Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Madame Elisabeth Rosdel,
herleitete. Er durffte es aber zur Zeit nicht wagen,
eine Frage deßwegen an sie abgehen zu lassen, un-
geachtet er verspürte, daß sie sich mit ihm zu reden
sehr begierig bezeigete. Jedoch nicht gar zu lange
hernach geschahe es, daß sie ihm an einem Sonn-
abend Abends auf der Strasse begegnete; Da
fragte er sie, ob ihr nicht möglich sey, den nächsten
Tag, weil ihre Mutter in der Kirche wäre, zu ihm
zu kommen, und bey solcher Gelegenheit ihm ihr An-
liegen, so sie etwann drückete, zu entdecken; Sie
vermeldete ihm, daß solches gar wohl angienge und
sie unfehlbar kommen wollte. Um zwey Uhr des
Nachmittags sahe er fleißig zum Fenster hinaus,
wenn seine Patientin käme; es wehrete auch nicht
lange, so fande sie sich ein, da er sie denn in seine
Kammer führte, und fragte, was ihr fehlete und
was sie mit ihm reden wollte? Sie fienge an, aber
mit Vergiessung einer solchen Thränen-Fluth, daß
er sie kaum besänfftigen, und sie für Seufftzen und
Weinen kein Wort zuwege bringen kunnte; Nach-
dem er ihr aber einen Trost eingesprochen und sie
treuhertzig gemachet, liesse sie sich vernehmen, wel-
cher gestalt sie ihm ein Anliegen vertrauen wollte,
worüber sie sich schon bald zu tode gegrämet: Es
pflege nehmlich ihre Mutter, wann sie ihr alles auf
den Halß fluche, unter andern Lästerungen auch zu
sagen, was massen sie wohl Zeit Lebens eine solche
Bestie bleiben würde, wie sie bereits zu seyn an-

fienge:

Madame Eliſabeth Roſdel,
herleitete. Er durffte es aber zur Zeit nicht wagen,
eine Frage deßwegen an ſie abgehen zu laſſen, un-
geachtet er verſpuͤrte, daß ſie ſich mit ihm zu reden
ſehr begierig bezeigete. Jedoch nicht gar zu lange
hernach geſchahe es, daß ſie ihm an einem Sonn-
abend Abends auf der Straſſe begegnete; Da
fragte er ſie, ob ihr nicht moͤglich ſey, den naͤchſten
Tag, weil ihre Mutter in der Kirche waͤre, zu ihm
zu kommen, und bey ſolcher Gelegenheit ihm ihr An-
liegen, ſo ſie etwann druͤckete, zu entdecken; Sie
vermeldete ihm, daß ſolches gar wohl angienge und
ſie unfehlbar kommen wollte. Um zwey Uhr des
Nachmittags ſahe er fleißig zum Fenſter hinaus,
wenn ſeine Patientin kaͤme; es wehrete auch nicht
lange, ſo fande ſie ſich ein, da er ſie denn in ſeine
Kammer fuͤhrte, und fragte, was ihr fehlete und
was ſie mit ihm reden wollte? Sie fienge an, aber
mit Vergieſſung einer ſolchen Thraͤnen-Fluth, daß
er ſie kaum beſaͤnfftigen, und ſie fuͤr Seufftzen und
Weinen kein Wort zuwege bringen kunnte; Nach-
dem er ihr aber einen Troſt eingeſprochen und ſie
treuhertzig gemachet, lieſſe ſie ſich vernehmen, wel-
cher geſtalt ſie ihm ein Anliegen vertrauen wollte,
woruͤber ſie ſich ſchon bald zu tode gegraͤmet: Es
pflege nehmlich ihre Mutter, wann ſie ihr alles auf
den Halß fluche, unter andern Laͤſterungen auch zu
ſagen, was maſſen ſie wohl Zeit Lebens eine ſolche
Beſtie bleiben wuͤrde, wie ſie bereits zu ſeyn an-

fienge:
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0262" n="242"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Madame Eli&#x017F;abeth Ro&#x017F;del,</hi></hi></fw><lb/>
herleitete. Er durffte es aber zur Zeit nicht wagen,<lb/>
eine Frage deßwegen an &#x017F;ie abgehen zu la&#x017F;&#x017F;en, un-<lb/>
geachtet er ver&#x017F;pu&#x0364;rte, daß &#x017F;ie &#x017F;ich mit ihm zu reden<lb/>
&#x017F;ehr begierig bezeigete. Jedoch nicht gar zu lange<lb/>
hernach ge&#x017F;chahe es, daß &#x017F;ie ihm an einem Sonn-<lb/>
abend Abends auf der Stra&#x017F;&#x017F;e begegnete; Da<lb/>
fragte er &#x017F;ie, ob ihr nicht mo&#x0364;glich &#x017F;ey, den na&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
Tag, weil ihre Mutter in der Kirche wa&#x0364;re, zu ihm<lb/>
zu kommen, und bey &#x017F;olcher Gelegenheit ihm ihr An-<lb/>
liegen, &#x017F;o &#x017F;ie etwann dru&#x0364;ckete, zu entdecken; Sie<lb/>
vermeldete ihm, daß &#x017F;olches gar wohl angienge und<lb/>
&#x017F;ie unfehlbar kommen wollte. Um zwey Uhr des<lb/>
Nachmittags &#x017F;ahe er fleißig zum Fen&#x017F;ter hinaus,<lb/>
wenn &#x017F;eine Patientin ka&#x0364;me; es wehrete auch nicht<lb/>
lange, &#x017F;o fande &#x017F;ie &#x017F;ich ein, da er &#x017F;ie denn in &#x017F;eine<lb/>
Kammer fu&#x0364;hrte, und fragte, was ihr fehlete und<lb/>
was &#x017F;ie mit ihm reden wollte? Sie fienge an, aber<lb/>
mit Vergie&#x017F;&#x017F;ung einer &#x017F;olchen Thra&#x0364;nen-Fluth, daß<lb/>
er &#x017F;ie kaum be&#x017F;a&#x0364;nfftigen, und &#x017F;ie fu&#x0364;r Seufftzen und<lb/>
Weinen kein Wort zuwege bringen kunnte; Nach-<lb/>
dem er ihr aber einen Tro&#x017F;t einge&#x017F;prochen und &#x017F;ie<lb/>
treuhertzig gemachet, lie&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ie &#x017F;ich vernehmen, wel-<lb/>
cher ge&#x017F;talt &#x017F;ie ihm ein Anliegen vertrauen wollte,<lb/>
woru&#x0364;ber &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;chon bald zu tode gegra&#x0364;met: Es<lb/>
pflege nehmlich ihre Mutter, wann &#x017F;ie ihr alles auf<lb/>
den Halß fluche, unter andern La&#x0364;&#x017F;terungen auch zu<lb/>
&#x017F;agen, was ma&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie wohl Zeit Lebens eine &#x017F;olche<lb/><hi rendition="#aq">Be&#x017F;tie</hi> bleiben wu&#x0364;rde, wie &#x017F;ie bereits zu &#x017F;eyn an-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fienge:</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0262] Madame Eliſabeth Roſdel, herleitete. Er durffte es aber zur Zeit nicht wagen, eine Frage deßwegen an ſie abgehen zu laſſen, un- geachtet er verſpuͤrte, daß ſie ſich mit ihm zu reden ſehr begierig bezeigete. Jedoch nicht gar zu lange hernach geſchahe es, daß ſie ihm an einem Sonn- abend Abends auf der Straſſe begegnete; Da fragte er ſie, ob ihr nicht moͤglich ſey, den naͤchſten Tag, weil ihre Mutter in der Kirche waͤre, zu ihm zu kommen, und bey ſolcher Gelegenheit ihm ihr An- liegen, ſo ſie etwann druͤckete, zu entdecken; Sie vermeldete ihm, daß ſolches gar wohl angienge und ſie unfehlbar kommen wollte. Um zwey Uhr des Nachmittags ſahe er fleißig zum Fenſter hinaus, wenn ſeine Patientin kaͤme; es wehrete auch nicht lange, ſo fande ſie ſich ein, da er ſie denn in ſeine Kammer fuͤhrte, und fragte, was ihr fehlete und was ſie mit ihm reden wollte? Sie fienge an, aber mit Vergieſſung einer ſolchen Thraͤnen-Fluth, daß er ſie kaum beſaͤnfftigen, und ſie fuͤr Seufftzen und Weinen kein Wort zuwege bringen kunnte; Nach- dem er ihr aber einen Troſt eingeſprochen und ſie treuhertzig gemachet, lieſſe ſie ſich vernehmen, wel- cher geſtalt ſie ihm ein Anliegen vertrauen wollte, woruͤber ſie ſich ſchon bald zu tode gegraͤmet: Es pflege nehmlich ihre Mutter, wann ſie ihr alles auf den Halß fluche, unter andern Laͤſterungen auch zu ſagen, was maſſen ſie wohl Zeit Lebens eine ſolche Beſtie bleiben wuͤrde, wie ſie bereits zu ſeyn an- fienge:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Angaben des Verlagsortes und des Verlegers si… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/262
Zitationshilfe: Rost, Johann Leonhard: Leben und Thaten Derer berühmtesten Englischen Coquetten und Maitressen. Nürnberg, 1721, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rost_thaten_1721/262>, abgerufen am 23.04.2024.