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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von der Ceremoniel-Wissensch. überh.
Schule, auf welcher man die Regeln des Wohl-
standes, der beyden äusserlichen Handlungen in
Obacht zu nehmen, am besten erlernen könte.

§. 19. Nachdem die Frantzosen gemerckt, daß so
wohl andere Völcker, als insonderheit die Teut-
schen, die Regeln der Galanterie und des Wohl-
standes von ihnen zu erlernen, begierig, so haben sie
sich vor andern angelegen seyn lassen, eine ungeheu-
re Menge Schrifften, die von der Politesse, von
der Galanterie, von der Höflichkeit, von einer guten
Aufführung, u. s. w. handeln, heraus zu geben. Es
ist nicht zu leugnen, daß viel Gutes darinnen enthal-
ten, wenn man aber ihre Regeln auf die Probe stellt,
so findet man, daß sie sich nicht in allen Stücken auf
unsre teutsche Verfassung wollen appliciren lassen.
So wenig als die ausländische Gesetze ohn Unter-
scheid auf Teutschland passen, so wenig schicken sich
auch alle Maximen und Regeln der fremden Völ-
cker, die sie von den Wohlstand ertheilen, auf unsere
teutschen Gebräuche und Verfassung. Es läst
daher auch gar wunderlich, wenn einige von unsern
teutschen Passagirern dasjenige, was sie in Franck-
reich gesehen oder gethan, alsobald in Teutschland
appliciren wollen, und bey ihrer Zurückkunfft Lehr-
meister abgeben, andern Leuten lauter Frantzösische
Gebräuche beyzubringen.

§. 20. Ob sich nun wohl vieles von unsern Ce-
remoni
en-Wesen nach dem Frantzösischen regu-
li
rt, und seinen Ursprung aus Franckreich herleitet,
so haben demnach auch manche einheimische Sitten

so

Von der Ceremoniel-Wiſſenſch. uͤberh.
Schule, auf welcher man die Regeln des Wohl-
ſtandes, der beyden aͤuſſerlichen Handlungen in
Obacht zu nehmen, am beſten erlernen koͤnte.

§. 19. Nachdem die Frantzoſen gemerckt, daß ſo
wohl andere Voͤlcker, als inſonderheit die Teut-
ſchen, die Regeln der Galanterie und des Wohl-
ſtandes von ihnen zu erlernen, begierig, ſo haben ſie
ſich vor andern angelegen ſeyn laſſen, eine ungeheu-
re Menge Schrifften, die von der Politeſſe, von
der Galanterie, von der Hoͤflichkeit, von einer guten
Auffuͤhrung, u. ſ. w. handeln, heraus zu geben. Es
iſt nicht zu leugnen, daß viel Gutes darinnen enthal-
ten, wenn man aber ihre Regeln auf die Probe ſtellt,
ſo findet man, daß ſie ſich nicht in allen Stuͤcken auf
unſre teutſche Verfaſſung wollen appliciren laſſen.
So wenig als die auslaͤndiſche Geſetze ohn Unter-
ſcheid auf Teutſchland paſſen, ſo wenig ſchicken ſich
auch alle Maximen und Regeln der fremden Voͤl-
cker, die ſie von den Wohlſtand ertheilen, auf unſere
teutſchen Gebraͤuche und Verfaſſung. Es laͤſt
daher auch gar wunderlich, wenn einige von unſern
teutſchen Paſſagirern dasjenige, was ſie in Franck-
reich geſehen oder gethan, alſobald in Teutſchland
appliciren wollen, und bey ihrer Zuruͤckkunfft Lehr-
meiſter abgeben, andern Leuten lauter Frantzoͤſiſche
Gebraͤuche beyzubringen.

§. 20. Ob ſich nun wohl vieles von unſern Ce-
remoni
en-Weſen nach dem Frantzoͤſiſchen regu-
li
rt, und ſeinen Urſprung aus Franckreich herleitet,
ſo haben demnach auch manche einheimiſche Sitten

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[15/0035] Von der Ceremoniel-Wiſſenſch. uͤberh. Schule, auf welcher man die Regeln des Wohl- ſtandes, der beyden aͤuſſerlichen Handlungen in Obacht zu nehmen, am beſten erlernen koͤnte. §. 19. Nachdem die Frantzoſen gemerckt, daß ſo wohl andere Voͤlcker, als inſonderheit die Teut- ſchen, die Regeln der Galanterie und des Wohl- ſtandes von ihnen zu erlernen, begierig, ſo haben ſie ſich vor andern angelegen ſeyn laſſen, eine ungeheu- re Menge Schrifften, die von der Politeſſe, von der Galanterie, von der Hoͤflichkeit, von einer guten Auffuͤhrung, u. ſ. w. handeln, heraus zu geben. Es iſt nicht zu leugnen, daß viel Gutes darinnen enthal- ten, wenn man aber ihre Regeln auf die Probe ſtellt, ſo findet man, daß ſie ſich nicht in allen Stuͤcken auf unſre teutſche Verfaſſung wollen appliciren laſſen. So wenig als die auslaͤndiſche Geſetze ohn Unter- ſcheid auf Teutſchland paſſen, ſo wenig ſchicken ſich auch alle Maximen und Regeln der fremden Voͤl- cker, die ſie von den Wohlſtand ertheilen, auf unſere teutſchen Gebraͤuche und Verfaſſung. Es laͤſt daher auch gar wunderlich, wenn einige von unſern teutſchen Paſſagirern dasjenige, was ſie in Franck- reich geſehen oder gethan, alſobald in Teutſchland appliciren wollen, und bey ihrer Zuruͤckkunfft Lehr- meiſter abgeben, andern Leuten lauter Frantzoͤſiſche Gebraͤuche beyzubringen. §. 20. Ob ſich nun wohl vieles von unſern Ce- remonien-Weſen nach dem Frantzoͤſiſchen regu- lirt, und ſeinen Urſprung aus Franckreich herleitet, ſo haben demnach auch manche einheimiſche Sitten ſo

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/35>, abgerufen am 29.03.2024.