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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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Die Arabeske.
Teppichornamentik beibehalten, wie sie der sogen. Nomadenteppich
grossentheils noch heute zeigt. Wo sie aber grosse und glänzende
Hofhaltungen aufrichteten, wie in Persien und in Kleinasien, dort über-
trugen sie die bei den dortigen Kulturvölkern vorgefundene höher-
stehende Verzierungsweise -- eben die von der klassischen Antike
überkommene Pflanzenrankenornamentik -- auf ihre Luxusteppiche.

Also weder der Knüpfteppich, noch sein "geblümtes" Muster sind
in Westasien urheimisch, in dem Sinne, wie man dies gewöhnlich an-
zunehmen pflegt. Ersterer stammt aus Centralasien; vereinzelte ver-
sprengte Ausnahmen, etwa am Kaukasus, mag es immerhin schon im
Alterthum gegeben haben. Das "Blumenmuster" aber darf nur inso-
ferne als "urorientalisches" gelten, als ja in der That die unmittel-
baren Vorläufer der saracenischen Pflanzenornamente -- die klassisch-
antiken -- im letzten Grunde aus dem Orient herstammen. Die einzel-
nen Glieder dieser Kette aber, die von der geheimnissvollen Blume
des Nilthals und der Spiralranke des vorläufig noch räthselhafteren
"mykenischen" Inselvolkes zu den ornamentalen Wunderleistungen der
Arabeske führt, glaube ich im dritten und vierten Kapitel dieses
Buches in ziemlich lückenloser Reihe zusammengefügt zu haben.



Die Arabeske.
Teppichornamentik beibehalten, wie sie der sogen. Nomadenteppich
grossentheils noch heute zeigt. Wo sie aber grosse und glänzende
Hofhaltungen aufrichteten, wie in Persien und in Kleinasien, dort über-
trugen sie die bei den dortigen Kulturvölkern vorgefundene höher-
stehende Verzierungsweise — eben die von der klassischen Antike
überkommene Pflanzenrankenornamentik — auf ihre Luxusteppiche.

Also weder der Knüpfteppich, noch sein „geblümtes“ Muster sind
in Westasien urheimisch, in dem Sinne, wie man dies gewöhnlich an-
zunehmen pflegt. Ersterer stammt aus Centralasien; vereinzelte ver-
sprengte Ausnahmen, etwa am Kaukasus, mag es immerhin schon im
Alterthum gegeben haben. Das „Blumenmuster“ aber darf nur inso-
ferne als „urorientalisches“ gelten, als ja in der That die unmittel-
baren Vorläufer der saracenischen Pflanzenornamente — die klassisch-
antiken — im letzten Grunde aus dem Orient herstammen. Die einzel-
nen Glieder dieser Kette aber, die von der geheimnissvollen Blume
des Nilthals und der Spiralranke des vorläufig noch räthselhafteren
„mykenischen“ Inselvolkes zu den ornamentalen Wunderleistungen der
Arabeske führt, glaube ich im dritten und vierten Kapitel dieses
Buches in ziemlich lückenloser Reihe zusammengefügt zu haben.



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[346/0372] Die Arabeske. Teppichornamentik beibehalten, wie sie der sogen. Nomadenteppich grossentheils noch heute zeigt. Wo sie aber grosse und glänzende Hofhaltungen aufrichteten, wie in Persien und in Kleinasien, dort über- trugen sie die bei den dortigen Kulturvölkern vorgefundene höher- stehende Verzierungsweise — eben die von der klassischen Antike überkommene Pflanzenrankenornamentik — auf ihre Luxusteppiche. Also weder der Knüpfteppich, noch sein „geblümtes“ Muster sind in Westasien urheimisch, in dem Sinne, wie man dies gewöhnlich an- zunehmen pflegt. Ersterer stammt aus Centralasien; vereinzelte ver- sprengte Ausnahmen, etwa am Kaukasus, mag es immerhin schon im Alterthum gegeben haben. Das „Blumenmuster“ aber darf nur inso- ferne als „urorientalisches“ gelten, als ja in der That die unmittel- baren Vorläufer der saracenischen Pflanzenornamente — die klassisch- antiken — im letzten Grunde aus dem Orient herstammen. Die einzel- nen Glieder dieser Kette aber, die von der geheimnissvollen Blume des Nilthals und der Spiralranke des vorläufig noch räthselhafteren „mykenischen“ Inselvolkes zu den ornamentalen Wunderleistungen der Arabeske führt, glaube ich im dritten und vierten Kapitel dieses Buches in ziemlich lückenloser Reihe zusammengefügt zu haben.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/372>, abgerufen am 28.03.2024.