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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881.

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setzen mit der Umgebung eingetreten, und die regulatorischen
Fähigkeiten so ausgebildet waren, noch viel grösser gewe-
sen sein.

So ist denn schon jedes Samenthierchen und jedes Ei
vom andern unterschieden und, da es das Wesen der Ent-
wickelung ist, aus dem Gleichartigen das Ungleichartige, aus
dem Einfachen das Complicirte hervorzubilden, so liegt es da-
bei besonders nahe, dass durch alterirende äussere Einwirkun-
gen diese Bildungen differenter Qualitäten und Formen etwas
abgelenkt und so immer neue Verschiedenheiten unter den
Theilen des Organismus hervorgebracht werden.

Durch diese Ungleichartigkeiten, welche durch den Wechsel
der Bedingungen fortwährend nicht blos an den Ganzen, son-
dern auch an den Theilen hervorgebracht werden, war es von
vornherein unmöglich, dass Vererbungsgesetze sich ausbilden
konnten, welche das Einzelgeschehen bis in die letzte Zelle
und das letzte Molekel von vornherein normirten. Derartige
Bestimmungen hätten bei dem fortwährenden Wechsel in den
Verhältnissen nie zum Aufbaue eines Organismus führen können,
wie ein Feldherr keine Schlacht gewinnen würde, der statt der
allgemeinen Befehle an die Generäle über die Aufstellung und
Verwendung der Truppen, von vornherein Specialbefehle bis
herab zu den Thaten des Lieutenants oder des einzelnen Mannes
geben wollte; denn die Leistungen aller müssen fortwährend
den wechselnden Verhältnissen angepasst werden und das Ge-
schehen im Kleinen umsomehr, als dessen Umstände leichter
verändert werden als die des Geschehens im Grossen. So
müssen die einzelnen Zellen sich immer aneinander und an
neue, durch ändernde Einwirkung hervorgebrachte Verhältnisse
anpassen können.

Der durch die Verschiedenheit der lebenden Theile her-
vorgerufene Kampf unter denselben wird also mit der vor-

A. Begründung.
setzen mit der Umgebung eingetreten, und die regulatorischen
Fähigkeiten so ausgebildet waren, noch viel grösser gewe-
sen sein.

So ist denn schon jedes Samenthierchen und jedes Ei
vom andern unterschieden und, da es das Wesen der Ent-
wickelung ist, aus dem Gleichartigen das Ungleichartige, aus
dem Einfachen das Complicirte hervorzubilden, so liegt es da-
bei besonders nahe, dass durch alterirende äussere Einwirkun-
gen diese Bildungen differenter Qualitäten und Formen etwas
abgelenkt und so immer neue Verschiedenheiten unter den
Theilen des Organismus hervorgebracht werden.

Durch diese Ungleichartigkeiten, welche durch den Wechsel
der Bedingungen fortwährend nicht blos an den Ganzen, son-
dern auch an den Theilen hervorgebracht werden, war es von
vornherein unmöglich, dass Vererbungsgesetze sich ausbilden
konnten, welche das Einzelgeschehen bis in die letzte Zelle
und das letzte Molekel von vornherein normirten. Derartige
Bestimmungen hätten bei dem fortwährenden Wechsel in den
Verhältnissen nie zum Aufbaue eines Organismus führen können,
wie ein Feldherr keine Schlacht gewinnen würde, der statt der
allgemeinen Befehle an die Generäle über die Aufstellung und
Verwendung der Truppen, von vornherein Specialbefehle bis
herab zu den Thaten des Lieutenants oder des einzelnen Mannes
geben wollte; denn die Leistungen aller müssen fortwährend
den wechselnden Verhältnissen angepasst werden und das Ge-
schehen im Kleinen umsomehr, als dessen Umstände leichter
verändert werden als die des Geschehens im Grossen. So
müssen die einzelnen Zellen sich immer aneinander und an
neue, durch ändernde Einwirkung hervorgebrachte Verhältnisse
anpassen können.

Der durch die Verschiedenheit der lebenden Theile her-
vorgerufene Kampf unter denselben wird also mit der vor-

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[71/0085] A. Begründung. setzen mit der Umgebung eingetreten, und die regulatorischen Fähigkeiten so ausgebildet waren, noch viel grösser gewe- sen sein. So ist denn schon jedes Samenthierchen und jedes Ei vom andern unterschieden und, da es das Wesen der Ent- wickelung ist, aus dem Gleichartigen das Ungleichartige, aus dem Einfachen das Complicirte hervorzubilden, so liegt es da- bei besonders nahe, dass durch alterirende äussere Einwirkun- gen diese Bildungen differenter Qualitäten und Formen etwas abgelenkt und so immer neue Verschiedenheiten unter den Theilen des Organismus hervorgebracht werden. Durch diese Ungleichartigkeiten, welche durch den Wechsel der Bedingungen fortwährend nicht blos an den Ganzen, son- dern auch an den Theilen hervorgebracht werden, war es von vornherein unmöglich, dass Vererbungsgesetze sich ausbilden konnten, welche das Einzelgeschehen bis in die letzte Zelle und das letzte Molekel von vornherein normirten. Derartige Bestimmungen hätten bei dem fortwährenden Wechsel in den Verhältnissen nie zum Aufbaue eines Organismus führen können, wie ein Feldherr keine Schlacht gewinnen würde, der statt der allgemeinen Befehle an die Generäle über die Aufstellung und Verwendung der Truppen, von vornherein Specialbefehle bis herab zu den Thaten des Lieutenants oder des einzelnen Mannes geben wollte; denn die Leistungen aller müssen fortwährend den wechselnden Verhältnissen angepasst werden und das Ge- schehen im Kleinen umsomehr, als dessen Umstände leichter verändert werden als die des Geschehens im Grossen. So müssen die einzelnen Zellen sich immer aneinander und an neue, durch ändernde Einwirkung hervorgebrachte Verhältnisse anpassen können. Der durch die Verschiedenheit der lebenden Theile her- vorgerufene Kampf unter denselben wird also mit der vor-

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Zitationshilfe: Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/85>, abgerufen am 19.04.2024.