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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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halten seyn wollen, besseres sprechen? Jhre übri-
gen Sinne werden sich von selbst üben und ohne
Nachhülfe die gehörige Feinheit erlangen.

Doch magst Du wohl den Gefühlssinn -- (in
den Fingern; das Wort: Tasten oder Getast ist
mir stark zuwider) diesen magst Du zuweilen auch
auf die Probe stellen. Laß Jda die Augen zuthun,
und durch ihr bloßes Anfühlen Deine und Ger-
truds Hand unterscheiden; oder den wächsernen
Apfel von dem wirklichen; oder das leinene Hemd-
chen von dem kattunenen Kleide u. s. w. ...

Unterscheidet ihr Gefühl dieß richtig und schnell,
dann übe sie in feinerem Unterscheiden. Aber die
Uebungen des Gesichts und Gehörs müssen fortge-
setzt werden. Diese sind wesentlich. Durch die be-
kannten fünf Thore ziehen ja alle Vorstellungen
in die junge Menschenseele ein. So wollen wir
sie denn auch öffnen, so gut wir können; beson-
ders die, durch welche dem Menschen die mensch-
lichsten Vorstellungen kommen!



halten ſeyn wollen, beſſeres ſprechen? Jhre übri-
gen Sinne werden ſich von ſelbſt üben und ohne
Nachhülfe die gehörige Feinheit erlangen.

Doch magſt Du wohl den Gefühlsſinn — (in
den Fingern; das Wort: Taſten oder Getaſt iſt
mir ſtark zuwider) dieſen magſt Du zuweilen auch
auf die Probe ſtellen. Laß Jda die Augen zuthun,
und durch ihr bloßes Anfühlen Deine und Ger-
truds Hand unterſcheiden; oder den wächſernen
Apfel von dem wirklichen; oder das leinene Hemd-
chen von dem kattunenen Kleide u. ſ. w. …

Unterſcheidet ihr Gefühl dieß richtig und ſchnell,
dann übe ſie in feinerem Unterſcheiden. Aber die
Uebungen des Geſichts und Gehörs müſſen fortge-
ſetzt werden. Dieſe ſind weſentlich. Durch die be-
kannten fünf Thore ziehen ja alle Vorſtellungen
in die junge Menſchenſeele ein. So wollen wir
ſie denn auch öffnen, ſo gut wir können; beſon-
ders die, durch welche dem Menſchen die menſch-
lichſten Vorſtellungen kommen!

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[51/0065] halten ſeyn wollen, beſſeres ſprechen? Jhre übri- gen Sinne werden ſich von ſelbſt üben und ohne Nachhülfe die gehörige Feinheit erlangen. Doch magſt Du wohl den Gefühlsſinn — (in den Fingern; das Wort: Taſten oder Getaſt iſt mir ſtark zuwider) dieſen magſt Du zuweilen auch auf die Probe ſtellen. Laß Jda die Augen zuthun, und durch ihr bloßes Anfühlen Deine und Ger- truds Hand unterſcheiden; oder den wächſernen Apfel von dem wirklichen; oder das leinene Hemd- chen von dem kattunenen Kleide u. ſ. w. … Unterſcheidet ihr Gefühl dieß richtig und ſchnell, dann übe ſie in feinerem Unterſcheiden. Aber die Uebungen des Geſichts und Gehörs müſſen fortge- ſetzt werden. Dieſe ſind weſentlich. Durch die be- kannten fünf Thore ziehen ja alle Vorſtellungen in die junge Menſchenſeele ein. So wollen wir ſie denn auch öffnen, ſo gut wir können; beſon- ders die, durch welche dem Menſchen die menſch- lichſten Vorſtellungen kommen!

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/65>, abgerufen am 04.12.2024.