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Gustav Rose: Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere. Band 2. Berlin, 1842.

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Sprache zu hören, und vaterländische Sitten und Ge- N002
bräuche zu sehen, und es war uns sehr wohlthuend, die N003
Bewohner dieser Kolonien durch die Fürsorge einer N004
liberalen und für sie wohlwollenden Regierung glück- N005
lich und mit ihrem Schicksale zufrieden zu finden. N006
Wir konnten es daher dem Fürsten Gallitzin nur N007
Dank wissen, uns zu dieser Reise bewogen zu haben, N008
die er durch seine freundlichen Vorkehrungen eben so N009
unterrichtend als angenehm gemacht hatte. Die jetzi- N010
gen Generationen geniessen die Früchte der früheren, N011
die nur mit den Schwierigkeiten der ersten Ansied- N012
lung zu kämpfen hatte. Die Einwanderer waren unter N013
der Regierung der Kaiserin Katharina II. 1) aus N014
verschiedenen Theilen Deutschlands, besonders aus N015
Würtemberg, Hessen und Sachsen nach Russland ge- N016
kommen, waren aber, des Ackerbaues unkundig, zum N017
grossen Theil Fabrikarbeiter oder Handwerker, die sich N018
nun genöthigt sahen, eine ihrer früheren ganz entge- N019
gengesetzte Lebensart zu führen, und nun auf die Be- N020
nutzung eines Bodens angewiesen wurden, dessen Ei- N021
genthümlichkeiten ihnen ganz unbekannt waren. So N022
ging die erste Generation ungeachtet der grossen Ver- N023
günstigungen, die ihr in der ersten Zeit ihrer Ansied- N024
lung zu Theil wurden, in Noth und Sorge und in Heim- N025
weh nach dem verlornen Vaterlande unter, und arbeitete N026
zum Wohl der folgenden Generationen, die im Lande N027
geboren und erzogen mit den Eigenthümlichkeiten und N028
Vortheilen desselben bekannt geworden sind, und sie N029
zu benutzen gelernt haben 2).

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[footnote reference] N001
1) In Folge des unter dem 22. Juli 1763 erlassenen kaiserlichen N002
Manifestes unter der Aufsicht der damaligen Tutel-Kanzlei für die N003
Ausländer, welche von der Kaiserin eigends für die Ansiedlung der- N004
selben errichtet war. N005
2) Genauere Nachrichten über den jetzigen Zustand der Kolo- N006
nien giebt Erdmann in seinen Beiträgen zur Kenntniss des Innern N007
von Russland Th. II S. 282, so wie auch Göbel in seiner Reise in N008
die Steppen des südlichen Russlands Th. I S. 277.

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Sprache zu hören, und vaterländische Sitten und Ge- N002
bräuche zu sehen, und es war uns sehr wohlthuend, die N003
Bewohner dieser Kolonien durch die Fürsorge einer N004
liberalen und für sie wohlwollenden Regierung glück- N005
lich und mit ihrem Schicksale zufrieden zu finden. N006
Wir konnten es daher dem Fürsten Gallitzin nur N007
Dank wissen, uns zu dieser Reise bewogen zu haben, N008
die er durch seine freundlichen Vorkehrungen eben so N009
unterrichtend als angenehm gemacht hatte. Die jetzi- N010
gen Generationen geniessen die Früchte der früheren, N011
die nur mit den Schwierigkeiten der ersten Ansied- N012
lung zu kämpfen hatte. Die Einwanderer waren unter N013
der Regierung der Kaiserin Katharina II. 1) aus N014
verschiedenen Theilen Deutschlands, besonders aus N015
Würtemberg, Hessen und Sachsen nach Russland ge- N016
kommen, waren aber, des Ackerbaues unkundig, zum N017
grossen Theil Fabrikarbeiter oder Handwerker, die sich N018
nun genöthigt sahen, eine ihrer früheren ganz entge- N019
gengesetzte Lebensart zu führen, und nun auf die Be- N020
nutzung eines Bodens angewiesen wurden, dessen Ei- N021
genthümlichkeiten ihnen ganz unbekannt waren. So N022
ging die erste Generation ungeachtet der grossen Ver- N023
günstigungen, die ihr in der ersten Zeit ihrer Ansied- N024
lung zu Theil wurden, in Noth und Sorge und in Heim- N025
weh nach dem verlornen Vaterlande unter, und arbeitete N026
zum Wohl der folgenden Generationen, die im Lande N027
geboren und erzogen mit den Eigenthümlichkeiten und N028
Vortheilen desselben bekannt geworden sind, und sie N029
zu benutzen gelernt haben 2).

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1) In Folge des unter dem 22. Juli 1763 erlassenen kaiserlichen N002
Manifestes unter der Aufsicht der damaligen Tutel-Kanzlei für die N003
Ausländer, welche von der Kaiserin eigends für die Ansiedlung der- N004
selben errichtet war. N005
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[251/0269] N001 Sprache zu hören, und vaterländische Sitten und Ge- N002 bräuche zu sehen, und es war uns sehr wohlthuend, die N003 Bewohner dieser Kolonien durch die Fürsorge einer N004 liberalen und für sie wohlwollenden Regierung glück- N005 lich und mit ihrem Schicksale zufrieden zu finden. N006 Wir konnten es daher dem Fürsten Gallitzin nur N007 Dank wissen, uns zu dieser Reise bewogen zu haben, N008 die er durch seine freundlichen Vorkehrungen eben so N009 unterrichtend als angenehm gemacht hatte. Die jetzi- N010 gen Generationen geniessen die Früchte der früheren, N011 die nur mit den Schwierigkeiten der ersten Ansied- N012 lung zu kämpfen hatte. Die Einwanderer waren unter N013 der Regierung der Kaiserin Katharina II. 1) aus N014 verschiedenen Theilen Deutschlands, besonders aus N015 Würtemberg, Hessen und Sachsen nach Russland ge- N016 kommen, waren aber, des Ackerbaues unkundig, zum N017 grossen Theil Fabrikarbeiter oder Handwerker, die sich N018 nun genöthigt sahen, eine ihrer früheren ganz entge- N019 gengesetzte Lebensart zu führen, und nun auf die Be- N020 nutzung eines Bodens angewiesen wurden, dessen Ei- N021 genthümlichkeiten ihnen ganz unbekannt waren. So N022 ging die erste Generation ungeachtet der grossen Ver- N023 günstigungen, die ihr in der ersten Zeit ihrer Ansied- N024 lung zu Theil wurden, in Noth und Sorge und in Heim- N025 weh nach dem verlornen Vaterlande unter, und arbeitete N026 zum Wohl der folgenden Generationen, die im Lande N027 geboren und erzogen mit den Eigenthümlichkeiten und N028 Vortheilen desselben bekannt geworden sind, und sie N029 zu benutzen gelernt haben 2). [footnote reference] [footnote reference] N001 1) In Folge des unter dem 22. Juli 1763 erlassenen kaiserlichen N002 Manifestes unter der Aufsicht der damaligen Tutel-Kanzlei für die N003 Ausländer, welche von der Kaiserin eigends für die Ansiedlung der- N004 selben errichtet war. N005 2) Genauere Nachrichten über den jetzigen Zustand der Kolo- N006 nien giebt Erdmann in seinen Beiträgen zur Kenntniss des Innern N007 von Russland Th. II S. 282, so wie auch Göbel in seiner Reise in N008 die Steppen des südlichen Russlands Th. I S. 277.

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Zitationshilfe: Gustav Rose: Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere. Band 2. Berlin, 1842, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rose_ural02_1842/269>, abgerufen am 19.04.2024.