Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite
II.
ERWEITERUNG UND VERSCHMELZUNG DER TYPEN.


Die ältesten bildlichen Darstellungen der Heldensage be-
schränken sich in der Regel auf wenige, oft nur zwei oder
drei Figuren; in weitaus den meisten Fällen geschieht die Fortbil-
dung durch Hinzufügen von mehr oder weniger beteiligten und
teilnehmenden Zuschauern, wobei das im ersten Abschnitte ge-
schilderte Bestreben nach möglichster Vollständigkeit und Aus-
führlichkeit der Darstellung und die damit eng zusammenhängende
Unbekümmertheit um Zeit und Ort sehr wesentlich mitsprechen;
so treten zu Peleus und Thetis die fliehenden Nereiden, Cheiron,
Nereus, Triton u. a., zu Theseus und Minotauros Minos, Ari-
adne, die Amme der letzteren und die attischen Knaben und
Mädchen, auf attischen Monumenten zuweilen wohl gezählte vier-
zehn, wie sie die alte Kultlegende von Phaleron kennt, zu dem
alten Typus von der Verfolgung des Troilos, der ursprünglich aus
nur drei Figuren Polyxena, Troilos und Achilleus besteht, treten
hinzu die helfenden Götter Athena und Hermes, der Zielpunkt
der Flucht, Priamos und die Troer, und der Ausgangspunkt, der
Brunnen mit den dort waltenden Göttern und den wasserschöpfenden
troischen Knaben. Es versteht sich, dass gerade diese Zuthaten,
die sich wie eine üppige Moosschicht über einen alten felsigen
Kern ausbreiten, nur mit sehr grosser Vorsicht zu Rückschlüssen
auf die litterarische Quelle benutzt werden dürfen; noch viel
weniger als sonst ist hier der Künstler von dem Wortlaut der

II.
ERWEITERUNG UND VERSCHMELZUNG DER TYPEN.


Die ältesten bildlichen Darstellungen der Heldensage be-
schränken sich in der Regel auf wenige, oft nur zwei oder
drei Figuren; in weitaus den meisten Fällen geschieht die Fortbil-
dung durch Hinzufügen von mehr oder weniger beteiligten und
teilnehmenden Zuschauern, wobei das im ersten Abschnitte ge-
schilderte Bestreben nach möglichster Vollständigkeit und Aus-
führlichkeit der Darstellung und die damit eng zusammenhängende
Unbekümmertheit um Zeit und Ort sehr wesentlich mitsprechen;
so treten zu Peleus und Thetis die fliehenden Nereiden, Cheiron,
Nereus, Triton u. a., zu Theseus und Minotauros Minos, Ari-
adne, die Amme der letzteren und die attischen Knaben und
Mädchen, auf attischen Monumenten zuweilen wohl gezählte vier-
zehn, wie sie die alte Kultlegende von Phaleron kennt, zu dem
alten Typus von der Verfolgung des Troilos, der ursprünglich aus
nur drei Figuren Polyxena, Troilos und Achilleus besteht, treten
hinzu die helfenden Götter Athena und Hermes, der Zielpunkt
der Flucht, Priamos und die Troer, und der Ausgangspunkt, der
Brunnen mit den dort waltenden Göttern und den wasserschöpfenden
troischen Knaben. Es versteht sich, daſs gerade diese Zuthaten,
die sich wie eine üppige Moosschicht über einen alten felsigen
Kern ausbreiten, nur mit sehr groſser Vorsicht zu Rückschlüssen
auf die litterarische Quelle benutzt werden dürfen; noch viel
weniger als sonst ist hier der Künstler von dem Wortlaut der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0066" n="[52]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">II.<lb/>
ERWEITERUNG UND VERSCHMELZUNG DER TYPEN.</hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Die ältesten bildlichen Darstellungen der Heldensage be-<lb/>
schränken sich in der Regel auf wenige, oft nur zwei oder<lb/>
drei Figuren; in weitaus den meisten Fällen geschieht die Fortbil-<lb/>
dung durch Hinzufügen von mehr oder weniger beteiligten und<lb/>
teilnehmenden Zuschauern, wobei das im ersten Abschnitte ge-<lb/>
schilderte Bestreben nach möglichster Vollständigkeit und Aus-<lb/>
führlichkeit der Darstellung und die damit eng zusammenhängende<lb/>
Unbekümmertheit um Zeit und Ort sehr wesentlich mitsprechen;<lb/>
so treten zu Peleus und Thetis die fliehenden Nereiden, Cheiron,<lb/>
Nereus, Triton u. a., zu Theseus und Minotauros Minos, Ari-<lb/>
adne, die Amme der letzteren und die attischen Knaben und<lb/>
Mädchen, auf attischen Monumenten zuweilen wohl gezählte vier-<lb/>
zehn, wie sie die alte Kultlegende von Phaleron kennt, zu dem<lb/>
alten Typus von der Verfolgung des Troilos, der ursprünglich aus<lb/>
nur drei Figuren Polyxena, Troilos und Achilleus besteht, treten<lb/>
hinzu die helfenden Götter Athena und Hermes, der Zielpunkt<lb/>
der Flucht, Priamos und die Troer, und der Ausgangspunkt, der<lb/>
Brunnen mit den dort waltenden Göttern und den wasserschöpfenden<lb/>
troischen Knaben. Es versteht sich, da&#x017F;s gerade diese Zuthaten,<lb/>
die sich wie eine üppige Moosschicht über einen alten felsigen<lb/>
Kern ausbreiten, nur mit sehr gro&#x017F;ser Vorsicht zu Rückschlüssen<lb/>
auf die litterarische Quelle benutzt werden dürfen; noch viel<lb/>
weniger als sonst ist hier der Künstler von dem Wortlaut der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[52]/0066] II. ERWEITERUNG UND VERSCHMELZUNG DER TYPEN. Die ältesten bildlichen Darstellungen der Heldensage be- schränken sich in der Regel auf wenige, oft nur zwei oder drei Figuren; in weitaus den meisten Fällen geschieht die Fortbil- dung durch Hinzufügen von mehr oder weniger beteiligten und teilnehmenden Zuschauern, wobei das im ersten Abschnitte ge- schilderte Bestreben nach möglichster Vollständigkeit und Aus- führlichkeit der Darstellung und die damit eng zusammenhängende Unbekümmertheit um Zeit und Ort sehr wesentlich mitsprechen; so treten zu Peleus und Thetis die fliehenden Nereiden, Cheiron, Nereus, Triton u. a., zu Theseus und Minotauros Minos, Ari- adne, die Amme der letzteren und die attischen Knaben und Mädchen, auf attischen Monumenten zuweilen wohl gezählte vier- zehn, wie sie die alte Kultlegende von Phaleron kennt, zu dem alten Typus von der Verfolgung des Troilos, der ursprünglich aus nur drei Figuren Polyxena, Troilos und Achilleus besteht, treten hinzu die helfenden Götter Athena und Hermes, der Zielpunkt der Flucht, Priamos und die Troer, und der Ausgangspunkt, der Brunnen mit den dort waltenden Göttern und den wasserschöpfenden troischen Knaben. Es versteht sich, daſs gerade diese Zuthaten, die sich wie eine üppige Moosschicht über einen alten felsigen Kern ausbreiten, nur mit sehr groſser Vorsicht zu Rückschlüssen auf die litterarische Quelle benutzt werden dürfen; noch viel weniger als sonst ist hier der Künstler von dem Wortlaut der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/66
Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. [52]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/66>, abgerufen am 28.03.2024.