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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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B. Arten und Leistungen des Kampfes der Theile.
Eigenschaften fördern und abkürzen. Sein Resultat wird mit
Nothwendigkeit nur das Gleichgewicht zwischen den Theilen
sein. Denn Gewebe, welche zu lebenskräftig für die anderen
sind, auch wenn sie selber oder die anderen sehr nützlich
wären, müssen zur Vernichtung des Ganzen führen, wie uns
dies zahlreiche pathologische Beispiele thatsächlich zeigen. Die
Geschwülste sind bekanntlich solche mit abnormer Lebenskraft
ausgestattete Gewebe, die sich auf Kosten der Nahrung und
des Raumes der anderen entfalten und mit diesen den Orga-
nismus zerstören. Ebenso ist die Stärkung der Bindesubstan-
zen, wie sie z. B. das Syphilisgift hervorbringt, hierher zu
zählen. Sie vermehren sich bekanntlich nach Einwirkung die-
ses Giftes (ob blos nach Hinzutreten eines anderen Reizes, ist
für uns irrelevant) und bringen schliesslich die eingelagerten,
specifisch fungirenden Theile der Organe zum Schwund. In
ähnlicher Weise wirkt Arsen bei lange dauerndem Genuss ausser
auf andere Theile auch stärkend auf die Entwickelung des
Fettgewebes. Ist dies oft vortheilhaft, so ist dagegen nach-
theilig die übermässige Vermehrung des Fettgewebes bei der
allgemeinen Fettleibigkeit, insbesondere, indem sie die Bewe-
gungen des Herzens erschwert. Ferner zeigt uns jede Entzün-
dung in ihrer Auflösung und Zerstörung des normalen Gewebes
einen solchen Kampf.

Auch schon allein durch abnorme Schwächung des einen
Gewebes kann das andere das Uebergewicht gewinnen und sich
auf Kosten des Raumes des geschwächten entfalten. So thun
dies nach Thiersch 1) im Alter die Epithelien in Folge der
Schwächung des Bindegewebes; so erklärt Cohnheim 2) das
Einwachsen der Blutgefässe in alten geschwächten Knorpel,

1) Thiersch, Der Epithelialkrebs, namentlich der Haut. Leipzig 1865.
2) Cohnheim, Allgemeine Pathologie. Bd. I. p. 532.
Roux, Kampf der Theile. 7

B. Arten und Leistungen des Kampfes der Theile.
Eigenschaften fördern und abkürzen. Sein Resultat wird mit
Nothwendigkeit nur das Gleichgewicht zwischen den Theilen
sein. Denn Gewebe, welche zu lebenskräftig für die anderen
sind, auch wenn sie selber oder die anderen sehr nützlich
wären, müssen zur Vernichtung des Ganzen führen, wie uns
dies zahlreiche pathologische Beispiele thatsächlich zeigen. Die
Geschwülste sind bekanntlich solche mit abnormer Lebenskraft
ausgestattete Gewebe, die sich auf Kosten der Nahrung und
des Raumes der anderen entfalten und mit diesen den Orga-
nismus zerstören. Ebenso ist die Stärkung der Bindesubstan-
zen, wie sie z. B. das Syphilisgift hervorbringt, hierher zu
zählen. Sie vermehren sich bekanntlich nach Einwirkung die-
ses Giftes (ob blos nach Hinzutreten eines anderen Reizes, ist
für uns irrelevant) und bringen schliesslich die eingelagerten,
specifisch fungirenden Theile der Organe zum Schwund. In
ähnlicher Weise wirkt Arsen bei lange dauerndem Genuss ausser
auf andere Theile auch stärkend auf die Entwickelung des
Fettgewebes. Ist dies oft vortheilhaft, so ist dagegen nach-
theilig die übermässige Vermehrung des Fettgewebes bei der
allgemeinen Fettleibigkeit, insbesondere, indem sie die Bewe-
gungen des Herzens erschwert. Ferner zeigt uns jede Entzün-
dung in ihrer Auflösung und Zerstörung des normalen Gewebes
einen solchen Kampf.

Auch schon allein durch abnorme Schwächung des einen
Gewebes kann das andere das Uebergewicht gewinnen und sich
auf Kosten des Raumes des geschwächten entfalten. So thun
dies nach Thiersch 1) im Alter die Epithelien in Folge der
Schwächung des Bindegewebes; so erklärt Cohnheim 2) das
Einwachsen der Blutgefässe in alten geschwächten Knorpel,

1) Thiersch, Der Epithelialkrebs, namentlich der Haut. Leipzig 1865.
2) Cohnheim, Allgemeine Pathologie. Bd. I. p. 532.
Roux, Kampf der Theile. 7
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[97/0111] B. Arten und Leistungen des Kampfes der Theile. Eigenschaften fördern und abkürzen. Sein Resultat wird mit Nothwendigkeit nur das Gleichgewicht zwischen den Theilen sein. Denn Gewebe, welche zu lebenskräftig für die anderen sind, auch wenn sie selber oder die anderen sehr nützlich wären, müssen zur Vernichtung des Ganzen führen, wie uns dies zahlreiche pathologische Beispiele thatsächlich zeigen. Die Geschwülste sind bekanntlich solche mit abnormer Lebenskraft ausgestattete Gewebe, die sich auf Kosten der Nahrung und des Raumes der anderen entfalten und mit diesen den Orga- nismus zerstören. Ebenso ist die Stärkung der Bindesubstan- zen, wie sie z. B. das Syphilisgift hervorbringt, hierher zu zählen. Sie vermehren sich bekanntlich nach Einwirkung die- ses Giftes (ob blos nach Hinzutreten eines anderen Reizes, ist für uns irrelevant) und bringen schliesslich die eingelagerten, specifisch fungirenden Theile der Organe zum Schwund. In ähnlicher Weise wirkt Arsen bei lange dauerndem Genuss ausser auf andere Theile auch stärkend auf die Entwickelung des Fettgewebes. Ist dies oft vortheilhaft, so ist dagegen nach- theilig die übermässige Vermehrung des Fettgewebes bei der allgemeinen Fettleibigkeit, insbesondere, indem sie die Bewe- gungen des Herzens erschwert. Ferner zeigt uns jede Entzün- dung in ihrer Auflösung und Zerstörung des normalen Gewebes einen solchen Kampf. Auch schon allein durch abnorme Schwächung des einen Gewebes kann das andere das Uebergewicht gewinnen und sich auf Kosten des Raumes des geschwächten entfalten. So thun dies nach Thiersch 1) im Alter die Epithelien in Folge der Schwächung des Bindegewebes; so erklärt Cohnheim 2) das Einwachsen der Blutgefässe in alten geschwächten Knorpel, 1) Thiersch, Der Epithelialkrebs, namentlich der Haut. Leipzig 1865. 2) Cohnheim, Allgemeine Pathologie. Bd. I. p. 532. Roux, Kampf der Theile. 7

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/111>, abgerufen am 28.03.2024.