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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. I. Capitul.
äusserlichen Gottesdienst gehörigen Handlungen,
zu beobachten haben, und überläst eine weitere und
ausführlichere Einschärffung der hieher gehörigen
Pflichten der Christlichen Tugend- und Sitten-
Lehre.

§. 2. So weit ist es nnter unsern heutigen Schein-
Christen gekommen, daß viele von unsern jungen so
genandten Politicis, adelichen und bürgerlichen
Standes, in den Gedancken stehen, der Titul eines
Christen liesse sich nicht wohl mit dem Titul eines
Weltweisen, oder eines braven, vernünfftigen und
ehrlichen Mannes, mit einander vereinigen. Doch
diese elenden Leute machen sich irrige Begriffe von
der Gottseligkeit und von ihrer Welt-Klugheit.
Wenn sie sich die Mühe gäben, die Schönheit und
Vortrefflichkeit der Religion einzusehen, so würden
sie die Vollkommenheit der Christlichen Lehre, und
die wahre Glückseligkeit, die hiedurch zuwege ge-
bracht wird, nicht hoch genug zu schätzen und zu ver-
ehren wissen; wie sie denn auch würcklich von ei-
nem grossen Theil derer, die ihr doch widerstreben
und keine Folge leisten, gerühmet wird, wovon ich
hier weitläufftige Zeugnisse anfügen könte, wenn ich
mich nicht der Kürtze befleißigen wolte. Es saget
daher Faramond, in der Betrachtung der Sitten
gegenwärtiger Zeit, pag. 211. sehr wohl, wenn er
schreibt: Ob sich schon die Grund-Regeln unserer
Religion bey vielen eine Verachtung zugezogen ha-
ben, so sind sie doch dermassen großmüthig, und mit
der Wohlfahrt der menschlichen Gesellschafft über-

einstim-

II. Theil. I. Capitul.
aͤuſſerlichen Gottesdienſt gehoͤrigen Handlungen,
zu beobachten haben, und uͤberlaͤſt eine weitere und
ausfuͤhrlichere Einſchaͤrffung der hieher gehoͤrigen
Pflichten der Chriſtlichen Tugend- und Sitten-
Lehre.

§. 2. So weit iſt es nnter unſern heutigen Schein-
Chriſten gekommen, daß viele von unſern jungen ſo
genandten Politicis, adelichen und buͤrgerlichen
Standes, in den Gedancken ſtehen, der Titul eines
Chriſten lieſſe ſich nicht wohl mit dem Titul eines
Weltweiſen, oder eines braven, vernuͤnfftigen und
ehrlichen Mannes, mit einander vereinigen. Doch
dieſe elenden Leute machen ſich irrige Begriffe von
der Gottſeligkeit und von ihrer Welt-Klugheit.
Wenn ſie ſich die Muͤhe gaͤben, die Schoͤnheit und
Vortrefflichkeit der Religion einzuſehen, ſo wuͤrden
ſie die Vollkommenheit der Chriſtlichen Lehre, und
die wahre Gluͤckſeligkeit, die hiedurch zuwege ge-
bracht wird, nicht hoch genug zu ſchaͤtzen und zu ver-
ehren wiſſen; wie ſie denn auch wuͤrcklich von ei-
nem groſſen Theil derer, die ihr doch widerſtreben
und keine Folge leiſten, geruͤhmet wird, wovon ich
hier weitlaͤufftige Zeugniſſe anfuͤgen koͤnte, wenn ich
mich nicht der Kuͤrtze befleißigen wolte. Es ſaget
daher Faramond, in der Betrachtung der Sitten
gegenwaͤrtiger Zeit, pag. 211. ſehr wohl, wenn er
ſchreibt: Ob ſich ſchon die Grund-Regeln unſerer
Religion bey vielen eine Verachtung zugezogen ha-
ben, ſo ſind ſie doch dermaſſen großmuͤthig, und mit
der Wohlfahrt der menſchlichen Geſellſchafft uͤber-

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[246/0266] II. Theil. I. Capitul. aͤuſſerlichen Gottesdienſt gehoͤrigen Handlungen, zu beobachten haben, und uͤberlaͤſt eine weitere und ausfuͤhrlichere Einſchaͤrffung der hieher gehoͤrigen Pflichten der Chriſtlichen Tugend- und Sitten- Lehre. §. 2. So weit iſt es nnter unſern heutigen Schein- Chriſten gekommen, daß viele von unſern jungen ſo genandten Politicis, adelichen und buͤrgerlichen Standes, in den Gedancken ſtehen, der Titul eines Chriſten lieſſe ſich nicht wohl mit dem Titul eines Weltweiſen, oder eines braven, vernuͤnfftigen und ehrlichen Mannes, mit einander vereinigen. Doch dieſe elenden Leute machen ſich irrige Begriffe von der Gottſeligkeit und von ihrer Welt-Klugheit. Wenn ſie ſich die Muͤhe gaͤben, die Schoͤnheit und Vortrefflichkeit der Religion einzuſehen, ſo wuͤrden ſie die Vollkommenheit der Chriſtlichen Lehre, und die wahre Gluͤckſeligkeit, die hiedurch zuwege ge- bracht wird, nicht hoch genug zu ſchaͤtzen und zu ver- ehren wiſſen; wie ſie denn auch wuͤrcklich von ei- nem groſſen Theil derer, die ihr doch widerſtreben und keine Folge leiſten, geruͤhmet wird, wovon ich hier weitlaͤufftige Zeugniſſe anfuͤgen koͤnte, wenn ich mich nicht der Kuͤrtze befleißigen wolte. Es ſaget daher Faramond, in der Betrachtung der Sitten gegenwaͤrtiger Zeit, pag. 211. ſehr wohl, wenn er ſchreibt: Ob ſich ſchon die Grund-Regeln unſerer Religion bey vielen eine Verachtung zugezogen ha- ben, ſo ſind ſie doch dermaſſen großmuͤthig, und mit der Wohlfahrt der menſchlichen Geſellſchafft uͤber- einſtim-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/266>, abgerufen am 28.03.2024.