzen können. Doch haben sich die strengeren stilisirten Formen
noch viel länger gehalten, insbesondere in den besäumenden Bordüren,

[Abbildung] Fig. 96.

Gemaltes griechisches Vasenornament.

deren knappe Enge einer freieren Behandlung von vornherein nicht
günstig war.

An den rothfigurigen Vasen, für deren Beurtheilung wir aller-
dings fast ausschliesslich auf das attische Produktionsgebiet angewiesen
sind, begegnen wir einer zunehmend spielenden Behandlung, nicht
bloss der überkommenen Motive, sondern auch ihrer Verbindungen.
Dabei sind die Typen selbst eigentlich auf wenige beschränkt. Die
fortlaufende Wellenranke kommt wieder in umfassenderen Gebrauch;

[Abbildung] Fig. 97.

Gemaltes griechisches Vasenornament.

ihre Windungen sind höchst elegant, die angesetzten Palmetten folgen
denselben in einer schrägen Projektion (Fig. 96), die nur durch jewei-
lige entsprechende Anpassung der Einzelblätter erzielt werden kann.
Dieselbe auf lebendigere Bewegung gerichtete Tendenz äussert sich
an der intermittirenden Wellenranke (Fig. 97): die Palmetten sind
nicht starr und steif nach oben und unten gekehrt, senkrecht zur Rich-
tung des Frieses, wie seit dem melischen Beispiele Fig. 53 allezeit, son-
dern schräg wie schon in Mykenä (Fig. 52).


B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst.

Ich schliesse daran sofort eine Skizze der Fortentwicklung
der Blumenrankenfriese in der rothfigurigen Zeit
, soweit
daran nicht schon eine ausgesprochen naturalisirende Tendenz zu
Tage tritt. Diese Tendenz wird am nachdrücklichsten markirt durch
das Aufkommen des Akanthus, das wir etwa um 430—450 v. Chr. an-
setzen können. Doch haben sich die strengeren stilisirten Formen
noch viel länger gehalten, insbesondere in den besäumenden Bordüren,

[Abbildung] Fig. 96.

Gemaltes griechisches Vasenornament.

deren knappe Enge einer freieren Behandlung von vornherein nicht
günstig war.

An den rothfigurigen Vasen, für deren Beurtheilung wir aller-
dings fast ausschliesslich auf das attische Produktionsgebiet angewiesen
sind, begegnen wir einer zunehmend spielenden Behandlung, nicht
bloss der überkommenen Motive, sondern auch ihrer Verbindungen.
Dabei sind die Typen selbst eigentlich auf wenige beschränkt. Die
fortlaufende Wellenranke kommt wieder in umfassenderen Gebrauch;

[Abbildung] Fig. 97.

Gemaltes griechisches Vasenornament.

ihre Windungen sind höchst elegant, die angesetzten Palmetten folgen
denselben in einer schrägen Projektion (Fig. 96), die nur durch jewei-
lige entsprechende Anpassung der Einzelblätter erzielt werden kann.
Dieselbe auf lebendigere Bewegung gerichtete Tendenz äussert sich
an der intermittirenden Wellenranke (Fig. 97): die Palmetten sind
nicht starr und steif nach oben und unten gekehrt, senkrecht zur Rich-
tung des Frieses, wie seit dem melischen Beispiele Fig. 53 allezeit, son-
dern schräg wie schon in Mykenä (Fig. 52).


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[196/0222] B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst. Ich schliesse daran sofort eine Skizze der Fortentwicklung der Blumenrankenfriese in der rothfigurigen Zeit, soweit daran nicht schon eine ausgesprochen naturalisirende Tendenz zu Tage tritt. Diese Tendenz wird am nachdrücklichsten markirt durch das Aufkommen des Akanthus, das wir etwa um 430—450 v. Chr. an- setzen können. Doch haben sich die strengeren stilisirten Formen noch viel länger gehalten, insbesondere in den besäumenden Bordüren, [Abbildung Fig. 96. Gemaltes griechisches Vasenornament.] deren knappe Enge einer freieren Behandlung von vornherein nicht günstig war. An den rothfigurigen Vasen, für deren Beurtheilung wir aller- dings fast ausschliesslich auf das attische Produktionsgebiet angewiesen sind, begegnen wir einer zunehmend spielenden Behandlung, nicht bloss der überkommenen Motive, sondern auch ihrer Verbindungen. Dabei sind die Typen selbst eigentlich auf wenige beschränkt. Die fortlaufende Wellenranke kommt wieder in umfassenderen Gebrauch; [Abbildung Fig. 97. Gemaltes griechisches Vasenornament.] ihre Windungen sind höchst elegant, die angesetzten Palmetten folgen denselben in einer schrägen Projektion (Fig. 96), die nur durch jewei- lige entsprechende Anpassung der Einzelblätter erzielt werden kann. Dieselbe auf lebendigere Bewegung gerichtete Tendenz äussert sich an der intermittirenden Wellenranke (Fig. 97): die Palmetten sind nicht starr und steif nach oben und unten gekehrt, senkrecht zur Rich- tung des Frieses, wie seit dem melischen Beispiele Fig. 53 allezeit, son- dern schräg wie schon in Mykenä (Fig. 52).

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/222>, abgerufen am 16.04.2024.