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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827.

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hundertes den Meister aufzufinden und anzugeben. Wir ken-
nen, wiederhole ich, von so vielen Malern die dazumal den
täglichen Anfoderungen des kirchlichen Herkommens gedient
haben, nur einige wenige Namen und können nur bey einzelnen
unter den erhaltenen Gemälden, den Meister urkundlich, oder
durch Gründe erweisen. -- Daß man zu jener Zeit auch in
Umbrien in griechischer Manier gemalt, ergiebt sich nicht allein
aus jenen Mauergemälden und Crucifixen zu Asisi; auch zu
Perugia finden sich einige Tafeln dieser Art, in san Bernar-
dino
z. B. ein altes Crucifix, worin Christus nach griech.
Typus, mit stark ausgesenktem Unterleibe. Die Nebenwerke
(am Ausgang der Arme des Kreuzes: Maria, Johannes;
Gott Vater, darunter die Mutter zwischen zwey klagenden
Engeln, zu Füßen s. Franz in kleineren Dimensionen) ent-
halten vermischte barbarisch-italienische und byzantinische Ty-
pen und Manieren. Die Aufschrift dieses Bildes: + anno
domini MCCLXXII. tempore Gregorii PP. X.
-- Woll-
ten wir etwa auch dieses Gemälde in Ermangelung eines an-
deren Namens dem Cimabue beymessen? Deutet es nicht
vielmehr auf minder entschiedene Nachahmung griechischer
Vorbilder, als damals im inneren Toscana üblich war?

Aelter schien mir in derselben Stadt die Altartafel der
Kirche s. Egidio (collegio de' nobili di mercanzia), welche
in fünf oben rundgeschlossenen Feldern verschiedene Heiligen
enthält. Andere Alterthümer des dreyzehnten Jahrhundertes
finden sich in der Sammlung der Academie zu Perugia. -- Die
colossale Madonna, maesta delle volte, macht schon den Ueber-
gang zur giottesken Manier; die Augen sind schon verlängert,
deren Umrisse einander angenähert; die Modellirung übrigens
gegenwärtig durch Uebermalung unsichtbar.



hundertes den Meiſter aufzufinden und anzugeben. Wir ken-
nen, wiederhole ich, von ſo vielen Malern die dazumal den
taͤglichen Anfoderungen des kirchlichen Herkommens gedient
haben, nur einige wenige Namen und koͤnnen nur bey einzelnen
unter den erhaltenen Gemaͤlden, den Meiſter urkundlich, oder
durch Gruͤnde erweiſen. — Daß man zu jener Zeit auch in
Umbrien in griechiſcher Manier gemalt, ergiebt ſich nicht allein
aus jenen Mauergemaͤlden und Crucifixen zu Aſiſi; auch zu
Perugia finden ſich einige Tafeln dieſer Art, in ſan Bernar-
dino
z. B. ein altes Crucifix, worin Chriſtus nach griech.
Typus, mit ſtark ausgeſenktem Unterleibe. Die Nebenwerke
(am Ausgang der Arme des Kreuzes: Maria, Johannes;
Gott Vater, darunter die Mutter zwiſchen zwey klagenden
Engeln, zu Fuͤßen ſ. Franz in kleineren Dimenſionen) ent-
halten vermiſchte barbariſch-italieniſche und byzantiniſche Ty-
pen und Manieren. Die Aufſchrift dieſes Bildes: † anno
domini MCCLXXII. tempore Gregorii PP. X.
— Woll-
ten wir etwa auch dieſes Gemaͤlde in Ermangelung eines an-
deren Namens dem Cimabue beymeſſen? Deutet es nicht
vielmehr auf minder entſchiedene Nachahmung griechiſcher
Vorbilder, als damals im inneren Toscana uͤblich war?

Aelter ſchien mir in derſelben Stadt die Altartafel der
Kirche ſ. Egidio (collegio de’ nobili di mercanzia), welche
in fuͤnf oben rundgeſchloſſenen Feldern verſchiedene Heiligen
enthaͤlt. Andere Alterthuͤmer des dreyzehnten Jahrhundertes
finden ſich in der Sammlung der Academie zu Perugia. — Die
coloſſale Madonna, maestà delle volte, macht ſchon den Ueber-
gang zur giottesken Manier; die Augen ſind ſchon verlaͤngert,
deren Umriſſe einander angenaͤhert; die Modellirung uͤbrigens
gegenwaͤrtig durch Uebermalung unſichtbar.



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[38/0056] hundertes den Meiſter aufzufinden und anzugeben. Wir ken- nen, wiederhole ich, von ſo vielen Malern die dazumal den taͤglichen Anfoderungen des kirchlichen Herkommens gedient haben, nur einige wenige Namen und koͤnnen nur bey einzelnen unter den erhaltenen Gemaͤlden, den Meiſter urkundlich, oder durch Gruͤnde erweiſen. — Daß man zu jener Zeit auch in Umbrien in griechiſcher Manier gemalt, ergiebt ſich nicht allein aus jenen Mauergemaͤlden und Crucifixen zu Aſiſi; auch zu Perugia finden ſich einige Tafeln dieſer Art, in ſan Bernar- dino z. B. ein altes Crucifix, worin Chriſtus nach griech. Typus, mit ſtark ausgeſenktem Unterleibe. Die Nebenwerke (am Ausgang der Arme des Kreuzes: Maria, Johannes; Gott Vater, darunter die Mutter zwiſchen zwey klagenden Engeln, zu Fuͤßen ſ. Franz in kleineren Dimenſionen) ent- halten vermiſchte barbariſch-italieniſche und byzantiniſche Ty- pen und Manieren. Die Aufſchrift dieſes Bildes: † anno domini MCCLXXII. tempore Gregorii PP. X. — Woll- ten wir etwa auch dieſes Gemaͤlde in Ermangelung eines an- deren Namens dem Cimabue beymeſſen? Deutet es nicht vielmehr auf minder entſchiedene Nachahmung griechiſcher Vorbilder, als damals im inneren Toscana uͤblich war? Aelter ſchien mir in derſelben Stadt die Altartafel der Kirche ſ. Egidio (collegio de’ nobili di mercanzia), welche in fuͤnf oben rundgeſchloſſenen Feldern verſchiedene Heiligen enthaͤlt. Andere Alterthuͤmer des dreyzehnten Jahrhundertes finden ſich in der Sammlung der Academie zu Perugia. — Die coloſſale Madonna, maestà delle volte, macht ſchon den Ueber- gang zur giottesken Manier; die Augen ſind ſchon verlaͤngert, deren Umriſſe einander angenaͤhert; die Modellirung uͤbrigens gegenwaͤrtig durch Uebermalung unſichtbar.

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 2. Berlin u. a., 1827, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen02_1827/56>, abgerufen am 23.04.2024.