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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst.
hiefür25) bietet Fig. 107, entlehnt von einer Vase bei Brunn-Lau XI. 4.
Schon die Komposition des Rankenornaments ist hier bemerkenswerth
und für schwarzfigurige Zeit überraschend: allerdings entfaltet es sich
nicht auf dem beschränkten Raume unter den Henkeln, sondern am
Halse einer Amphora. In das vegetabilische Ornament sind nun gleich-
sam zwickelfüllend zwei Hasen eingestreut, die überdies einander nicht
einmal völlig symmetrisch entsprechen.

Das Einstreuen animalischer Wesen in das Rankenorna-
ment
hat dann in rothfiguriger Zeit entschiedene und bedeutsame Nach-
folge gefunden. Fig. 108, nach Archäol. Zeitung 1880 Taf. XI, zeigt
das Schulterornament einer noch dem 5. Jahrhundert angehörenden

[Abbildung] Fig. 107.

Griechisches Vasenornament.

attischen Lekythos: ein Rankenzweig läuft herum und wird von einem
schwebenden Eroten mit den Händen gefasst, der in spielender Weise
in die Ranke hineingesetzt erscheint. Zu voller Entfaltung und um-
fassender Anwendung gelangte das Motiv erst in hellenistischer Zeit
(z. B. am Hildesheimer Silberkrater). Die ersten Ansätze dazu waren
wir aber im Stande, noch bis in die archaische Zeit zurückzuverfolgen
und auch die bewegenden Tendenzen klarzulegen, welche auf eine

25) Was zögern lässt, das Beispiel ohne Weiteres in die Reihe an der
ihm durch die Technik angewiesenen Stelle aufzunehmen, sind die mehrfachen
daran zu Tage tretenden Singularitäten, worüber auch Brunn im Text S. 24
sich geäussert hat. Die von Letzterem gegebene Erklärung für die Durch-
brechung der Symmetrie durch die Hasen glaube ich durch diejenige ersetzen
zu sollen, die sich aus dem Gedankengange der obigen Untersuchung von
selbst ergiebt.

B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst.
hiefür25) bietet Fig. 107, entlehnt von einer Vase bei Brunn-Lau XI. 4.
Schon die Komposition des Rankenornaments ist hier bemerkenswerth
und für schwarzfigurige Zeit überraschend: allerdings entfaltet es sich
nicht auf dem beschränkten Raume unter den Henkeln, sondern am
Halse einer Amphora. In das vegetabilische Ornament sind nun gleich-
sam zwickelfüllend zwei Hasen eingestreut, die überdies einander nicht
einmal völlig symmetrisch entsprechen.

Das Einstreuen animalischer Wesen in das Rankenorna-
ment
hat dann in rothfiguriger Zeit entschiedene und bedeutsame Nach-
folge gefunden. Fig. 108, nach Archäol. Zeitung 1880 Taf. XI, zeigt
das Schulterornament einer noch dem 5. Jahrhundert angehörenden

[Abbildung] Fig. 107.

Griechisches Vasenornament.

attischen Lekythos: ein Rankenzweig läuft herum und wird von einem
schwebenden Eroten mit den Händen gefasst, der in spielender Weise
in die Ranke hineingesetzt erscheint. Zu voller Entfaltung und um-
fassender Anwendung gelangte das Motiv erst in hellenistischer Zeit
(z. B. am Hildesheimer Silberkrater). Die ersten Ansätze dazu waren
wir aber im Stande, noch bis in die archaische Zeit zurückzuverfolgen
und auch die bewegenden Tendenzen klarzulegen, welche auf eine

25) Was zögern lässt, das Beispiel ohne Weiteres in die Reihe an der
ihm durch die Technik angewiesenen Stelle aufzunehmen, sind die mehrfachen
daran zu Tage tretenden Singularitäten, worüber auch Brunn im Text S. 24
sich geäussert hat. Die von Letzterem gegebene Erklärung für die Durch-
brechung der Symmetrie durch die Hasen glaube ich durch diejenige ersetzen
zu sollen, die sich aus dem Gedankengange der obigen Untersuchung von
selbst ergiebt.
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[206/0232] B. Das Pflanzenornament in der griechischen Kunst. hiefür 25) bietet Fig. 107, entlehnt von einer Vase bei Brunn-Lau XI. 4. Schon die Komposition des Rankenornaments ist hier bemerkenswerth und für schwarzfigurige Zeit überraschend: allerdings entfaltet es sich nicht auf dem beschränkten Raume unter den Henkeln, sondern am Halse einer Amphora. In das vegetabilische Ornament sind nun gleich- sam zwickelfüllend zwei Hasen eingestreut, die überdies einander nicht einmal völlig symmetrisch entsprechen. Das Einstreuen animalischer Wesen in das Rankenorna- ment hat dann in rothfiguriger Zeit entschiedene und bedeutsame Nach- folge gefunden. Fig. 108, nach Archäol. Zeitung 1880 Taf. XI, zeigt das Schulterornament einer noch dem 5. Jahrhundert angehörenden [Abbildung Fig. 107. Griechisches Vasenornament.] attischen Lekythos: ein Rankenzweig läuft herum und wird von einem schwebenden Eroten mit den Händen gefasst, der in spielender Weise in die Ranke hineingesetzt erscheint. Zu voller Entfaltung und um- fassender Anwendung gelangte das Motiv erst in hellenistischer Zeit (z. B. am Hildesheimer Silberkrater). Die ersten Ansätze dazu waren wir aber im Stande, noch bis in die archaische Zeit zurückzuverfolgen und auch die bewegenden Tendenzen klarzulegen, welche auf eine 25) Was zögern lässt, das Beispiel ohne Weiteres in die Reihe an der ihm durch die Technik angewiesenen Stelle aufzunehmen, sind die mehrfachen daran zu Tage tretenden Singularitäten, worüber auch Brunn im Text S. 24 sich geäussert hat. Die von Letzterem gegebene Erklärung für die Durch- brechung der Symmetrie durch die Hasen glaube ich durch diejenige ersetzen zu sollen, die sich aus dem Gedankengange der obigen Untersuchung von selbst ergiebt.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/232>, abgerufen am 24.04.2024.