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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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V. Ueber das Wesen des Organischen.
beide Arten des Kraftwechsels kommen im anorganischen
Geschehen fortwährend vor. Und ebenso wenig ist es der
Stoffwechsel in Verbindung mit dem Kraftwechsel;
denn die Verbindung beider zeigt uns täglich die Verdampfung
an der Oberfläche des Wassers, die Verwitterung der Felsen etc.

Auch nicht eine bestimmte Consistenz der organischen
Stoffe bildet das Wesen, wenn gleich schon für die thätigen
Theile Schwankungen derselben blos innerhalb gewisser enger
Grenzen vorkommen; aber es giebt anorganische Stoffe von
derselben Beschaffenheit. Eine bestimmte Consistenz kann dem-
nach blos als eine günstige, vielleicht nothwendige Vorbedin-
gung angesehen werden. Das Gleiche gilt von der Concen-
tration
, welche von den 12 Procent Wasser der Hülsen-
früchte bis zu den 99 Procent Wasser, welche in den Quallen
von dem Einen Procent fester Theile zu organischer Masse
verbunden werden, schwankt.

Vielleicht ist eine gewisse gemeinsame chemische Zusam-
mensetzung etwas Wesentliches, denn die Schwankungen in
dieser Beziehung sind nicht sehr grosse, aber wohl nicht das
Wesen selber; da die chemische Constitution des pflanzlichen
Protoplasmas von dem thierischen bei seiner fast entgegenge-
setzten Wirkungsweise jedenfalls sehr verschieden ist.

Nach Ausschluss dieser Eigenschaften bleiben blos noch
wenige, welche in den engeren Kreis der Betrachtung gezogen
werden müssen.

Zunächst gilt als wesentliches Characteristicum die Sen-
sibilität
, weil sie allen lebenden Wesen, wenn auch nicht
allen Theilen derselben, eigen ist. Es ist die Fähigkeit orga-
nischer Gebilde, auf Einwirkung lebendiger Kräfte ihre Gestalt
in einer Weise zu ändern, welche nicht als einfach passive
Umgestaltung durch die äussere Einwirkung angesehen werden
kann, sondern nur durch Erregung eines bestimmten Zustandes

V. Ueber das Wesen des Organischen.
beide Arten des Kraftwechsels kommen im anorganischen
Geschehen fortwährend vor. Und ebenso wenig ist es der
Stoffwechsel in Verbindung mit dem Kraftwechsel;
denn die Verbindung beider zeigt uns täglich die Verdampfung
an der Oberfläche des Wassers, die Verwitterung der Felsen etc.

Auch nicht eine bestimmte Consistenz der organischen
Stoffe bildet das Wesen, wenn gleich schon für die thätigen
Theile Schwankungen derselben blos innerhalb gewisser enger
Grenzen vorkommen; aber es giebt anorganische Stoffe von
derselben Beschaffenheit. Eine bestimmte Consistenz kann dem-
nach blos als eine günstige, vielleicht nothwendige Vorbedin-
gung angesehen werden. Das Gleiche gilt von der Concen-
tration
, welche von den 12 Procent Wasser der Hülsen-
früchte bis zu den 99 Procent Wasser, welche in den Quallen
von dem Einen Procent fester Theile zu organischer Masse
verbunden werden, schwankt.

Vielleicht ist eine gewisse gemeinsame chemische Zusam-
mensetzung etwas Wesentliches, denn die Schwankungen in
dieser Beziehung sind nicht sehr grosse, aber wohl nicht das
Wesen selber; da die chemische Constitution des pflanzlichen
Protoplasmas von dem thierischen bei seiner fast entgegenge-
setzten Wirkungsweise jedenfalls sehr verschieden ist.

Nach Ausschluss dieser Eigenschaften bleiben blos noch
wenige, welche in den engeren Kreis der Betrachtung gezogen
werden müssen.

Zunächst gilt als wesentliches Characteristicum die Sen-
sibilität
, weil sie allen lebenden Wesen, wenn auch nicht
allen Theilen derselben, eigen ist. Es ist die Fähigkeit orga-
nischer Gebilde, auf Einwirkung lebendiger Kräfte ihre Gestalt
in einer Weise zu ändern, welche nicht als einfach passive
Umgestaltung durch die äussere Einwirkung angesehen werden
kann, sondern nur durch Erregung eines bestimmten Zustandes

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[212/0226] V. Ueber das Wesen des Organischen. beide Arten des Kraftwechsels kommen im anorganischen Geschehen fortwährend vor. Und ebenso wenig ist es der Stoffwechsel in Verbindung mit dem Kraftwechsel; denn die Verbindung beider zeigt uns täglich die Verdampfung an der Oberfläche des Wassers, die Verwitterung der Felsen etc. Auch nicht eine bestimmte Consistenz der organischen Stoffe bildet das Wesen, wenn gleich schon für die thätigen Theile Schwankungen derselben blos innerhalb gewisser enger Grenzen vorkommen; aber es giebt anorganische Stoffe von derselben Beschaffenheit. Eine bestimmte Consistenz kann dem- nach blos als eine günstige, vielleicht nothwendige Vorbedin- gung angesehen werden. Das Gleiche gilt von der Concen- tration, welche von den 12 Procent Wasser der Hülsen- früchte bis zu den 99 Procent Wasser, welche in den Quallen von dem Einen Procent fester Theile zu organischer Masse verbunden werden, schwankt. Vielleicht ist eine gewisse gemeinsame chemische Zusam- mensetzung etwas Wesentliches, denn die Schwankungen in dieser Beziehung sind nicht sehr grosse, aber wohl nicht das Wesen selber; da die chemische Constitution des pflanzlichen Protoplasmas von dem thierischen bei seiner fast entgegenge- setzten Wirkungsweise jedenfalls sehr verschieden ist. Nach Ausschluss dieser Eigenschaften bleiben blos noch wenige, welche in den engeren Kreis der Betrachtung gezogen werden müssen. Zunächst gilt als wesentliches Characteristicum die Sen- sibilität, weil sie allen lebenden Wesen, wenn auch nicht allen Theilen derselben, eigen ist. Es ist die Fähigkeit orga- nischer Gebilde, auf Einwirkung lebendiger Kräfte ihre Gestalt in einer Weise zu ändern, welche nicht als einfach passive Umgestaltung durch die äussere Einwirkung angesehen werden kann, sondern nur durch Erregung eines bestimmten Zustandes

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/226>, abgerufen am 25.04.2024.