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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. XIX. Capitul.
lassenheit in mancherley unvermeidlichen Zufällen
und Widerwärtigkeiten des menschlichen Lebens.
Das Christenthum aber versichert uns, daß unsere
Todten, die in dem HErrn gestorben, in die aller-
vollkommenste Glückseligkeit versetzet werden, und
daß wir, durch den Glauben an unserm Heyland,
auch gewiß zu ihnen gelangen, und alsdenn mit ih-
nen zugleich einer ewigen und über alle Maße wich-
tigen Freude und Herrlichkeit geniessen. Eine sol-
che Vorstellung muß unser Trauern nothwendig
mäßigen.

§. 2. Gleichwie viele von unsern heutigen Chri-
sten den Tod mit heydnischen Augen ansehen, also
ist auch bey dem Trauern viel heydnisches Wesen.
Wenn man viele von unsern Ceremonien gegen
diejenigen hält, wie sie vor diesem bey den Griechen
und Römern im Gebrauch gewesen, so wird man
in vielen Stücken eine ziemliche Aehnlichkeit an-
treffen.

§. 3. Die schwartze Farbe ist bey vielen Völ-
ckern, von vielen und langen Zeiten her, als ein Zei-
chen der Trauer angenommen worden. Man kan
dieselbe wohl beybehalten, wenn nur andere wun-
derliche Facons der Trauer-Gewandte, oder sünd-
liche und unvernünfftige Trauer-Ceremonien ab-
geschaffet würden; wozu dienen die schändlichen
Visiere über die Gesichter, und die greulichen und
kostbahren Umhüllungen des Frauenzimmers in
Crep und Flohr, da manche nicht anders aussehen,
als wie die Mahler, nach ihren närrischen Phan-

tasien,

II. Theil. XIX. Capitul.
laſſenheit in mancherley unvermeidlichen Zufaͤllen
und Widerwaͤrtigkeiten des menſchlichen Lebens.
Das Chriſtenthum aber verſichert uns, daß unſere
Todten, die in dem HErrn geſtorben, in die aller-
vollkommenſte Gluͤckſeligkeit verſetzet werden, und
daß wir, durch den Glauben an unſerm Heyland,
auch gewiß zu ihnen gelangen, und alsdenn mit ih-
nen zugleich einer ewigen und uͤber alle Maße wich-
tigen Freude und Herrlichkeit genieſſen. Eine ſol-
che Vorſtellung muß unſer Trauern nothwendig
maͤßigen.

§. 2. Gleichwie viele von unſern heutigen Chri-
ſten den Tod mit heydniſchen Augen anſehen, alſo
iſt auch bey dem Trauern viel heydniſches Weſen.
Wenn man viele von unſern Ceremonien gegen
diejenigen haͤlt, wie ſie vor dieſem bey den Griechen
und Roͤmern im Gebrauch geweſen, ſo wird man
in vielen Stuͤcken eine ziemliche Aehnlichkeit an-
treffen.

§. 3. Die ſchwartze Farbe iſt bey vielen Voͤl-
ckern, von vielen und langen Zeiten her, als ein Zei-
chen der Trauer angenommen worden. Man kan
dieſelbe wohl beybehalten, wenn nur andere wun-
derliche Façons der Trauer-Gewandte, oder ſuͤnd-
liche und unvernuͤnfftige Trauer-Ceremonien ab-
geſchaffet wuͤrden; wozu dienen die ſchaͤndlichen
Viſiere uͤber die Geſichter, und die greulichen und
koſtbahren Umhuͤllungen des Frauenzimmers in
Crep und Flohr, da manche nicht anders ausſehen,
als wie die Mahler, nach ihren naͤrriſchen Phan-

taſien,
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[672/0692] II. Theil. XIX. Capitul. laſſenheit in mancherley unvermeidlichen Zufaͤllen und Widerwaͤrtigkeiten des menſchlichen Lebens. Das Chriſtenthum aber verſichert uns, daß unſere Todten, die in dem HErrn geſtorben, in die aller- vollkommenſte Gluͤckſeligkeit verſetzet werden, und daß wir, durch den Glauben an unſerm Heyland, auch gewiß zu ihnen gelangen, und alsdenn mit ih- nen zugleich einer ewigen und uͤber alle Maße wich- tigen Freude und Herrlichkeit genieſſen. Eine ſol- che Vorſtellung muß unſer Trauern nothwendig maͤßigen. §. 2. Gleichwie viele von unſern heutigen Chri- ſten den Tod mit heydniſchen Augen anſehen, alſo iſt auch bey dem Trauern viel heydniſches Weſen. Wenn man viele von unſern Ceremonien gegen diejenigen haͤlt, wie ſie vor dieſem bey den Griechen und Roͤmern im Gebrauch geweſen, ſo wird man in vielen Stuͤcken eine ziemliche Aehnlichkeit an- treffen. §. 3. Die ſchwartze Farbe iſt bey vielen Voͤl- ckern, von vielen und langen Zeiten her, als ein Zei- chen der Trauer angenommen worden. Man kan dieſelbe wohl beybehalten, wenn nur andere wun- derliche Façons der Trauer-Gewandte, oder ſuͤnd- liche und unvernuͤnfftige Trauer-Ceremonien ab- geſchaffet wuͤrden; wozu dienen die ſchaͤndlichen Viſiere uͤber die Geſichter, und die greulichen und koſtbahren Umhuͤllungen des Frauenzimmers in Crep und Flohr, da manche nicht anders ausſehen, als wie die Mahler, nach ihren naͤrriſchen Phan- taſien,

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 672. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/692>, abgerufen am 24.04.2024.