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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von der Ceremoniel-Wissensch. überh.
misch-Catholischen, nach Veranlassung ihrer Re-
ligions-Sätze, das Ceremoniel gar öffters gantz
anders reguliret, als unter den Evangelisch-Lutheri-
schen. Viel Gebräuche sind auch, nach den Unter-
schied der Höfe in Teutschland, von einander unter-
schieden, denn der Wille des Landes-Herrn und
der vornehmsten im Lande, die aber gar öffters von
gar ungleichen Gemüthern, geben dem Ceremo-
niel-
Wesen sein gantzes Leben. Was an diesem
Hofe vor einen Wohlstand gehalten wird, ist an
jenem vor einen Ubelstand anzusehen. Es begehen
daher manche Leute, die sich sonst in ihrer übrigen
Aufführung gantz vernünfftig bezeigen, einen Feh-
ler, und machen sich lächerlich, wenn so die Gebräu-
che, die an diesem Hofe, oder bey gewissen Ministris
eingeführt, ohn Unterscheid auf andre appliciren
wollen.

§. 14. Unsere teutschen Gebräuche sondern sich
nicht allein in viel Stücken von den Sitten der an-
dern Europäischen Völcker ab, sondern sie sind auch
nach dem Unterscheid der Provintzen in Teutschland
einander ungleich und unähnlich. Also ist das
privat-Ceremoniel-Wesen bey einigen Puncten
anders in Ober-Sachßen, als in Nieder-Sachßen,
und hinwiederum anders in Schlesien, als in Oe-
sterreich. Ja was will ich von dem Unterscheid der
Länder gedencken, sind doch die Gebräuche in einem
eintzigen Lande nach dem Unterscheid der Oerter von
einander unterschieden. Wenn man ein gantz
Land ausreiset, und sich an jedem Orte nach spe-

ciel-

Von der Ceremoniel-Wiſſenſch. uͤberh.
miſch-Catholiſchen, nach Veranlaſſung ihrer Re-
ligions-Saͤtze, das Ceremoniel gar oͤffters gantz
anders reguliret, als unter den Evangeliſch-Lutheri-
ſchen. Viel Gebraͤuche ſind auch, nach den Unter-
ſchied der Hoͤfe in Teutſchland, von einander unter-
ſchieden, denn der Wille des Landes-Herrn und
der vornehmſten im Lande, die aber gar oͤffters von
gar ungleichen Gemuͤthern, geben dem Ceremo-
niel-
Weſen ſein gantzes Leben. Was an dieſem
Hofe vor einen Wohlſtand gehalten wird, iſt an
jenem vor einen Ubelſtand anzuſehen. Es begehen
daher manche Leute, die ſich ſonſt in ihrer uͤbrigen
Auffuͤhrung gantz vernuͤnfftig bezeigen, einen Feh-
ler, und machen ſich laͤcherlich, wenn ſo die Gebraͤu-
che, die an dieſem Hofe, oder bey gewiſſen Miniſtris
eingefuͤhrt, ohn Unterſcheid auf andre appliciren
wollen.

§. 14. Unſere teutſchen Gebraͤuche ſondern ſich
nicht allein in viel Stuͤcken von den Sitten der an-
dern Europaͤiſchen Voͤlcker ab, ſondern ſie ſind auch
nach dem Unterſcheid der Provintzen in Teutſchland
einander ungleich und unaͤhnlich. Alſo iſt das
privat-Ceremoniel-Weſen bey einigen Puncten
anders in Ober-Sachßen, als in Nieder-Sachßen,
und hinwiederum anders in Schleſien, als in Oe-
ſterreich. Ja was will ich von dem Unterſcheid der
Laͤnder gedencken, ſind doch die Gebraͤuche in einem
eintzigen Lande nach dem Unterſcheid der Oerter von
einander unterſchieden. Wenn man ein gantz
Land ausreiſet, und ſich an jedem Orte nach ſpe-

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[11/0031] Von der Ceremoniel-Wiſſenſch. uͤberh. miſch-Catholiſchen, nach Veranlaſſung ihrer Re- ligions-Saͤtze, das Ceremoniel gar oͤffters gantz anders reguliret, als unter den Evangeliſch-Lutheri- ſchen. Viel Gebraͤuche ſind auch, nach den Unter- ſchied der Hoͤfe in Teutſchland, von einander unter- ſchieden, denn der Wille des Landes-Herrn und der vornehmſten im Lande, die aber gar oͤffters von gar ungleichen Gemuͤthern, geben dem Ceremo- niel-Weſen ſein gantzes Leben. Was an dieſem Hofe vor einen Wohlſtand gehalten wird, iſt an jenem vor einen Ubelſtand anzuſehen. Es begehen daher manche Leute, die ſich ſonſt in ihrer uͤbrigen Auffuͤhrung gantz vernuͤnfftig bezeigen, einen Feh- ler, und machen ſich laͤcherlich, wenn ſo die Gebraͤu- che, die an dieſem Hofe, oder bey gewiſſen Miniſtris eingefuͤhrt, ohn Unterſcheid auf andre appliciren wollen. §. 14. Unſere teutſchen Gebraͤuche ſondern ſich nicht allein in viel Stuͤcken von den Sitten der an- dern Europaͤiſchen Voͤlcker ab, ſondern ſie ſind auch nach dem Unterſcheid der Provintzen in Teutſchland einander ungleich und unaͤhnlich. Alſo iſt das privat-Ceremoniel-Weſen bey einigen Puncten anders in Ober-Sachßen, als in Nieder-Sachßen, und hinwiederum anders in Schleſien, als in Oe- ſterreich. Ja was will ich von dem Unterſcheid der Laͤnder gedencken, ſind doch die Gebraͤuche in einem eintzigen Lande nach dem Unterſcheid der Oerter von einander unterſchieden. Wenn man ein gantz Land ausreiſet, und ſich an jedem Orte nach ſpe- ciel-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/31>, abgerufen am 29.03.2024.