Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Aufenthalt an Höfen.
dem andern. Nimmt ein Fremder bißweilen
nicht einen gewissen Schritt oder in Räumgen in
Acht, wie es durch die Observanz eingeführt, so
macht er sich durch eine solche Kleinigkeit bey man-
chen Hof-Leuten, zumahl bey den jungen, lächerlich.
Hat er bie Gnade, eine hohe Standes-Person vom
weiblichen Geschlecht zur Tafel zu führen, so muß
er sich vorher genau erkundigen nach dem gewöhn-
lichen und eigentlichen Platz, wo er sie bey der Tafel
wieder von der Hand laffen soll. Läst er sie etwan
ein paar Schritt eher loß, als sonst a l'ord'nair
von dem Cavalier, der sie zur Tafel führt, zu ge-
schehen pflegt, so finden sich alsobald Leute, die sich
über eine solche Kleinigkeit, ob wohl ohne Raison,
aufhalten.

§. 26. Dafern er nicht mit einem gelehrten Hof-
Mann in einem gelehrten Discours begriffen, oder
gewisse jederman bekandte Kunst-Wörter zu nen-
nen hat, die in der Teutschen Sprache gleichsam
ihr Bürger-Recht schon gewonnen, so prahl er
ja nicht mit der Lateinischen Sprache. Diese gilt
wahrhafftlg in den Antichambren und bey den
Tafeln vieler Fürstlichen Höfe in Teutschland heu-
tiges Tages blutwenig. Kommt er etwan gar
mit einer lateinischen Sentenz angezogen, so ge-
geschicht dieses, und wenn sie seiner Einbildung
nach noch so gut angebracht wäre, doch allezeit
mal a propos.

§. 27. Die Frantzösische ist zwar, wie bekandt,
an den Höfen beliebter und mehr eingeführt, es

handeln

Von dem Aufenthalt an Hoͤfen.
dem andern. Nimmt ein Fremder bißweilen
nicht einen gewiſſen Schritt oder in Raͤumgen in
Acht, wie es durch die Obſervanz eingefuͤhrt, ſo
macht er ſich durch eine ſolche Kleinigkeit bey man-
chen Hof-Leuten, zumahl bey den jungen, laͤcherlich.
Hat er bie Gnade, eine hohe Standes-Perſon vom
weiblichen Geſchlecht zur Tafel zu fuͤhren, ſo muß
er ſich vorher genau erkundigen nach dem gewoͤhn-
lichen und eigentlichen Platz, wo er ſie bey der Tafel
wieder von der Hand laffen ſoll. Laͤſt er ſie etwan
ein paar Schritt eher loß, als ſonſt a l’ord’nair
von dem Cavalier, der ſie zur Tafel fuͤhrt, zu ge-
ſchehen pflegt, ſo finden ſich alſobald Leute, die ſich
uͤber eine ſolche Kleinigkeit, ob wohl ohne Raiſon,
aufhalten.

§. 26. Dafern er nicht mit einem gelehrten Hof-
Mann in einem gelehrten Diſcours begriffen, oder
gewiſſe jederman bekandte Kunſt-Woͤrter zu nen-
nen hat, die in der Teutſchen Sprache gleichſam
ihr Buͤrger-Recht ſchon gewonnen, ſo prahl er
ja nicht mit der Lateiniſchen Sprache. Dieſe gilt
wahrhafftlg in den Antichambren und bey den
Tafeln vieler Fuͤrſtlichen Hoͤfe in Teutſchland heu-
tiges Tages blutwenig. Kommt er etwan gar
mit einer lateiniſchen Sentenz angezogen, ſo ge-
geſchicht dieſes, und wenn ſie ſeiner Einbildung
nach noch ſo gut angebracht waͤre, doch allezeit
mal à propos.

§. 27. Die Frantzoͤſiſche iſt zwar, wie bekandt,
an den Hoͤfen beliebter und mehr eingefuͤhrt, es

handeln
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0239" n="219"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Aufenthalt an Ho&#x0364;fen.</hi></fw><lb/>
dem andern. Nimmt ein Fremder bißweilen<lb/>
nicht einen gewi&#x017F;&#x017F;en Schritt oder in Ra&#x0364;umgen in<lb/>
Acht, wie es durch die <hi rendition="#aq">Ob&#x017F;ervanz</hi> eingefu&#x0364;hrt, &#x017F;o<lb/>
macht er &#x017F;ich durch eine &#x017F;olche Kleinigkeit bey man-<lb/>
chen Hof-Leuten, zumahl bey den jungen, la&#x0364;cherlich.<lb/>
Hat er bie Gnade, eine hohe Standes-Per&#x017F;on vom<lb/>
weiblichen Ge&#x017F;chlecht zur Tafel zu fu&#x0364;hren, &#x017F;o muß<lb/>
er &#x017F;ich vorher genau erkundigen nach dem gewo&#x0364;hn-<lb/>
lichen und eigentlichen Platz, wo er &#x017F;ie bey der Tafel<lb/>
wieder von der Hand laffen &#x017F;oll. La&#x0364;&#x017F;t er &#x017F;ie etwan<lb/>
ein paar Schritt eher loß, als &#x017F;on&#x017F;t <hi rendition="#aq">a l&#x2019;ord&#x2019;nair</hi><lb/>
von dem <hi rendition="#aq">Cavalier,</hi> der &#x017F;ie zur Tafel fu&#x0364;hrt, zu ge-<lb/>
&#x017F;chehen pflegt, &#x017F;o finden &#x017F;ich al&#x017F;obald Leute, die &#x017F;ich<lb/>
u&#x0364;ber eine &#x017F;olche Kleinigkeit, ob wohl ohne <hi rendition="#aq">Rai&#x017F;on,</hi><lb/>
aufhalten.</p><lb/>
        <p>§. 26. Dafern er nicht mit einem gelehrten Hof-<lb/>
Mann in einem gelehrten <hi rendition="#aq">Di&#x017F;cours</hi> begriffen, oder<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;e jederman bekandte Kun&#x017F;t-Wo&#x0364;rter zu nen-<lb/>
nen hat, die in der Teut&#x017F;chen Sprache gleich&#x017F;am<lb/>
ihr Bu&#x0364;rger-Recht &#x017F;chon gewonnen, &#x017F;o prahl er<lb/>
ja nicht mit der Lateini&#x017F;chen Sprache. Die&#x017F;e gilt<lb/>
wahrhafftlg in den <hi rendition="#aq">Antichambr</hi>en und bey den<lb/>
Tafeln vieler Fu&#x0364;r&#x017F;tlichen Ho&#x0364;fe in Teut&#x017F;chland heu-<lb/>
tiges Tages blutwenig. Kommt er etwan gar<lb/>
mit einer lateini&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Sentenz</hi> angezogen, &#x017F;o ge-<lb/>
ge&#x017F;chicht die&#x017F;es, und wenn &#x017F;ie &#x017F;einer Einbildung<lb/>
nach noch &#x017F;o gut angebracht wa&#x0364;re, doch allezeit<lb/><hi rendition="#aq">mal à propos.</hi></p><lb/>
        <p>§. 27. Die Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che i&#x017F;t zwar, wie bekandt,<lb/>
an den Ho&#x0364;fen beliebter und mehr eingefu&#x0364;hrt, es<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">handeln</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[219/0239] Von dem Aufenthalt an Hoͤfen. dem andern. Nimmt ein Fremder bißweilen nicht einen gewiſſen Schritt oder in Raͤumgen in Acht, wie es durch die Obſervanz eingefuͤhrt, ſo macht er ſich durch eine ſolche Kleinigkeit bey man- chen Hof-Leuten, zumahl bey den jungen, laͤcherlich. Hat er bie Gnade, eine hohe Standes-Perſon vom weiblichen Geſchlecht zur Tafel zu fuͤhren, ſo muß er ſich vorher genau erkundigen nach dem gewoͤhn- lichen und eigentlichen Platz, wo er ſie bey der Tafel wieder von der Hand laffen ſoll. Laͤſt er ſie etwan ein paar Schritt eher loß, als ſonſt a l’ord’nair von dem Cavalier, der ſie zur Tafel fuͤhrt, zu ge- ſchehen pflegt, ſo finden ſich alſobald Leute, die ſich uͤber eine ſolche Kleinigkeit, ob wohl ohne Raiſon, aufhalten. §. 26. Dafern er nicht mit einem gelehrten Hof- Mann in einem gelehrten Diſcours begriffen, oder gewiſſe jederman bekandte Kunſt-Woͤrter zu nen- nen hat, die in der Teutſchen Sprache gleichſam ihr Buͤrger-Recht ſchon gewonnen, ſo prahl er ja nicht mit der Lateiniſchen Sprache. Dieſe gilt wahrhafftlg in den Antichambren und bey den Tafeln vieler Fuͤrſtlichen Hoͤfe in Teutſchland heu- tiges Tages blutwenig. Kommt er etwan gar mit einer lateiniſchen Sentenz angezogen, ſo ge- geſchicht dieſes, und wenn ſie ſeiner Einbildung nach noch ſo gut angebracht waͤre, doch allezeit mal à propos. §. 27. Die Frantzoͤſiſche iſt zwar, wie bekandt, an den Hoͤfen beliebter und mehr eingefuͤhrt, es handeln

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/239
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/239>, abgerufen am 25.04.2024.